Nach was suchst du?

Der geplatzte Traum von Olympia: Scheitern im Sport

10. August 2021



Wir müssen reden. Ihr habt sicherlich mitbekommen, dass ich in den letzten Wochen keinen einzigen Blog geschrieben habe. Selbst jetzt zu den Olympischen Spielen gab es keinen Beitrag von mir. Der Grund ist simpel und doch unglaublich kompliziert: Ich bin gescheitert. Und darüber möchte ich mit euch reden.

Mein Kindheitstraum waren die Olympischen Spiele. Mit Talent, Leidenschaft, Arbeit und Glück hatte ich mich vor dieser Saison in eine Position gebracht, in der aus dem Kindheitstraum ein realistisches Ziel geworden ist. Ziel war unter die besten 42 der bereinigten Weltrangliste über 5.000 Meter zu laufen. Ziel war meine Bestleistung von 13:34 in Richtung 13:25 Minuten zu steigern.

Olympia ohne mich

Die Olympischen Spiele sind vorbei. Ich war nicht in Tokio, sondern bin in den Bergen. Drei Plätze haben in der Weltrangliste gefehlt. Ich konnte keine neue Bestleistung aufstellen. Ich bin noch nicht mal ein Rennen gelaufen, mit dem ich ansatzweise zufrieden war. Ich bin gescheitert. Und scheitern ist scheiße. Super scheiße. Scheitern tut weh. Das Dumme ist nur: Scheitern gehört zum Sport dazu. Die Möglichkeit des Scheiterns macht den Erfolg so besonders. Und dann ist da noch eins:

„Wirklich alles zu geben, in dem Wissen das Scheitern eine realistische Möglichkeit ist, ist das was dem Sport sein Herz und seine Magie gibt“

Was bedeutet das denn überhaupt, scheitern? Der Duden definiert das so: „ein angestrebtes Ziel o. Ä. nicht erreichen, keinen Erfolg haben.“ Klingt jetzt erstmal nicht so dramatisch. Es ist normal nicht alle seine Ziele zu erreichen, erst recht nicht im ersten Anlauf. Aber es gibt eben auch diese Ziele die einfach mehr bedeuten. Die Lebensträume sind. Nach denen man sein ganzes Leben ausrichtet. Für die man bis zum Umfallen ackert. Wo es eben richtig weh tut zu scheitern.

Scheitern im Sport: Die unschöne Seite

Und trotzdem riskieren wir das Scheitern mit jedem Traum, mit jedem Ziel das wir uns setzen. Weil es zum Sport dazu gehört. Weil es zum Leben dazu gehört. Wenn wir Sport machen, egal auf welchem Niveau, egal mit welchen Zielen, werden wir zwangsläufig irgendwann mal scheitern. Die Frage ist also wie gehen wir damit um, wenn es uns trifft?

Ich habe auf die Frage keine wissenschaftliche Antwort. Ich habe mir keine psychologischen Artikel darüber durchgelesen und ich habe wahrscheinlich auch keine Antwort die allgemeingültig ist. Was ich aber die letzten Wochen hatte, war viel Zeit, um darüber nachzudenken. Vielleicht helfen euch ja meine Gedanken und vielleicht lasst ihr mich in den Kommentaren mal wissen wie ihr mit Scheitern umgeht, es würde mir sicherlich helfen. Also here we go:

  1. Lasst den Schmerz zu. Verdrängt ihn nicht. Es ist scheiße. Und es ist okay, dass es scheiße ist, ansonsten hätte euer Ziel nicht wirklich eine besondere Bedeutung gehabt. Ich persönlich bin kein Fan davon direkt nach einer verpassten Olympia Quali „Paris 2024“ zu posten. Vielleicht können andere Menschen direkt nach vorne schauen. Ich kann das nicht. Meine ersten Emotionen sind „Schmerz, Trauer, Wut“. Und an diesen Emotionen ist nichts schlimm.
  2. A) Der zweite Schritt ist spannend. Man kann mit Sicherheit die „Jetzt erst Recht“ Mentalität haben. Direkt weiter machen. Den nächsten Wettkampf laufen, sich ein verändertes Ziel setzen. Die Emotionen in positive Energie umwandeln und für sich nutzen. Ich weiß, dass zahlreiche Leichtathleten, die auch die Quali verpasst haben, genau das jetzt machen. Immer mit den neuen Zielen, WM und EM 2022, im Hinterkopf.B) Für mich war das dieses Jahr keine Option. Ich war leer. Und wenn man leer ist, dann hilft alles nichts. Dann ist es auch okay, wenn man sich eine Pause nimmt und mal vom Sport kurz zurücktritt. Traut euch eine Pause zu machen. Erfüllt euch einen anderen Traum. Nehmt euch Zeit für euch selbst und die Personen, die euch lieben. Ich habe mich bewusst dazu entschieden ohne Internet und Social Media einen Fernwanderweg zu gehen. Etwas was ich schon länger mal machen wollte und etwas, das mir Zeit gegeben hat mit der Saison umzugehen. Ich habe mich für einen Triathlon angemeldet. Warum? Weil ich Bock darauf habe (gut und irgendwie gehört das ja dazu, wenn man für Pushing Limits bloggt)
  3. Nehmt euch Zeit zu analysieren was schiefgelaufen ist, was man eventuell für die nächste Saison, für das nächste Ziel verändern kann. Versucht da ohne Emotionen ran zu gehen. Habt ihr alles für euer Ziel gegeben? Klar, man denkt wahrscheinlich immer man hätte da oder da was anders machen können oder noch ein bisschen mehr geben können. Aber wisst ihr was: Ich bin mir relativ sicher, dass ihr in der Regel für euren Traum so ziemlich alles gegeben habt. Und darauf könnt ihr verdammt stolz sein. Macht euch einen neuen Plan.
  4. Setzt euch ein Datum ab dem das Leben weitergeht. Erinnert euch an das was ihr alles schon erreicht habt. Seid stolz drauf. Setzt euch neue Ziele. Schaut, dass euer Glück nicht nur von dem Erreichen eures Ziels abhängt. Den Fehler habe ich nämlich dieses Jahr gemacht. Ich wollte es erzwingen. Ich habe alles – aus unterschiedlichen Gründen – davon abhängig gemacht. Und wie singen die Ärzte so schön in ihrem Lied vom Scheitern: „Du bist immer dann am besten, wenn’s dir eigentlich egal ist. Du bist immer dann am besten, wenn du einfach ganz normal bist.“ Vergesst also nicht. Spaß zu haben.

