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Interview mit Kristian Blummenfelt: „Ich glaube daran, mir Ziele zu setzen, die unerreichbar scheinen!“

30. Januar 2023


Kristian Blummenfelt für On

Der Schalter ist umgelegt: Ab sofort steht Olympia auf dem Plan von Kristian Blummenfelt. Umso erfreulicher, dass wir den titeldekorierten Norweger und Top-Triathleten im Rahmen seiner neuen Partnerschaft mit On noch zum Interview erwischen …

Es mag Vieles geben, was man an Kristian Blummenfelt bemerkenswert finden kann. Da wären die Performances zwischen Lang- und Kurzdistanz, die der 28-Jährige im vergangenen Jahr aufs Rennparkett gezaubert hat. Oder auch die lässige Art, mit der er mir beim Interview (virtuell) gegenüber sitzt. Allem voran ist es aber das klare Mindset, mit dem er an seine sportlichen Ziele herangeht. Nichts ist Zufall, alles nach Plan – und wenn nötig, dann auch im Scheuklappen-Modus.

Kristian Blummenfelt: Alles auf die Olympia-Karte!

Vorerst ist der Blick des Neuzugangs in der von der Laufschuh-Marke On unterstützten Crew aus Top-Triathleten eben nach Paris, auf die Olympischen Spiele 2024 und damit auf die Kurzdistanz gerichtet. Exkursion auf die Langdistanz in den nächsten beiden Jahren? Ausgeschlossen! Heißt eben auch: Wenn ein gewisser Jan Frodeno in den nächsten zwei Jahren das heiße Battle um die GOAT-Krone noch ausfechten wollen würde, müsste er der Triathlonwelt noch erhalten bleiben. Falls das nichts wird, sind die klaren Konkurrenten des einen Teils des „Norwegian Hype Trains“ aber auch schon ausgemacht … und welche das sind, verrät er im Interview.

Pushing Limits: Man muss kein Triathlet sein, um zu bemerken: In den vergangenen Jahren ging es für dich immer nur bergauf. Glaubst du eigentlich an das Konzept von Limitationen? Oder hast du vielleicht sogar Respekt vor dem Tag, an dem du feststellst „Mehr geht wirklich nicht!“?
Kristian Blummenfelt: Bedingt durch all das Testen, das bei uns dazugehört, bin ich ständig mit meinen Schwächen konfrontiert – oder zumindest mit der Suche nach ihnen. Da wir viel Zeit im Labor verbringen, spüre ich einfach: Es gibt noch einiges zu tun. Gerade weil wir so viel dazulernen, sind wir uns sehr bewusst darüber, dass wir uns immer noch verbessern können. Und ich habe das Gefühl, es gibt noch Raum für Verbesserung, ehe ich den Höhepunkt meiner Leistungsfähigkeit erreiche.

Pushing Limits: Und wo liegen deine Schwächen oder Grenzen aktuell?
Kristian Blummenfelt: Die größte Herausforderung liegt gerade darin, wieder zurück in den Kurzdistanz-Rennmodus zu kommen. Meine größte Limitation ist sicher das Schwimmen. Wenn ich in der Lage bin, meine Schwimmleistung an die im Radfahren und Laufen anzugleichen, hätte ich von Beginn an eine bessere Position, um das Rennen zu dominieren. Dann müsste ich nicht mit der zweiten Gruppe aus dem Wasser steigen und mit allen anderen laufen. Ich denke, das Schwimmen bietet momentan das meiste Potenzial, entsprechend maximieren wir gerade die Zeit im Pool.

Es gibt noch Raum für Verbesserung, ehe ich den Höhepunkt meiner Leistungsfähigkeit erreiche.

