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Neue Radsport-Regeln: Seltsame Sicherheitsmaßnahmen?

09. Februar 2021


Mehrere Fahrräder fahren in einem Radrennen über die Straße

Der Radsport-Weltverband UCI hat in den letzten Tagen mit neuen Regeln für Profirennen auf sich aufmerksam gemacht: Besonders merkwürdig erscheinen die Verbote von zwei bestimmten Sitzpositionen. Gedanken eines Radsport-Fans.

Ich erinnere mich gut an jene Momente, in denen ich staunend vor dem Bildschirm saß und den besten Radsportlern der Welt dabei zugesehen habe, wie sie mit unglaublicher Geschwindigkeit die Abfahrten der Tour de France, des Giro d’Italias oder der spanischen Vuelta hinabgeschossen sind.

Mitunter dieser Temporausch hat in mir die Begeisterung für den Radsport geweckt. Immer schon waren es Fahrtechnik und Radbeherrschung der Sportler, die mich nachhaltiger beeindruckt haben, als jede Monster-Wattleistung. Wer kennt noch das Gefühl des ansteigenden Adrenalinspiegels, wenn man beobachtet wie ein Radsportler mit 100 km/h in die Abfahrt geht? Gänsehaut.

Ciao Super Tuck! Adieu Forearms-on-bars Aeroposition!

Was wurde geändert? Es geht vor allem um zwei Positionen auf dem Rad, die von den Fahrern nicht mehr eingenommen werden dürfen. Die eine nennt sich Super Tuck und ist in Abfahrten oft gesehen. Beim Super Tuck sitzen die Fahrer auf dem Oberrohr, legen Brust und Schulter auf dem Lenker ab, ziehen Ellbogen eng an die Körperseite und nehmen den Kopf tief zwischen Schultern. Hat wahrscheinlich jeder schonmal gesehen, der Radsport verfolgt.

Die andere Position – Forearms-on-bars – wird eher im flachen Terrain verwendet, besonders in Ausreißergruppen oder an der spitze des Pelotons, wenn es um Tempoarbeit im Wind geht. Die Fahrer legen ihre Unterarme auf dem Basislenker ab und bringen sich in eine Sitzposition, die vergleichbar mit der beim Zeitfahren auf einem TT-Bike ist – nur halt ohne Extensions. Auch diese Sitzposition ist sicherlich hinlänglich bekannt.

Beide Sitzpositionen wird man also zukünftig nicht mehr sehen.

Sinnvoll und logisch erscheint eine andere Regel, die eher eine Randnotiz ist: Als Triathleten kennen wir die Regeln zum Littering (kein Müll in die Umwelt schmeißen) schon lange – jetzt gibt es dazu auch eine Vorschrift im Radsport. Trinkflaschen, Verpackungen von Riegeln oder Gels oder sonstiger Abfall dürfen nicht mehr einfach so in die Umwelt gepfeffert werden. Fast schon komisch, dass es dafür eine Ergänzung des Regelwerks bedarf. Die neue Regel nimmt aber auch die Veranstalter in die Pflicht: Sie müssen dafür sorgen, dass alle 30-40 Kilometer eine Littering Zone eingerichtet wird, wo der Müll entsorgt werden darf.

Grund für die neuen Regeln

Die UCI erklärt die neuen Regeln damit, dass sie für mehr Sicherheit im Fahrerfeld sorgen möchte. Eine zweifelsohne löbliche Begründung. Aber ob es durch Verbote von bestimmten Sitzpositionen so zielführend ist? Mag schon sein. Aber als Fan von Straßenrennen finde es erstmal schade, wenn die Fahrer in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt werden – immerhin kann ein Super Tuck durchaus auch als taktisches Mittel gesehen werden. Chris Froome hat das bei der Tour 2016 mitunter eindrucksvoll bewiesen.

