Als Triathlet in der Off-Season: Was tun, wenn man nicht abschalten kann?
13. Oktober 2021
Hobby-Triathleten im Trainingsmodus müssen ihre Tage meist sehr gut strukturieren. Auch wenn sich mancher in der Saison vielleicht mehr Zeit wünscht: Wenn in der Off-Season die Struktur wegbricht, ist das für viele schwer zu ertragen. Sportmentaltrainer Stefan Westbrock erklärt, wie man mental die Kurve kriegt und die Off-Season genießen kann.
Hurra, es gibt wieder Triathlonrennen! Doch auch wenn viele Athletinnen und Athleten davon so begeistert sein dürften, dass sie gar nicht genug bekommen können vom Schwimmen, Radfahren und Laufen, bedingt eine Wettkampfsaison immer auch eine ausgleichende Komponente: die Off-Season.
Per Definition ist das eine Phase von mehreren Wochen, in denen erst einige Tage möglichst gar nicht trainiert wird, dann spaßbetont bestenfalls in anderen Sportarten und schließlich wieder in den drei Triathlondisziplinen. Aber erstmal ohne Plan, nur nach Lust und Laune.
Ohne Struktur? Ohne mich!
Die Off-Season ist dazu da, Körper und Kopf die Möglichkeit zu geben, sich von den zurückliegenden Monaten strukturierten Trainings, harten Wettkampfs und tetrisartiger Alltagsgestaltung mit Job, Training und Sozialleben zu erholen. Einfach mal nichts müssen.
Genau das ist aber für einige Triathletinnen und Triathleten ein Problem: Sie sind so daran gewöhnt, einen durchgetakteten, geplanten Tagesablauf zu haben, dass sie die freie Zeit nicht genießen können. Sie fühlen sich schuldig, weil sie nicht trainieren, haben Angst, dass sie die hart erarbeitete Form verlieren oder in der Off-Season zunehmen.
„Der Wechsel von krassem Sport zu kompletter Ruhe ist eine große Diskrepanz. Die auszuhalten, ist für bestimmte Persönlichkeitstypen schwierig“, bestätigt Stefan Westbrock, Diplompsychologe, Coach und Sportmentaltrainer bei deepvelop in Hamburg. Daran zu arbeiten, die sportliche Auszeit nicht nur zu ertragen, sondern zu genießen, lohnt sich jedoch. Auch die körperliche Erholung beginnt im Kopf.
Ohne Runterkommen kein Hochfahren
Im Triathlonwettkampf, egal ob olympische Distanz oder Langstrecke, geht nichts ohne bewusste Ruhephasen. „Um Trainingsunterbrechungen aufgrund von Verletzungen, Krankheit oder schlechter Anpassung zu verhindern, bedarf es Periodisierungsstrategien und der Balance aus Belastung und Ruhe“, schreiben beispielsweise die Autoren einer Studie aus dem Jahr 2019 zum (frei übersetzten) Thema „Training und Wettkampfvorbereitung im Triathlon“. Dabei müssen innere Belastungen wie gefühlter Stress ebenso berücksichtigt werden wie externe Belastungen, so die Forscher. Diese Studie bezieht sich zwar auf die Saison, das Prinzip, das sie beschreibt, gilt aber ebenso für die Off-Season: Ohne Pause, keine Leistung bzw. Leistungssteigerung.
So weit, so theoretisch. Selbst wenn einem Athleten oder einer Athletin klar ist, dass die Off-Season gut und wichtig ist, um in der kommenden Wettkampfsaison wieder abliefern zu können – wie lässt sich dieses Wissen in ein Handeln übersetzen, das so wirkt wie es soll: entspannend und erfrischend? Wie bringt man sich mental dazu, die Pause auszukosten, anstatt sie als notwendiges Übel zu betrachten?
Entspannung ist, was du draus machst
„Es ist wichtig, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen“, rät Stefan Westbrock. „Wenn es jemanden eher stresst, im Kino zu sitzen und einen Film anzuschauen, dann ist es vielleicht nicht das Richtige, um sich zu entspannen.“ Sportler sollten hier auf ihr Gefühl hören, herumprobieren, was ihnen – außer Schwimmen, Radeln und Laufen – guttut, und danach reflektieren, was sie genießen konnten und was nicht.
