Rookie-Report – Die erste Mitteldistanz: Allein an der Startlinie, gemeinsam ins Ziel
15. Juli 2022
Es ist geschafft: Rookie-Reporterin Lena hat ihre erste Mitteldistanz ins Ziel gebracht – aus Versehen. Denn eigentlich war der Tag bei der Challenge Kaiserwinkl-Walchsee ganz anders geplant. Aber dann kam die Community ins Spiel. Ein unerwarteter Race-Report …
Das war so nicht geplant. Eigentlich sollte nach Swim und Bike heute für mich Schluss sein. Und ganz ehrlich: In T2 wollte ich aufgrund akuter Schmerzen in den Füßen auch wirklich aufhören. Aber dann war da diese Helferin, die mich ansprach und sich für die Rookie-Reports bedankte. Und nach so viel Community-Liebe auszusteigen, fühlte sich dann auch irgendwie falsch an. Also lief ich doch los – und jetzt sind es nur noch 100 Meter bis zur Finishline meiner ersten Mitteldistanz. 50 Meter. 25 Meter.
Ich kann es nicht glauben: Ich bringe das Ding gerade ins Ziel. Mit breitem Grinsen laufe ich über die ersehnte Ziellinie der Challenge Kaiserwinkl-Walchsee. Denn wenn ich eines im letzten Jahr gelernt habe, dann ist es, dass Heul-Fotos einfach beschissen aussehen – und man unbedingt glücklich aussehen sollte, wenn man ins Ziel kommt. Egal, wie es lief. Und egal, wie man sich wirklich fühlt. Wobei ich sagen muss: Ich fühle mich super und gar nicht kaputt. Aus Gründen (siehe unten). Krass, das hatte ich mir selbst wohl am wenigsten zugetraut! Wie konnte das nur passieren?
Ohne Begleitung an der Startlinie? Tabu-Thema!
Aber fangen wir vorne an: am Morgen dieses unverhofften Racedays. Und damit bei Stressfaktor 1.000 und Puls 180. Denn ich gehe heute nicht nur bei der ersten Mitteldistanz an den Start, sondern auch erstmals alleine. Zumindest gefühlt. Denn eine Begleitung habe ich diesmal nicht. Mit wenig Triathleten im Freundeskreis hat es sich eben für heute nicht ergeben. Aber das Rennen ist bezahlt, der Termin stand seit Ewigkeiten – und irgendwie ist es doch auch eine Erfahrung, ganz alleine am Start zu stehen. „Da kannst du dich viel mehr zu fokussieren!“, hatte mir ein solo-start-erfahrener Kumpel, der am selben Tag in Frankfurt startet, noch versichert. Und, ja, da ist etwas dran. Wenngleich ich gestehen muss, geil ist es natürlich nicht, ohne Vertraute vor Ort zu sein. Aber wie war das noch mit dem Wachsen an Herausforderungen? Ist jetzt halt so.
Es dauert trotzdem keine 30 Minuten, um die Seifenblase der vermeintlichen Solo-Start-Romantik platzen zu lassen: Das Ganze artet in Stress aus – denn ich bin spät dran und muss zusehen, dass ich nach dem finalen Check in der Wechselzone noch einmal zurück zum Auto komme. Mit Begleitung wäre mein Puls sicher niedriger. Egal, keine Zeit, Trübsal zu blasen. Auf geht’s zum Schwimmstart. Und als ich dort mehrfach gebeten werde, beim Schließen des Neos zu helfen, realisiere ich: Ey, du bist nicht die Einzige, die hier heute allein unterwegs ist. Und wenn wir alle allein sind, sind wir es zumindest gemeinsam. Wie viele Triathleten da wohl regelmäßig durch müssen, weil der Freundeskreis kollektiv einen Vogel zeigt, wenn man mehrmals pro Saison (mit allem drum und dran) um Ganztages-Support bittet …? Wer mit Triathlon so gar nichts anfangen kann, dürfte nämlich spätestens ab der Mitteldistanz relativ viel Zeit des Tages mit Langeweile und Planlosigkeit verbringen.
