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Neue Benchmarks im Triathlon: Schnelle Profis – schnelle Agegrouper?

28. Juni 2023


Challenge Roth 2023

Triathlon wird immer schneller – nicht nur im Profibereich. Auch die Agegrouper hauen auf der Langdistanz mehr und mehr einst utopische Zeiten raus. Aber wo liegt heute noch der Unterschied in der Entwicklung des Sports im Agegrouper-Bereich? Nachgefragt bei Pushing Limits Headcoach Nils Goerke!

8:12:24 – mit dieser Zeit landete Hans Christian Tungesvik beim Challenge Roth auf Platz 17 gesamt der Männer und auf Platz eins im Agegrouper-Bereich. Platz zwei ging an Lars Wichert mit 8:15:35. Zwei Zeiten, die nicht nur aufgrund der Platzierung bemerkenswert sind. Sie gehören in der Nachlese zum Wahnsinnsrennen im Frankenland auch deswegen auf die Agenda, weil sie eines deutlich zeigen: Junge, Junge – die Agegrouper zaubern inzwischen Zeiten auf Rennparkett, die ähnlich zum Niveau der Profis jenseits von Gut und Böse, pardon, von Machbarkeit und Utopie liegen. Was früher unerreichbar schien, ist heute Mindestanforderung.

Eine Entwicklung des Triathlons, die im Vergleich zu anderen Sportarten sicherlich einzigartig ist. Oder trügt der Schein? Sind die Agegrouper doch nicht schneller geworden? Und was haben Profis noch zusätzlich an Möglichkeiten, um mehr aus sich herauszuholen, als es Agegrouper jemals können? Fragen an Nils Goerke …

Bei den sehr guten und ambitionierten Amateuren aus meiner Trainingsgruppe unterscheiden sich die Rad- und Laufleistungen nicht mehr allzu sehr von denen der Profis.

Pushing Limits: Roth hat es bewiesen: Im Profibereich werden die Zeiten immer absurder. Lässt sich das auch genauso auf den Agegrouper-Bereich übertragen?
Nils Goerke: Absolut! Die Entwicklung ist eins zu eins auf die Amateure übertragbar. Und in der Masse ist es bei den Amateuren sogar noch extremer, dass mehr Leute schnellere Zeiten realisieren. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Fokus auch im Agegrouper-Bereich heute mehr denn je auf Aerodynamik, Bekleidung, Equipment gelegt wird. Teilweise kann deswegen auch 15 bis 20 Minuten schneller gefinisht werden. Dazu beigetragen haben insbesondere die Laufschuhe. Früher warst du mit 8:40/8:45 Stunden bei den Amateuren ganz vorne mit dabei – heute musst du dich im Bereich 8:15 bewegen.

Pushing Limits: Was sorgt dann für die letzten 45 Minuten, die dann noch zu dem neuen Top-Niveau im Profisport fehlen? Was macht ein Profi noch anders – und welche Stellschrauben kann er drehen, die ein Altersklassen-Athlet dann eben nicht mehr drehen kann?
Nils Goerke: Es macht heute als Profi bei den Männern nur dann Sinn zu starten, wenn du schwimmen kannst. Bei den Frauen entwickelt es sich auch mehr und mehr in diese Richtung, aber aktuell ist es noch so, dass du auch drei bis vier Minuten beim Schwimmen verlieren kannst, die du dann halt zulaufen musst – wenngleich es auch da immer schwieriger wird, dann noch ums Podium zu racen. Bei den Männern ist es jedenfalls unmöglich. Heißt: Du musst als Profiathlet extrem gut schwimmen können. Da viele Amateure allerdings erst im höheren Alter und durch andere Sportarten zum Triathlon kommen, haben sie nicht die Möglichkeit, diese 48 Minuten zu schwimmen. Bei den sehr guten und ambitionierten Amateuren aus meiner Trainingsgruppe unterscheiden sich die Rad- und Laufleistungen nicht mehr allzu sehr von denen der Profis.

Pushing Limits: Halten wir fest: Wenn du als Agegrouper vom Schwimmen kommst, kannst du noch richtig was reißen …?
Nils Goerke: Das Problem ist, dass die klassischen Schwimmer tendenziell mehr Probleme beim Laufen haben. Das liegt unter anderem in der Natur der Sache: Wenn du als Jugendlicher schwimmst, dann hast du zwar ein starkes Kreuz, aber deine Bänder und Sehnen haben kaum Belastung auszuhalten. Und wenn du dann versuchst, im Erwachsenenalter den Laufumfang auf der Langdistanz hinzubekommen, dann fordert das deinen Körper zusätzlich.

Pushing Limits: Welche Rolle spielt das Thema Regeneration? Dafür haben Profis ja vermutlich mehr Zeit und Raum als Agegrouper – oder?
Nils Goerke: Klar, als Profi kannst du das Gesamtvolumen an Training grundsätzlich höher fahren, weil du auch mehr Zeit für die Regeneration hast. Inzwischen muss man als Profi circa 30 Stunden pro Woche trainieren, wenn man ganz vorne mitmischen will. Und ja, mehr Regenerationsphasen kommen dann dazu. Aber man muss auch sagen, dass sich das Profileben und die Anforderungen, die an die Sportler gestellt werden, verändert haben. Das gilt gerade für den Aufwand, den man als Profi heute im Social-Media-Bereich betreiben muss.

