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Welche Triathlon-Disziplin ist am wichtigsten?

29. September 2021


Triathlon Disziplinen Björn Geesmann

Die meisten Triathletinnen und Triathleten haben eine Sahnedisziplin. Eine Studie hat sich nun damit beschäftigt, welche der drei Sportarten am aussagekräftigsten für die Gesamtperformance von Profis ist. Wir haben Coach Björn Geesmann unter anderem gefragt, wie aussagekräftig die Erkenntnisse für Agegroup-Athleten sind. Titelbild: Marcel Hilger

Im Grunde besteht Triathlon nicht aus drei Einzeldisziplinen, sondern aus einer einzigen großen, die da heißt „Schwimmenradfahrenlaufen“. Denn wer finishen möchte, muss seine Reserven clever über das gesamte Rennen einteilen. Dennoch lohnt sich ein Blick auf die Bedeutung der einzelnen Disziplinen, wenn es um Trainings- und Rennplanung geht.

Das dachten sich auch die Macher einer Untersuchung mit dem Titel „Welche ist die beste Disziplin, um die Gesamtperformance in einem Triathlon vorherzusagen?“ und analysierten, welche Bedeutung welche Disziplin auf den Distanzen von Sprint bis Langdistanz für das Gesamtergebnis hat. Dazu werteten sie zwischen 2015 und 2020 Daten von Profi-Athleten sämtlicher Distanzen aus.

Das Ergebnis: Für den olympischen Triathlon erwies sich Schwimmen als der ausschlaggebende Indikator für eine Rennvorhersage. Für Sprint- und Mitteldistanzen war der Radpart die aussagekräftigste Disziplin. Und auf der Langdistanz ermittelten die Wissenschaftler den abschließenden Marathon als entscheidenden Faktor für die Einschätzung der Gesamtperformance.

Der Peak der Überbiker ist vorbei

Was bedeutet das nun aber für die Praxis? Ist es sinnvoll, als Coach bzw. Profiathlet Training und Wettkampf entsprechend zu planen? Und gelten die Analyseergebnisse auch für Agegrouper? Wir haben Björn Geesmann gefragt, Chef des Trainingsinstituts HYCYS und Coach von Profi-Athleten wie Doppel-Ironman-Weltmeister Patrick Lange.

Der betrachtet die Studie interessiert, aber auch sehr differenziert. So weist er beispielsweise darauf hin, dass sich seit 2015, dem Jahr, in dem die Wissenschaftler begannen, die Ergebnisse auszuwerten, im Profisport einiges getan hat: „Das war der Peak der Überbiker wie Sebastian Kienle. Der Radpart war DAS ausschlaggebende Kriterium. Denn damals war es noch nicht selbstverständlich, Material und Sitzposition aerodynamisch zu optimieren. Da ließ sich noch viel rausholen.“

Nun, sagt Geesmann, seien fast alle Profis auf dem Rad gut bis sehr gut unterwegs. Es ergibt sich eine andere Dynamik in der zweiten Disziplin, sowohl auf längeren Distanzen ab 70.3 als auch in kürzeren Rennen mit Windschattenfreigabe. „Auf der Langstrecke kann es schon einen Unterschied von 50 Kilometern Länge in der Aufholjagd ausmachen, ob ich mit vier oder sechseinhalb Minuten hinter der ersten Schwimmgruppe aufs Rad wechsle. Der physiologische und energetische Aufwand, diesen Rückstand aufzuholen, ist hoch. Manchmal zu hoch. Deshalb ist das Schwimmen im Profibereich extrem wichtig, wenn man vorn mitspielen möchte. Auch bei 70.3-Rennen und auf der Langdistanz.“

Relevanz des Schwimmparts: Profi vs. Agegrouper

Die Herausforderung: Schwimmen ist eine sehr technische Sportart. „Es ist ziemlich leicht, einen Athleten zu einem physiologisch guten Radfahrer zu machen, der auf flachen, kurvenarmen Kursen stark ist. Hier geht es schlicht darum, möglichst viel Leistung abgeben zu können. Beim Schwimmen braucht man eine gute Wasserlage, einen sauberen Armzug und so weiter“, sagt Geesmann, der bei seinen Profi-Athleten viel Wert aufs Schwimmtraining legt und, je nach individuellen Voraussetzungen, eher mal beim Rad- oder Lauftraining kappt.