Ich bin gescheitert. Ich werde wahrscheinlich auch nochmal irgendwo scheitern. Ist das scheiße? Ja es ist scheiße. Bin ich unzufrieden mit meinen Leistungen: Ganz klar. Aber ist es schlimm zu scheitern? Absolut nicht. Ich habe alles für den Traum Olympia gegeben. Ich muss mir kein „was wäre wenn“ vorwerfen. Ich bin stolz darauf, dass ich das Scheitern riskiert habe. Riskiert es zu Scheitern. Es macht alles so viel mehr besonders.

Blick nach vorn!

So viel zu meinem selbst-therapeutischen Blog. Und keine Sorge, ab jetzt werden regelmäßiger Blogs kommen. Ich dachte in der Saison und besonders als es nicht lief, mich komplett aufs Laufen konzentrieren zu müssen um das Ruder noch rumzureißen. Weil es Angriffsfläche bietet, wenn man schlecht läuft und noch „Ablenkung“ neben her hat. Eines ist mir klar geworden: Das ist Bullshit. Mir machts Spaß Blogs zu schreiben, über die Leichtathletik und den Sport zu reden und zu diskutieren. Also werde ich das auch machen. Obs sportlich gut läuft oder nicht.

 

  • Trainingspläne, Rezepte, Analysen: Komm in den Club!Anzeige

    Bock auf strukturiertes Training rund um Schwimmen, Radfahren, Laufen und Triathlon? Auf der Suche nach Rezepten für sportgerechte Ernährung und nach Auswertungstools, die dich wirklich weiterbringen? Dann sagen wir: Willkommen im Pushing Limits Club! Ob Triathlon oder (Rad-)Marathon, ob Einsteiger:in oder Fortgeschritene:r, ob PB oder Party-Pace: Join the club und nutze alle Funktionen die ersten 14 Tage kostenlos!

    blankHier geht’s direkt zum Pushing Limits Club!

    Der Club als App immer griffbereit auf Deinem Smartphone:

6 Kommentare

  1. Aber wenn du nochmal in Wattenscheid vorbeikommen willst, hab jetzt ne fette Luftmatratze..

  2. Kopf hoch!
    Ich bin so oft im Leben gescheitert (Quali Hawaii wegen Scheidung, Berlin Marathon mental when Depressionen). Mittelfinger hoch!

  3. Sich hohe Ziele zu setzen, heißt immer auch, ein Risiko (das des Scheiterns…) einzugehen. Es erfordert also auch Mut, sich diese Art von Zielen zu setzen, und es ist klar, dass man sich erst mal davon erholen muss, wenn es nicht klappt. Wie jeder damit umgeht (ob er in die Berge fährt, oder ans Meer, oder sich auf neue Ziele konzentriert) muss man selbst herausfinden, und Du hast bei Deiner Wanderung erkannt, dass es auch abseits vom Sport Dinge gibt, die Kraft geben & Spaß machen. Das ist, finde ich, ganz wichtig: weil man schön locker bleibt, und das ist auch der Unterschied zum Song der Ärzte: egal ist es einem doch nie, wenn man sein ganzes Herz und seine Energie in etwas reinlegt. Aber locker und mutig sein: das geht. Alles Gute weiterhin – wir sehen uns bestimmt mal wieder beim Midsummer Night in Wien oder in Monte Gordo 😉