Den Druck, unter denen Profis heute zusätzlich stehen, unterschätzen viele auch.

Pushing Limits: Können Agegrouper so viel überhaupt trainieren?
Nils Goerke: Naja, also wenn du Student bist und Eltern hast, die dich unterstützen, sodass du dir um dein Einkommen keine Sorgen machen musst – dann kannst du’s. Nicht von jetzt auf gleich, aber mit einem soliden Aufbau. Und genau das unterschätzen viele Amateursportler auch. Leistungsdruck seitens der Sponsoren, Erfolgsstress, im Social-Media-Game performen zu müssen … das ist ganz schön viel. Spannend war das jetzt bei den Norwegern zu beobachten: Nach dem vergangenen Jahr ist so viel auf die beiden eingeprasselt und sie mussten viel mehr auf den Nebenschauplätzen unterwegs sein. Die Resultate spiegeln das teilweise. Das hatten sie in der Vorbereitung auf die letzten großen Rennen nicht. Da sieht man allerdings auch mal, was solche Leute wie Frodo, Laura Philipp und Anne Haug ganz abgesehen vom Sportlichen noch so leisten …

Pushing Limits: … und warum sie sich auch aus guten Gründen manchmal stark zurückziehen. Da du gerade aber Anne Haug ansprichst: Mit ihren 41 Jahren setzt sie immer wieder Ausrufezeichen. Merkst du im Agegrouper-Bereich, dass sie damit vielleicht auch mehr und mehr Frauen inspiriert, jenseits der 30 nochmal den Fokus zu setzen?

Nils Goerke: Triathlon war schon immer eher altersunabhängig. Am Ausdauersport ist das für mich auch nach wie vor noch das Bemerkenswerteste: Du kannst auch spät noch wirklich viel leisten – siehe Thorsten Schröder mit seinen 55 Jahren, der so fit ist wie mit 50. Ganz generell fällt mir im Frauenbereich aber auf, welche brutal positive Entwicklung der Sport hier gemacht hat. Auch das knallharte „Ironman“-Image bröckelt so langsam; Triathlon wird immer weiblicher. Und immer offener.

Pushing Limits: Wenn du siehst, wie sich die Wechselzonen dieser Welt verändert haben und was die Agegrouper allesamt zu investieren bereit sind: Schüttelst du da mit dem Kopf oder feierst du diese Entwicklung?
Nils Goerke: Im Grunde beides. Als junger Amateur ohne Geld war ich doch immer erstaunt, wer da mit so mancher Maschine an den Start ging – aber im Rennen deswegen noch lange nicht zu den krassesten Bikern gehört hat. Mittlerweile bin ich auch einer von denen und denke mir: Wenn man sich das leisten kann, warum soll man es nicht tun? Es macht schließlich auch Spaß, so in einen Sport zu investieren. Aber auf der anderen Seite sehe ich es dann auch als fraglich an, wenn man sich anguckt, wofür Triathleten so Geld ausgeben. Allerdings waren wir schon immer eher die Verrückten. Triathlon ist eben nach wie vor sehr vereinnahmend. Du musst gerade auf der Langdistanz sehr strukturiert sein, alles dreht sich darum. Du musst eine gewisse Intelligenz mitbringen und sehr viel Zeit mit dir alleine verbringen können. Der Antrieb muss von dir kommen – und entsprechend groß ist die Lust darauf, sich in das Thema reinzuarbeiten.

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3 Kommentare

  1. Das Thema Doping wird natürlich komplett ausgeklammert… die Altersklassen sind nahezu unkontrolliert und das Ego vieler ist zu groß um Limits zu akzeptieren. Bitte mehr Fokus auf dieses Thema und nicht Friede-Freude-Eierkuchen. Der Triathlon und seine Medien erinnern mich gerade stark an die Zeiten des Radsports Anfang der 2000er. Hauptsache Heldenstories – der Rest ist egal…

  2. Also wenn ich mir die Ergebnisliste von 1996 anschaue, wo ich zum ersten Mal in Roth am Start war, hatten die Amateuere aus meiner Gegend auch Zeiten etwas über achteinhalb Stunden. Dabei war die Radtechnik damals meilenweit von heute entfernt und das Wetter so heiß wie heuer. 1997 brauchte mein Vereinskollege Markus Dippold 8:34. Der ging da Vollzeit in die Arbeit. Ich würde sagen, da waren die Abstände zu den Profis sogar geringer als heute.

  3. Triathleten waren schon immer bereit, in ihre Leidenschaft ungewöhnlich viel Geld zu investieren, daher sind sie auch Treiber dieser Sache.
    Dennoch denke ich, dass sich die Industrie hier langsam aber sicher verrennt.
    Ein Fahrrad mit aktuellem Stand der Technik kostet aktuelle €8000+, manche Hersteller bieten nicht mal mehr TT´s an für <€9-10.000,- Das ist kompletter Irrsinn, diese Preise deckt teilweise nicht mal ein Bikeleasing ab. Dazu Trainingslager, Carbonschuhe, Neo´s für €1.000, etc.pp.
    Wo soll das bitte hinführen?