Pushing Limits: Wenn man über die Entwicklung und „Trends“ im Triathlon spricht (oder schreibt) fallen früher oder später dein und Gustavs Name. Aber was ist deine Prophezeiung: Worauf kommt es in der Saison 2023 an? Und was wird der Schlüssel zum Erfolg?
Kristian Blummenfelt: Um zu zeigen, worauf es heute ankommt, muss man zuallererst zwischen Lang- und Kurzdistanz unterscheiden. Wenn man sich die Langdistanz anschaut, ist sicher das Wissenslevel entscheidend. Dass die Top-Zeiten immer niedriger werden, liegt vor allem daran, dass wir alle die Prozesse von Leistungsfähigkeit besser verstehen. Immer mehr Sportlerinnen und Sportler nutzen eben Daten, um das Beste aus sich herauszuholen. Das zeigt sich vor allem beim Thema Ernährung: Durch sie wird wettkampfspezifisches Trainieren heute machbarer denn je.

Auf der anderen Seite steht die Kurzdistanz. Ich habe den Eindruck, dass seit den letzten Olympischen Spielen in Tokio hier etwas Stillstand herrscht. Aber das kann auch täuschen, denn gerade die Zeit zwischen den Spielen wird in der Regel zum Aufbau genutzt – und der wahre Sprung wird dann pünktlich zu den Spielen gemacht. Auch, was das allgemeine Leistungsniveau auf der Kurzdistanz angeht. Für Tokio ging es mir vor allem darum, gut auf die Belastung durch die Hitze vorbereitet zu sein. Aber in Paris kommt es auf etwas völlig anderes an: Da wird es mehr um taktisches Geschick gehen – gerade, weil die Franzosen vor Heimpublikum starten und daher von Anfang an alles geben werden. Sie sind zusätzlich gepusht durch gute Performances. Das sorgt für andere Anforderungen an den Rest des Starterfeldes. Und auch an Hayden Wilde und Gustav …

 Pushing Limits: Das klingt fast so, als seien die neuen Erzfeinde mit den Franzosen ausgemacht – oder spielt Jan Frodeno noch eine Rolle für diesen Posten?
Kristian Blummenfelt: Tja, (lacht) … momentan liegt der Fokus komplett auf Paris; 2022 war unser Langdistanz-Jahr. Wenn ich wirklich vorne bei den Olympischen Spielen dabei sein will, muss ich mich die nächsten eineinhalb Jahre voll auf die Kurzdistanz konzentrieren. Anders geht es nicht. Aber wer weiß: Vielleicht ergibt sich im Oktober 2024 ja noch eine Chance, gegen Jan Frodeno zu starten – das wäre nach wie vor episch. Aber das geht natürlich nur, wenn Jan noch ein Jahr dranhängt.

Ich muss in Paris in der Form meines Lebens sein. In derselben Form wie in Tokio zu sein, wird nicht ausreichen.

Pushing Limits: … wünschenswert ist es jedenfalls. Anderes Thema: Eine kürzlich auf dem YouTube-Channel eures Unternehmens Santara Tech veröffentlichte Kurz-Doku über das norwegische Winter-Training hat ganz schön für Furore gesorgt. Gut möglich, dass so mancher in diesem Zuge zum ersten Mal von Santara gehört hat. Mit der Gründung unterstreicht ihr eure Fokussierung auf Innovation und Technologie – was euch mit On eint. Aber was steckt eigentlich genau hinter Santara? Und: Was hat der Breitensport im Triathlon (eines Tages) von der ganzen Nummer?
Kristian Blummenfelt: In den vergangenen Jahren haben wir unheimlich viel Zeit mit Tests für Partner verbracht. Die Gründung von Santara Tech ist nur die logische Konsequenz, das Ganze etwas zusammenzufassen und für beide Seiten noch sinnvoller zu nutzen. Durch das Testen und Weiterentwickeln der Produkte unserer Partner investieren auch wir in sie – und die Partner wiederum stehen uns mit ihren Entwicklungsteams zur Seite. Dadurch haben wir die Möglichkeit, das beste Equipment zu haben, bevor es auf den Markt kommt. Das Prinzip wird sehr deutlich beim Blick auf die Sensoren von Core, die wir seit letztem Jahr nutzen. Aber auch bei Maurten, die mit uns Labor-Tests umsetzen und darauf basierend ihre Produkte entwickeln. Gemeinsam lernen wir mehr und mehr, wo die Grenzen aktuell liegen – zumindest noch.