- Talk mit Fred Funk, Flo Angert und Sam Long
Was die Profis vor der Challenge Kaiserwinkl-Walchsee zu sagen hatten …
Mitteldistanz mit angezogener Handbremse und …
Ich lasse die Szenerie auf mich wirken. Jetzt ist es also soweit – und der Plan ist klar: Ich gehe ein bisschen schwimmen und dann habe ich einfach eine schöne Ausfahrt auf dem Bike. Mit abgesperrten Straßen und Verpflegungsstellen. Mit dieser Haltung bewege ich mich mit der bereits rollenden Welle aus Agegroupern in Richtung meiner Schwimmzeit-Box: 50 bis 70 Minuten. Als Allerletzte (kein Witz) gehe ich ins Wasser – und wenn ich ehrlich bin: Ich hatte auch erwartet, als Letzte wieder rauszukommen. Aber Pustekuchen! Ich hätte mich ernsthaft in der Box davor einordnen können und toppe mich brustschwimmend selbst, indem ich kämpfende Krauler einsammle, meine geschrottete Schulter noch im Gelenk ist und ich in weniger als 50 Minuten völlig perplex aus dem Wasser steige. Ich wusste nicht, dass ich das im Freiwasser kann.
Es folgt eine herrliche Bike-Tour – bis etwa Kilometer 60. Plötzlich sind sie wieder da, die nervigen Fußschmerzen, die mich schon bei den langen Ausfahrten zum Heulen gebracht haben. Hilft nichts, ich ziehe durch und komme nach einer akzeptablen Zeit von 3:12 Stunden für die 82 Kilometer und rund 1.000 Höhenmeter in T2. ‚So, war nett, aber jetzt ist auch gut‘, denke ich noch und schnappe mir, mehr im Affekt, meinen Run-Beutel. Ich hatte schließlich überall kommuniziert, wohl kaum nach Corona und entsprechend wenigen Wochen mit wirklichem Training eine Mitteldistanz in Ziel bringen zu können. Aber mit dem Community-Effekt hatte ich eben auch nicht gerechnet.
… Mitteldistanz dank der besten Community der Welt!
Denn was dann auf der Laufstrecke und den vier Runden um den zauberhaften Walchsee mit malerischem Blick auf das Kaisergebirge passiert, ist einfach … der Wahnsinn. Schon auf der Bike-Strecke hatte ich hin und wieder ein „Yeah, Rookie!“ oder „Pushing Limiiiiits!“ gehört. Aber der Support auf der Laufstrecke ist dann einfach nur „Next Level“. Obwohl (oder gerade weil) meine Pace wirklich unter aller Sau ist, werde ich, ach was, werden alle auf der Laufstrecke mit so viele Freude und Optimismus angefeuert, dass die Endorphine einfach ausgeschüttet werden müssen.
Ich will da nichts schönreden: Ich komme an diesem Tag mit meiner persönlich schlechtesten Halbmarathon-Zeit ever ins Ziel – vor allem, weil ich auf den 21 Kilometern dauerhaft damit rechne, doch nun wirklich bald mal „platzen“ zu müssen. ‚Das kann ich doch gar nicht schaffen!‘, geht es mir immer wieder im Kopf rum. Wie mit permanent angezogener Handbremse wechsle ich zwischen Run und Walk. Aber spätestens ab Runde drei ist mir das auch herzlich egal. Heute geht’s ums Ankommen – und dank all dem Support vom Streckenrand gelingt mir das auch. Sogar in unter sieben Stunden. Wenn auch sehr knapp unter sieben Stunden. Aber Sub7 ist Sub7!
Triathlon mit blauem Herz(chen)
Muskelkater oder andere Ermüdungsanzeichen hatte ich nach der Nummer übrigens nicht. Der als Halbmarathon getarnte regenerative Lauf hatte also Vorteile. Ziel wäre dennoch, spätestens in Dresden etwas mehr zu laufen. Denn jetzt weiß ich ja: Ich kann das schaffen – ich muss mich nur trauen.
Und so bleibt mir letztendlich nur sagen: Liebe Pushing Limits-Community, ihr seid der Hammer – und der Grund, warum ich zwar allein an der Startlinie stand, aber mich zu keinem Zeitpunkt im Rennen einsam gefühlt habe! Danke an jeden einzelnen Supporter am Streckenrand. You know, who you are.
