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Falle oder Fehlglaube: Ist Zucker gefährlich, oder gar nicht so schlimm?

16. Dezember 2021


Pushing Limits

Besonders in der Weihnachtszeit liegen gefühlt überall Plätzchen, Schokolade, Spekulatius. Und in allen steckt – zumindest bei traditioneller Herstellung – jede Menge Zucker. Aber ist das überhaupt schlimm, oder können Athleten zugreifen? Ernährungsexpertin Caroline Cornfine gibt Antworten.

Der weiße Haushaltszucker, der in Plätzchen, Kuchen und anderem Gebäck, aber auch in Ketchup, einigen Fruchtjoghurts oder Fertiggerichten steckt, heißt in der Fachsprache Saccharose oder Sucrose und ist im Grunde nichts anderes als ein Kohlenhydrat.

Ein schnell verfügbares Kohlenhydrat, denn es handelt sich um sogenannten Zweifachzucker, bestehend aus Traubenzucker (Glukose) und Fruchtzucker (Fruktose). Ihn kann der Körper ziemlich direkt und ohne komplizierte Aufspaltungsprozesse als Energie nutzen. Und Energie brauchen Triathleten doch jede Menge! Also rein mit Schokonikolaus und Lebkuchen, oder?

Zucker bedient nur einen Bedarf

„Prinzipiell ist es richtig, dass ein Sportler schnell verfügbare Kohlenhydrate braucht, um seine Energiespeicher aufzufüllen. Allerdings sind Kohlenhydrate nicht das Einzige, das beim Sport verbraucht wird“, erklärt Caroline Cornfine, Ernährungsexpertin und Autorin verschiedener Bücher wie „Die Triathlonbibel“ oder „Raus aus der Low-Carb-Falle“.

Über den Schweiß scheidet der Körper auch Mineralstoffe aus. Da sich unter körperlicher Belastung der Stoffwechsel beschleunigt, verbraucht der Organismus außerdem Vitamine, die ebenfalls wieder „aufgefüllt“ werden müssen: „Dazu benötigt die beanspruchte Muskulatur Eiweiß – und die liefern Schokolade und Kekse ebenso wenig wie Mikronährstoffe“, so Cornfine.

Sie rät, trotz aller Versuchungen auch in der Weihnachtszeit auf eine ausgewogene Ernährung zu achten – als Snack auf dem Rad, quasi als Riegelersatz, seien zuckerige Leckereien aber durchaus ok.

Sechs Plätzchen, und der Lauf ist gegessen

In einer britischen Studie aus dem Jahr 2015 bescheinigten die Wissenschaftler Zuckerwasser sogar eine bessere Wirkung auf die Leistungsfähigkeit von Ausdauersportlern als Sportgetränken. Aber: „Schokolade und Gebäck haben oft einen hohen Fettanteil, das kann Magen-Darm-Probleme verursachen. Deshalb solche Snacks nur während ruhiger Trainingseinheiten naschen“, sagt die Ernährungsexpertin.

Apropos Training: Dessen Effekt überschätzen viele schlemmerfreudige Athletinnen und Athleten, denn „natürlich kann ein sportlich aktiver Mensch deutlich mehr kompensieren als eine Couchpotatoe. Aber der Energieverbrauch ist auch schnell wieder reingeholt, 45 Minuten laufen entsprechen ungefähr sechs bis acht Plätzen … und die sind schnell nebenbei weggefuttert“, erläutert Caroline Cornfine.

Wann reiner Zucker sinnvoll ist

Zucker ist der Grund für fast alle Volkskrankheiten, die wir kennen und die in den letzten Jahren immer weiter zunehmen: Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleber, Diabetes etc.

Deshalb empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), nur zehn Prozent der Energiemenge in Form von Zucker aufzunehmen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es bei einem höheren Kalorienumsatz, wie bei Triathleten der Fall, auch mehr Zucker sein darf.

