Die Run-Walk-Methode für Triathleten: Gehen auf der Laufstrecke
03. August 2021
Auf der Laufstrecke eines Triathlons gehen? Wer das kategorisch ausschließt und als Niederlage betrachtet, sollte diesen Text lesen. Denn geplante Gehpausen haben einige Vorteile – und machen mitunter sogar schneller.
Auf der Laufstrecke gehen zu müssen – für viele Triathleten die ultimative Horrorvorstellung. Gehen in einem Wettkampf ist entweder Beleg dafür, dass man nicht genug trainiert oder überzockt hat. Vielleicht ist es aber an der Zeit, diesbezüglich umzudenken. Besonders für Einsteiger, Mittel- und Langdistanzler, die nicht ganz vorn dabei sind, sowie für verletzungsanfällige Sportler.
Gehpausen machen auch Profis
Der Ansatz des Laufens mit geplanten Gehpausen ist nicht neu. Schon in den 70er-Jahren hat ihn Jeff Galloway bei den von ihm trainierten Laufeinsteigern angewendet und ihm als „Run-Walk-Run Method“ sogar ein komplettes Buch gewidmet. Mehr als eine Million Läufer haben inzwischen nach seiner eigenen Aussage das Buch gelesen oder an einem seiner Lauftrainings oder (E-)Coachings teilgenommen. Anscheinend zu Recht:
„Es kann tatsächlich sein, dass man durch Run-Walk-Intervalle auf der Gesamtstrecke schneller ist, da man eine insgesamt höhere Geschwindigkeit in Summe erreicht, als wenn man weiterläuft und in der Geschwindigkeit immer langsamer wird“, erklärt Stephan Pape. Der Triathloncoach, Natural-Running-Trainer und Betreiber des Functional-Fitness-Studios „BOX 1“ in Hamburg glaubt, dass prinzipiell jeder Athlet, unabhängig von Steckenlänge und Leistungsniveau von geplanten Gehpausen profitieren kann:
„Selbst ein Marc Allen ist bei den meisten seiner Hawaii-Starts zumindest teilweise gegangen – und er hat dort immerhin sechsmal gewonnen“, sagt Pape. Auch Jan Frodeno, der vor Kurzem erst seine eigene Weltbestzeit gebrochen hat, hat an Verpflegungsstationen durchaus schon den Laufgang rausgenommen.
Run-Walk: gut für die Muskeln, gut für den Kopf
Mittlerweile gibt es verschiedene Studien, die sich mit dieser Strategie beschäftigten. Eine davon publizierten im Jahr 2016 Prof. Dr. Kuno Hottenrott und einige seiner Sportwissenschaftlerkollegen. Sie teilten vor einem Marathon 42 Hobbyläuferinnen und -läufer per Zufallsprinzip in zwei Gruppen ein. Die eine Hälfte sollte durchlaufen, die andere im Wechsel rennen und gehen. Das Ergebnis: Während die Herzbelastung bei beiden Gruppen ungefähr gleich war, war die gefühlte Muskelermüdung der Marthonis, die Gehpausen gemacht hatten, geringer.
Das lag nicht daran, dass sie langsamer und entspannter unterwegs waren. Vielmehr gab es in puncto Finisherzeiten kaum Unterschiede zwischen den Gruppen. Der Grund für die geringe Zeitdifferenz: Die Läuferinnen und Läufer, die Gehpausen machten, liefen in den „Run“-Abschnitten schlicht schneller. Außerdem ist es wahrscheinlicher, dass es den Athleten gelingt, eine bessere Lauftechnik aufrecht zu erhalten, wenn sie sich zwischendrin regelmäßig kurz erholen können. Das kann – zusammen mit der geringeren Muskelermüdung – Überlastungen und Verletzungen vermeiden helfen.
Und: „Gehpausen können dazu beitragen, das Ziel zu erreichen, da sie auch dem Kopf eine Pause geben und er nicht blockiert“, weiß Stephan Pape, der sich selbst mit einer Run-Walk-Run-Strategie bei einem 75-Kilometer-Ultralauf wieder aus dem mentalen Motivationsloch gezogen hat: „Ich habe erst längere Gehintervalle gemacht und sie dann nach und nach wieder gekürzt“, erzählt der Coach, der Gehpausen auch Anfängern und Athleten empfiehlt, die an einer Technikumstellung arbeiten.
Wie lange gehen, wie lange rennen?
Während Pape dazu rät, im Wettkampf erst zu gehen, wenn der Athlet oder die Athletin die Laufform und angepeilte Wettkampfgeschwindigkeit nicht mehr halten kann, und im Training keine Gehpausen einbaut, empfiehlt Jeff Galloway in seinem Blog besonders Anfängern, auch im Training Gehpausen zu machen.
Die Strategie lässt sich im Wettkampf dann je nach Streckenlänge und Leistungslevel anpassen:
- • So könnte zum Beispiel auf der Olympischen Distanz ein erfahrener Athlet durchlaufen, ein Einsteiger je vier bis fünf Minuten laufen und 15 bis 30 Sekunden gehen.