Genauso läuft es jetzt mit On: Als wir im Headquarter waren und gesehen haben, wie groß und fokussiert das Team ist, um Schuhe auf das nächste Level zu bringen, wussten wir, dass wir mit ihnen arbeiten möchten. Denn es geht uns auch darum, mit Marken zu kooperieren, die dasselbe Feuer für die Sache haben … Es geht um die Bereitschaft, die Extrameile bei jedem Teil des Prozesses zu gehen.

Pushing Limits: Wie sieht denn die Arbeit mit dem Lightning-Team von On genau aus? Gibt’s schon ein Schuh-Geheimnis, das du für die Saison 2023 lüften kannst?
Kristian Blummenfelt: Viel verraten kann ich leider noch nicht. Aber ich weiß, dass ich das beste Equipment über alle drei Disziplinen haben werde, wenn ich in Paris an der Startlinie stehe. Das wird ein entscheidender Vorteil sein …

Pushing Limits: … wobei es nicht reicht, auf das Equipment zu vertrauen: Du wirst auch auf deinen Körper vertrauen müssen.
Kristian Blummenfelt: Absolut! Ich muss in der Form meines Lebens sein. In derselben Form wie in Tokio zu sein, wird für Paris nicht ausreichen. Das Level wird immer extremer – und wir müssen entsprechend alles nur Mögliche ins Training investieren. Aber all das Training wird nichts bringen, wenn das Equipment nicht stimmt.

Aber wenn du so über dauerhaftes Verbessern sprichst, frage ich mich gerade: Glaubst du an das Konzept, dass wirklich alles möglich ist?
Kristian Blummenfelt: Es ist vielleicht ein wenig wie ein Kindheitstraum: Du hörst, dass etwas eigentlich nicht möglich ist – und umso motivierter bist du, es zu erreichen. Wenn es so einfach wäre, würdest du beim Erreichen deines Ziels definitiv nicht dieselbe Freude empfinden. Insofern glaube ich vor allem daran, mir Ziele zu setzen, die unerreichbar erscheinen.

Pushing Limits: Das klingt nach: typisch Triathlet!
Kristian Blummenfelt: Ja, Triathleten sind sowieso ein ganz spezieller Schlag von Menschen. Der Grund, warum Menschen mit Triathlon anfangen, ist eben, weil sie einfach ein anderes Mindset haben.

Triathleten sind ein ganz spezieller Schlag von Menschen.

Pushing Limits: Letzte Frage: Hattest du bei all den Erfolgen auch mal Zeit, glücklich oder gar stolz auf dich zu sein?
Kristian Blummenfelt: Natürlich ist es schön, auf all das zurückschauen zu können – insbesondere auf die letzten vier Titel. Die letzten Jahre haben aber kaum Zeit gelassen, um zurückzuschauen. Allerdings glaube ich auch, dass man nach der sportlichen Karriere noch genügend Zeit hat, um auf die Fußabdrücke zu schauen, die man hinterlassen hat. Wenn ich überhaupt auf etwas zurückschaue, dann ist es das Rennen in Tokio, um die Bilder von damals in Paris zu wiederholen. Es wird sicher besonders, vor so einer triathlonbegeisterten Zuschauerschaft zu starten. Entsprechend hoch ist auch der Druck auf die Franzosen.

Das Besondere an den Olympischen Spielen 2024 ist, dass sie eine ganz neue Generation an Triathleten hervorbringen werden. Es wird schwer sein, das Podium vorherzusagen. Neben den Franzosen gibt es noch die Australier, die hungrig sein dürften. Auch Deutschland ist stark – schon, weil ihr die Bundesliga mit so vielen Athleten habt. Es ist also schwer, den nächsten Stern am Triathlon-Himmel vorherzusehen.

Pushing Limits: Danke, Kristian!

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