Allerdings „liegt der Durchschnittsdeutsche ohnehin schon deutlich über dieser Empfehlung“, weiß Cornfine und ergänzt: „Reiner Zucker als Energielieferant im Training ist kein Problem und tatsächlich auch sinnvoll. In der restlichen Alltagsernährung kann der Körper aber gut darauf verzichten.“

Nichtsdestotrotz, so sagt sie, sollen Leben und Sport Spaß machen: „Genuss gehört dazu, da muss man nicht päpstlicher sein als nötig.“ Zumal der menschliche Körper durchaus in der Lage ist, damit umzugehen, wenn man mal ein paar Tage über die Stränge schlägt:

„Der Körper macht nicht jeden Abend Kassensturz. Früher war es ja auch so, dass die Verfügbarkeit von Lebensmitteln nicht immer gleich verteilt war“, erklärt Caroline Cornfine. „Unser Körper ist zäh und verzeiht viel. Nur Überfluss im Übermaß über längere Zeit – das mag er nicht.“

Wie und wo sich Zucker sparen lässt

Diesem andauernden Übermaß im Überfluss lässt sich entgegenwirken, indem Athletinnen und Athleten raffinierten Zucker reduzieren oder ganz weglassen. Drei aus ernährungswissenschaftlicher Sicht gute Alternativen sind Xylith, Erythrit und Stevia. Alle drei klingen recht künstlich, sind aber natürlichen Ursprungs und werden durch Fermentation von Mais (Erythrit) oder durch Extraktion (Stevia) gewonnen.

„Xylith findet sich beispielsweise ganz natürlich in Erdbeeren und Pflaumen, aber auch in der Birkenrinde, weshalb dieser Zuckeraustauschstoff auch Birkenzucker genannt wird“, erläutert Caroline Cornfine.

Alle drei lassen sich problemlos zum Backen, Kochen oder Süßen von Kaffee und Tee verwenden, schmecken allerdings etwas anders als der herkömmliche Haushaltszucker: Xylit und Erythrit leicht „kühl“, Stevia hat oft eine leichte Bitternote.

Und was ist mit Fruktose?

Vermeintliche Alternativen wie Kokosblütenzucker, der chemisch übrigens genauso aufgebaut ist wie Haushaltszucker, Honig, Agavensirup und andere Dicksäfte haben dagegen zwar ein gesundes Image, sind aber genauso energievoll wie herkömmlicher Zucker und haben zum Teil eine noch schädlichere Wirkung auf den Körper.

„Vor allem Dicksäfte wie Agavensirup und Birnendicksaft bestehen fast nur aus Fruchtzucker, hochkonzentriert und ohne die natürliche Matrix“, erklärt die Ernährungsexpertin. „Der Verzehr von viel freier Fruktose wird immer häufiger mit der Entwicklung eines metabolischen Syndroms in Verbindung gebracht, führt zu einer gesteigerten Körperfettbildung und -speicherung bis hin zur Fettleber. Von diesen Produkten ist also fast noch mehr abzuraten als von Haushaltszucker.“

Fruchtzucker generell zu verteufeln, wäre aber auch nicht richtig. „Man muss ganz klar unterscheiden zwischen freiem, also zugesetztem, Zucker und Zucker, der quasi in seiner natürlichen Hülle verpackt ist“, erklärt Caroline Cornfine. Das heißt, ein Apfel oder eine Banane liefern zwar Zucker, aber auch Mineralstoffe wie Kalium, Vitamin C und wichtige Ballaststoffe, die unseren Darm gesund halten und das Immunsystem positiv unterstützen.

„Ich würde also niemandem raten, auf Obst zu verzichten“, sagt die Ernährungsexpertin. „Natürlich kann man seinen Mikronährstoffbedarf auch wunderbar über Gemüse decken, wenn man kein Obst mag, aber sonst ist ein Verzicht nicht nötig. Ich kenne zumindest keine Studie, die gezeigt hat, dass man durch den Konsum von zu viel frischem Obst, Diabetes etc. entwickeln könnte.“ Und so eine Mandarine ist doch mindestens genauso weihnachtlich wie ein Plätzchen.

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