In diesem Sinne: See you at the next finishline – denn ein bisschen „unfinished rookie-business“ ist da immer noch! #pacingläuftbeimir #nicht
Mit pulsierendem Pushing Limits-Herz 💙
Eure Lena
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Liebe Lena,
das ist Triathlon-Feeling wie es sein sollen. Deine Rennberichte bewegen mich wesentlich mehr, als die von leistungsorientierten Athleten.
Vielen Dank fürs Mitnehmen und mach weiter so!
Hey Lena, sehr cooler Bericht! Vielen Dank für die Offenheit. Du sprichst mehr Triathleten aus dem Herzen als du vielleicht denkst😊. Du bist in Roth vor mir bei T1 ( bzw. neben T1 ) gelaufen und ich hab mich nicht getraut dich anzusprechen weil ich nicht wusste ob du für PL beschäftigt bist. Gruß aus Augsburg 😊👋
Liebe Franzi,
danke dir! Das bedeutet mir ganz viel – ist ja immer auch ein bisschen Überwindung, sich als Nicht-High-Performer zu „outen“. 😀
Liebe Grüße
Lena
Lieber Alex,
also, erste Regel: Mich kann man IMMER ansprechen – in der nächsten Wechselzone, in der wir uns über den Weg laufen, also bitte nachholen. 🤗
Vielen lieben Dank dir für dein Feedback! Schön, wenn ich da Seelensprachrohr sein darf. Und noch schöner, zu wissen, dass ich nicht allein bin mit so manchem Thema.
Liebe Grüße
Lena
Hallo Lena,
ein wirklich toller Bericht, ehrlich, direkt und leidenschaftlich.
Ich habe dieses Jahr auch bei dem Walchseetriathlon mitgemacht und Ich kann all das nachvollziehen, was Du schreibst. Ich denke jeder Teilnehmer hat große oder kleine Ziele und für mich gesprochen war dieses Jahr mein Ziel teilzunehmen, Spaß zu haben und irgendwie anzukommen.
Mit der Tagesplanung für den Walchseetriathlon ging es mir ähnlich, wie Dir. Ich hatte eigtl. auch nur fix im Kopf zu Schwimmen und noch die Fahrradstrecke zu fahren. Das Laufen stand bei mir gar nicht komplett auf dem Programm. 6 Wochen vor dem Rennen hatte Ich leider Corona bekommen und konnte 4 Wochen gar keinen Sport machen, was mich in der Vorbereitung natürlich nicht wirklich vorangebracht hat. Bis auf einen sehr guten Freund waren wir auch „nur“ zu zweit. Familie und die engsten Freunde wussten von unserem Vorhaben, aber da wir beide nicht in wirklich guter Form waren (bei meinem Freund sehr viel Stress in der Arbeit) und es meine erste Mitteldistanz war, haben wir nicht um Unterstützung am Straßenrand gebeten, v.a. auch wegen einem wohl nicht finishen von uns Beiden. Im Nachhinein wäre es natürlich mehr als unglaublich toll gewesen, wenn Familie und engste Freunde an der Strecke und im Zielbereich gewesen wären. Aber dann das nächste mal😊.
Das gesamte Umfeld am Walchsee war sehr herzlich und v.a. auf der Laufstrecke mit Anfeuerungsrufen und begeisterten Zuschauern versehen, was mich auch unterstütze trotz mäßigem Tempo, weiterzumachen. Mein Tempo war nicht das Schnellste, was den Zuschauern aber egal war, Jeder wurde gleich stark angefeuert, was Ich super finde!
Wir beide waren so ab der zweiten Radrunde immer ungefähr im selben zeitlichen Feld und haben uns gegenseitig einige mal überholt. Auf der letzten Laufrunde dann konntest Du mich durchaus noch weiter motivieren bis zum Ende durchzuziehen, Vielen Dank!
Auch werde Ich mir bei Euch Pushing Limits sicherlich Tipps holen können, z.B. zur Schwimmtechnik und auch Laufeinteilung. Der nächste Triathlon ist schon wieder bei mir im Kopf und folgt das nächste Jahr bestimmt, auf jeden Fall wieder Mitteldistanz.
Ich wünsche Dir für Deine noch anstehenden Triathlons alles Gute, viel Spaß und Gesundheit.
Viele Grüße
Peter