Anders sieht es im Agegrouper-Bereich aus: Hier hält der Coach die erste Disziplin in Mittel- und Langdistanzen für wenig relevant. „Auf der Langdistanz ist der Schwimmpart relativ kurz, der Aufwand, sich zu verbessern, aber vergleichsweise hoch“, beschreibt Björn Geesmann die Ausgangslage und rät jedem Hobbyathleten, zu überlegen, wie viel Zeit er ins Schwimmtraining investieren möchte: „Wer zweimal die Woche schwimmen geht, braucht dafür brutto mindestens drei Stunden. Damit holt er vielleicht drei bis zehn Minuten im Wettkampf raus. Die Frage ist also, ob nicht eine Einheit genügt und man riskiert, fünf Minuten länger im Wasser zu brauchen, aber auf dem Rad und beim Laufen mehr zu trainieren und dadurch im Rennen hier mehr Zeit rauszuholen als es im Schwimmen möglich wäre.“

Ist ein Agegrouper schon ein sehr guter Schwimmer, zum Beispiel, weil er das von Kindheit an ambitioniert im Verein betrieben hat, lässt sich diese Stärke am besten auf der Sprint- und olympischen Distanz ausspielen, wo der Schwimmpart einen höheren Prozentanteil der Gesamtrennzeit einnimmt. Dagegen hat ein routinierter Marathonläufer laut Geesmann auf der Langdistanz einen Vorteil, da das Risiko, einzubrechen aufgrund der Vorerfahrung kleiner ist. „Auf den kurzen Distanzen kann er diese Erfahrung nicht so ausspielen, auf den längeren spielt jeder Kilometer für ihn“, erklärt der Coach.

Entscheidend sind Status quo und Potenzial

Überhaupt schauen sich Geesmann und seine Coaches bei HYCYS weniger die Disziplinen-Zeiten im Wettkampf an. Ob Agegrouper oder Profi – was mehr zählt, ist, wo die Athleten aktuell stehen und welches Potenzial noch da ist. Sprich: Wie viel hat der Triathlet schon dafür getan, da zu sein, wo er ist? „Wenn ein Profi 2:55 Stunden im Marathon läuft und dafür 80 bis 90 Kilometer pro Woche trainiert, ist da nicht mehr viel Luft, um ihn auf 2:45 Stunden zu bringen, da das Risiko steigt, ihn körperlich zu überlasten“, sagt Björn Geesmann.

Eine weitere Komponente, die in der Studie keine Berücksichtigung fand, im Wettkampf aber entscheidend sein kann, ist der mentale Aspekt. Auch hier gibt es laut Geesmann Unterschiede zwischen Profis und Agegroupern: „Für Profis ist das Schwimmen aus mentaler Perspektive sehr wichtig, da es über die nächsten Stunden des Rennens entscheidet, also darüber, ob man die erste oder zumindest die zweite Radgruppe erwischt.“

Für einen Agegrouper, der mental gut aufgestellt ist, kann es dagegen extrem motivierend sein, nach einem etwas langsameren Schwimmen auf dem Rad flott unterwegs zu sein und Athlet um Athlet einzusammeln.“ Geesmann glaubt, dass sich im Hobbybereich mit Bikefitting und schlauer Materialwahl auf der Mittel- und Langdistanz mehr herausholen lässt als mit Schwimmtraining.

„Aber“, so schränkt er ein, „das ist natürlich immer individuell.“ Genau wie die Interpretation der Studie: „Die ist reine Empirie“, gibt Geesmann zu bedenken und rät: „Man sollte besser auf die eigenen Stärken und Schwächen schauen und gucken, wie sich das Potenzial ausschöpfen lässt, als nach nackten Zahlen zu gehen.“ Und wer gern Schwimmen geht, der soll schwimmen gehen. Triathlon als Hobbysport soll schließlich hauptsächlich eins: Spaß machen.

 

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