- • Auf der Mitteldistanz könnte ein erfahrener Agegrouper bis fünf oder sechs Kilometer vor dem Ziel je neun Minuten laufen und eine gehen, die letzten paar dann durchlaufen, wenn es Form und Muskulatur erlauben, Einsteiger dagegen von Anfang an vier bis fünf Minuten laufen und eine gehen.
Auch Matt Dixon von Purplepatch Fitness, der unter anderem Profis wie den Challenge-Roth-Dritten 2018, Jesse Thomas, oder die Ironman-Brasil-Siegerin von 2019, Sarah Piampiano, trainiert(e), ist ein Verfechter von Gehpausen – in Training und Wettkampf.
Für ihn ergibt Durchlaufen auf Teufel komm‘ raus für Agegrouper keinen Sinn, denn „die Muskelschädigung erhöht sich, Pace und Laufhaltung verschlechtern sich, man wird langsamer und das einzige, an was man sich noch festhalten kann, ist der Gedanke, was für ein harter Hund man doch ist. Das ist weder lustig noch schnell, sondern einfach dumm“, schreibt er auf seinem Blog.
Gehen, bevor es zu spät ist
Er rät, ähnlich wie Galloway, bereits Gehpausen einzuplanen, bevor die Ermüdung sich bemerkbar macht. Er setzt auf flexibles Timing, je nachdem, wie man sich fühlt und wie das Gelände beschaffen ist.
Anfangen können Athletinnen und Athleten bei ihm zum Beispiel mit acht Minuten laufen und 30 bis 40 Sekunden gehen. Wenn sich schon während der acht Minuten die Muskelermüdung bemerkbar macht, werden die Gehpausen in kürzeren Abschnitten gesetzt, zum Beispiel jeweils 20 bis 30 Sekunden nach je fünf Minuten laufen, später vielleicht nur noch drei Minuten laufen, gefolgt von einer 15- bis 30-sekündigen Gehpause.
Auch an der Topografie kann man sich orientieren, das heißt zum Beispiel: bergab immer laufen, niemals gehen, das dafür aber bergan. „Ist es zu steil, geht der Puls zu weit nach oben. In einem solchen Fall würde ich in einen schnellen Gehrhythmus wechseln, bis man den Puls wieder eingefangen hat und dann wieder mit dem Laufen anfangen kann“, bestätigt Triathloncoach Stephan Pape.
Gehen für mehr Energie(-aufnahme)
Auch Verpflegungsstationen hält er für gut geeignet für Gehpausen. Zum einen hat man Zwischenziele, die die Laufstrecke in kleinere Abschnitte herunterbrechen. Zum anderen lässt es sich im Gehen besser trinken und ein Gel schlucken: „An der Verpflegungsstation ist es wichtiger, die nötigen Nährstoffe zuzuführen, als unbedingt weiterzulaufen und ein paar Sekunden schneller zu sein“, rät er.
„Die 15 Sekunden, die man da gespart hat, helfen einem auch nicht, wenn man dann zu wenig Energie aufgenommen hat, seine Leistung nicht richtig abrufen kann und dadurch langsamer wird, beziehungsweise vielleicht gar nicht ins Ziel kommt.“ Wer geht, hat also mitunter gar nichts falsch gemacht. Im Gegenteil: Mit dieser Strategie dürften viele Agegroup-Athleten verdammt viel richtig machen.
Vorteile von Gehpausen auf der Laufstrecke
- – geringere Muskelermüdung
- – Einbruch in der zweiten Hälfte der Laufstrecke unwahrscheinlicher
- – reduziertes Verletzungsrisiko
- – mental weniger belastend, da sie die Gesamtstrecke in Teilstücke aufsplitten
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Cooler Artikel, endlich mal eine Bestätigung, dass meine Strategie bei längeren Läufen doch garnicht so dämlich ist, auch wenn viele einem dumm angucken, wenn man das erzählt.
Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass ich mit Gehpausen in der Summe schneller bin. Außerdem habe ich auch mehr Spaß am Laufen, wenn ich mir diese Pausen zugestehen.
Mal ausversehen alles richtig gemacht 😉
Yeah, endlich mal ein Artikel dazu. Ich praktiziere das bei LIT Läufen seit einem Jahr und meine zwischenzeitliche Verletzungsanfälligkeit ist deutlich geringer geworden. Das in Verbindung mit dem immer noch verpönten, regelmäßigen Stretching ist ein klarer Schritt nach vorne. Bin mal gespannt, wann jetzt noch was zur letzten vernachlässigten Disziplin kommt: die mentale Seite des Trainings und Wettkampfs.
warum so binär? ich fahre mit einer dynamischen pace viel besser, wenns zu anstrengend wird ein bisschen langsamer laufen. wechsel zw. race-pace und gehen macht mich super müde und träge. das wieder los laufen ist super hart…