„Man kann auch ruhig weit zurückgehen, in die Zeit vor der Triathlonkarriere oder sogar bis in die Kindheit“, schlägt Westbrock vor, der sich selbst gerade nach Tischtennisvereinen umsieht, da ihm das als Kind immer Spaß gemacht hat. Ein schlechtes Gewissen braucht niemand zu haben, genauso wenig Angst, übermäßig an Gewicht zuzulegen. Denn Off-Season heißt ja nicht, sich gar nicht zu bewegen. „Man kann Squash spielen oder Spazierengehen“, so Stefan Westbrock, der besonders Zweiteres regelmäßig empfiehlt, da die ruhige Bewegung, bestenfalls in der Natur, den immensen Fokus aufbricht, den das Training der drei Triathlondisziplinen mit sich bringt: „Einfach mal die ersten zehn Minuten nur wahrnehmen, was um einen herum ist“, empfiehlt der Mentalprofi.
Wer danach nervös wird, kann sich Musik oder einen Podcast anhören. Das kann einer zum Thema Sport und Triathlon sein (ganz unvoreingenommen z. B. dieser hier). Noch besser ist aber etwas, das mit dem Thema nichts zu tun hat, da „es gut ist, vom Triathlonzirkus auch mal Abstand zu nehmen und sich breiter zu informieren, um nicht zu sehr in einen Tunnel zu geraten“, erklärt Westbrock.
Triathlon kann auf die Nerven gehen
Dieser Triathlonzirkus ist nämlich ganz schön fordernd, „die Vorbereitung von Hobbysportlern auf ein Ausdauerevent verlangt extrem viel Engagement ihrerseits“, stellt zum Beispiel die Studie „Psychologischer Status von Hobbyathleten während und nach der Vorbereitung auf eine Triathlon-Langdistanz“ aus dem Jahr 2021 fest.
Zwar zeigten die Teilnehmenden der Untersuchung ihre Leidenschaft für den Sport eher harmonisch als obsessiv, doch „die verschiedenen Trainingsphasen haben auch einen potenziellen Effekt auf die Stimmung und das Energielevel der Athleten“, so die Studienverfasser. Wobei die Stimmung von angespannt bis ängstlich oder gar ärgerlich reichen kann, wenn sich die Athletinnen und Athleten überfordert oder nicht ausreichend vorbereitet fühlen.
Soll heißen: Auch wenn es sich im Eifer der Rennsaison vielleicht nicht so anfühlt, strapaziert Triathlontraining durchaus die Nerven. Ein guter Weg, sie in der Off-Season zu stärken, der gleichzeitig auch einen Nutzen für die anstehende Saison hat, ist Mediation. „Anstatt Körner rauszudonnern, fokussiert man sich auf etwas“, beschreibt Stefan Westbrock das Prinzip.
„Diese Fokussierung lässt sich auch im Wettkampf abrufen. Man wird konzentrierter.“ Dabei ist es nicht wichtig, wie jemand meditiert, ob geleitet mit einer App oder in einer realen Gruppe, ob mittels Atemtechniken oder per Gehmediation. Es geht darum, dranzubleiben und diese mentale Entlastungsstrategie zu verinnerlichen.
Geht entspannen auch mit Plan?
Wer gar nicht loslassen kann, dem empfiehlt Stefan Westbrock, mit seinem Trainer oder einem Mentalcoach einen „Entspannungsplan“ für die Off-Season auszuarbeiten. Alle anderen sollten einfach das machen, was sich richtig und gut anfühlt, denn: „Es geht ja eigentlich darum, loszulassen und Freiraum zu bekommen. Nicht darum, schon wieder einen Plan zu haben.“
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„Genau das ist aber für einige Triathletinnen und Triathleten ein Problem: Sie sind so daran gewöhnt, einen durchgetakteten, geplanten Tagesablauf zu haben, dass sie die freie Zeit nicht genießen können. Sie fühlen sich schuldig, weil sie nicht trainieren, haben Angst, dass sie die hart erarbeitete Form verlieren oder in der Off-Season zunehmen.“
Gibts das wirklich oder ist das eher ein Mythos? Ich kenne im Bekanntenkreis zumindest niemand, der da ein Problem hätte.
Der Bericht ist evtl für Profis gedacht oder gehört in eine Arztzeitschrift. Wenn ich schon diese Begrifflichkeiten wie Karriere im Zusammenhang mit Amateuressport lese, läuft doch etwas schief. Und der dämliche Begriff off-season ist mir aus keiner anderen Sportart bekannt. Wenn ich diese Artikel lese, schäme ich mich auch Triathlonsport auszuüben und sage immer lieber „nein, nein, ich schwimme eigentlich nur.“
Top Artikel. Ambitionierten Triathleten widerfahren aus meiner Sicht , sehr oft diese Dinge. Eine Off – season in der man sport ohne Trianingsplan und „nur“ nach Lust und Laune treibt bringt aus meiner Sicht wieder die nötige Spannung für die nächsten Trainingsblöcke. Außerdem lernt man seinen Körper besser kennen , wenn er nicht das ganze Jahr den gleichen und ähnlichen Belastungen ausgesetzt ist.
so enjoy your off season