Den Regeländerungen waren übrigens einige schwere Stürze aus dem letzten Jahr vorangegangen. Die UCI musste also irgendwie handeln und Reaktion zeigen. Durch das Verbot der beiden Sitzpositionen sendet der Radsport-Weltverband gleichzeitig aber noch ein anderes, denkwürdiges Signal: Die Fahrer sind an allem selbst Schuld – was kann die UCI schon dafür? So kommt es jedenfalls bei mir als Unbeteiligter an. Klingt für mich also erstmal nach dem einfachsten Weg, den Fahrern vorzuschreiben, wie sie auf dem Rad zu sitzen haben. Und es ist ja bekanntlich die Frage, ob der einfachste immer auch der beste Weg ist.

Mehr Sicherheit durch neue Regeln?

Ich würde nicht so weit gehen und die neuen Vorschriften als schlecht beurteilen. Das steht mir gar nicht zu. Als Außenstehender kann ich nur so viel sagen: Irgendwie finde ich sie seltsam.

Kann man von Profisportlern nicht erwarten, dass sie das Risikomanagement selbst in der Hand haben? Jeder Sport braucht Regeln, das ist klar. Aber braucht es wirklich Vorschriften darüber, wie man schwimmt, läuft oder in diesem Falle Rad fährt? Von mir aus könnten die Radsportler auch rückwärts auf dem Fahrrad sitzen, so lange sie alles unter Kontrolle haben und niemand anderen gefährden.

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7 Kommentare

  1. Man muss halt immer schön von den eigentlichen Baustellen ablenken. Wär ja auch noch schöner, wenn man das Dopingproblem mal richtig angehen müsste.

  2. Regeln wie diese haben bei im im laufe der Jahre dazu geführt, dass ich nur noch Rad selbst fahre und fast nichts mehr gucke. Im Crosssport wird absurd lange über 1-2mm Reifenbreite diskutiert während E-Motoren im Einsatz sind und Fahrer bergeweise TUEs einreichen. Aber wehe Dein Rad ist 50gr zu leicht: DQ oder die Socken zu kurz: DQ.
    Lächerlich. Hauptsache man organisiert die nächste Zielankunft in einem Gefälle damit es spektakulär schnell wird. Wenn dann ein Fahrer ins Gitter gedrängt wird: selbst schuld.
    Derzeit hat das flächendeckende Verbieten aber eh Hochkonjunktur. Egal ob beim Sport, Schule, Arbeit, Kita: alles was „gefährlich“ ist wird verboten bzw. soweit zurück reglementiert, dass es sinnlos wird überhaupt etwas zu tun. ( in einer Kita wurde mal eine Wippe festgestellt damit die nicht mehr „wippt“..)
    Hauptsache es wurde etwas untersagt und keiner ist verantwortlich.
    Wann schafft sich der Radsport selbst ab? Und viel interessanter: wann kommen die Regeln am im Triathlon an?

  3. Tja. Das ist leider leider Tradition bei der UCI.
    Sie haben so damals den „Fliegenden Holländer“ zum Absturz gebracht, Stundenweltrekorde annulliert und die Spinacci verboten.
    Auch sollte die US Post (US Postal) extra schnell geliefert werden….
    Die Herren denken leider, daß Tradition hier etwas positives ist (Wortspiele sind gewollt… 😉 )
    Radsport ist schon cool, weil man selbst Radln´ kann uns sich als „Held“ fühlen.
    Jedoch arbeiten die Herren irgenwie immer daran das ganze doofer zu machen.
    Schade….
    Hoffe nur, daß durch On-Board Kameras usw. die Show „geiler“ wird….
    DIese Enwicklung wäre zu befürworten.
    Wäre auch cool wenn die Veranstalter sich mehr darum kümmern würden, daß keine Zuschauer, Autos, Hunde und Kühe versuchen würden den Fahrern auf der Rennstrecke die Show zu klauen….
    Keep on riding
    Salvatore

  4. Vielleicht sollte man bei dieser Debatte aber auch mal über den Tellerrand des Renngeschehens hinaus sehen? Natürlich haben die Verbote in erster Linie einen Impact auf die Fahrer und die Wettkämpfe. Ja, es wird sehr speziell darauf eingegangen das es sich hier um Profis handelt, die ihre Räder und die Fahrtechniken beherrschen. Aber eben gerade weil sie Profis sind und in der Öffentlichkeit stehen, finde ich die Verbote sinnvoll. Denn was passiert abseits der Rennstrecken? Richtig, Amateure und Hobbysportler machen das, was sie bei Sagan und Co sehen, im öffentlich Straßenverkehr nach und parken ihren Schädel im nächsten Fahrzeugheck. Sowas braucht kein Mensch und hat auf der Straße auch nichts zu suchen. Auch wenn es dem Radsport-Enthusiasten falsch vorkommt, den Sport zu reglementieren, so ist die Entscheidung der UCI (wenn vielleicht auch unbewusst) ein wirklich sinnvoller Beitrag für mehr Sicherheit im Straßenverkehr.
    Und ja, es wird das Argument kommen, das ja jeder der klar denken kann, sowas im freien Verkehr nicht tun sollte. Wie wir vor allem die letzten Monate gelernt haben…, es kann eben nicht jeder klar denken. Ich möchte ehrlich gesagt niemanden aus meinem Kofferraum kratzen oder von solch einem Helden evtl sogar selbst beim Rennrad fahren abgeschossen werden.
    Der Radsport wird auch ohne Super Tuck und Forearms interessant bleiben. Und auf Zwift ist es auch noch erlaubt. Gebt Watt Mädels und Jungs

  5. Egal wie man zum Verbot der zwei Positionen steht (ich persönlich finde das Verbot wegen Vorbildfunktion gerechtfertigt), dieser Teil des Artikels grenzt schon an Populismus: „Durch das Verbot der beiden Sitzpositionen sendet der Radsport-Weltverband gleichzeitig aber noch ein anderes, denkwürdiges Signal: Die Fahrer sind an allem selbst Schuld – was kann die UCI schon dafür?“
    Die UCI hat im gleichen Zuge diverse andere Maßnahmen beschlossen, die für mehr Sicherheit sorgen sollen, u.a. bzgl. Absprerrungen beim Ziel, Hindernissen auf der Straße, und Streckenführung.
    Siehe z.B. hier: https://www.cyclingnews.com/news/uci-aims-to-stamp-out-super-tuck-descending-as-part-of-broad-safety-measures/

  6. Den Super Tuck zu verbieten finde ich merkwürdig. Ich persönlich fühle mich da nicht besonders unsicher.
    Dass man aber „Forearms on Bars“ verbietet kann ich ganz gut nachvollziehen. Der Verweis zum Triathlon ist durchaus sinnvoll, denn da hat man in vergleichbarer Position 10-20m Abstand zum Vordermann. Das hat man in einer Ausreißer-Gruppe eben nicht und da reicht dann die kleinste Berührung, denn in der Position fängt man nix mehr ab.

    Ich verstehe auch nicht, wie die das fahren können. Wenn die Arme etwas angeschwitzt sind, dann rutschen die auf den Carbonkenkern wie Laufschuhen auf feucht bemoosten Holzbrücken.

    Wie sind denn die „Aero gains“ von FoB im Vergleich zu Unterlenker?

  7. Schade, dass für nur auf die beiden Sitzpositionen eingegangen wird. Kann man zu stehen, wie man will, ich finds auch lächerlich. Sport kann gefährlich sein. Wenn wieder Super-G im tv läuft, heißt es ja auch nicht: das muss verboten werden, weil Kinder es nachmachen könnten 😉 aber nehmt euch doch bitte auch die weiteren Änderungen vor, nicht nur „die durch s Dorf getrieben werden „. Pushing Limits bekommt zunehmend nen Aufmerksamkeitshasschenden Anstrich …