Nach was suchst du?

Tribike vs. Rennrad: Was ist wann sinnvoll?

25. April 2022


TT Bike vs Rennrad

Ein Triathlet braucht ein Triathlonrad. Oder? Nicht unbedingt. Wer die zusätzliche Investition (noch) nicht tätigen möchte, dem erklärt Bikefitting-Profi Carsten Schlieter, was im Triathlon mit dem Rennrad geht – und was nicht.

Wer den Begriff „Triathlonbike“ in die Google-Bildersuche eingibt, der bekommt Räder mit flächigen Rohren gezeigt. Mit schnittigen Aerocockpits, aggressiven Laufrädern mit Hochprofilfelgen und windschnittig integrierten Transport- und Wasserbehältnissen.

Für jemanden, der gerade erst mit dem Triathlon beginnt oder mit dem Gedanken spielt, es zu tun, können diese Geschosse ganz schön einschüchternd wirken – vor allem auch beim Blick auf den Preis. Hohe vierstellige Summen sind nicht ungewöhnlich, für aerodynamisch bis ins Letzte ausgefeilte und top ausgestattete Premiummodelle werden auch schon mal mehr als 10.000 Euro fällig.

Zugegeben, es macht Spaß, sich solche Räder anzuschauen. Und noch mehr Spaß macht es, sie zu fahren. Aber ist ein „echtes Triathlonrad“ wirklich notwendig, um Triathlonwettkämpfe zu bestreiten – oder tut es (zumindest vorerst) auch ein Rennrad mit Zeitfahraufsatz?

Knackpunkt Geometrie: Tribikes gehen steil(er)

Carsten Schlieter ist Bikefitter, Radhändler und hat in seinen Edelhelfer-Läden in Dortmund und Recklinghausen schon hunderte Athleten aufs Tribike und aufs Rennrad gesetzt. Er glaubt, dass „eine gute Rennradposition mit Auflieger eine mittelmäßige Haltung auf dem Triathlonbike ausstechen“ könne.

Vor allem, wenn das Rennrad statt einer nach hinten gekröpften mit einer geraden Sattelstütze (zero offset) ausgestattet ist. Das verändert die Geometrie ein wenig – denn in der unterscheiden sich die beiden Fahrrad-Typen merklich.

So ist ein Triathlonbike explizit dafür gemacht, in gebückter Position ein Einzelzeitfahren über mehrere Stunden hinweg zu absolvieren. Nichts anderes ist nämlich der Radpart in einem Triathlonwettkampf. Damit der Fahrer oder die Fahrerin eine entsprechende Haltung einnehmen kann, ist der Sitzrohrwinkel mit im Schnitt 78 Grad deutlich steiler als der eines Rennrads (73 Grad).

Auf dem Tribike sitzen Athlet oder Athletin also weiter vorn. Außerdem ist die Kettenstrebe und damit der Hinterbau kürzer. Das Rad wird kompakter. „Das ist wichtig, weil durch die liegende Position relativ viel Gewicht auf dem Lenker, also vorn auf dem Rad lastet“, erklärt Carsten Schlieter. „Hätte man einen langen Radstand, also einen großen Abstand zwischen der Aufstandsfläche von vorderem und hinterem Laufrad, bekäme man wenig Druck aufs Hinterrad. Das Bike würde sich dann fahren, als wackele es mit dem Schwanz.“

Sitzposition sticht Hightech-Ausstattung

Dank seiner Geometrie erlaubt das Tribike eine Sitzposition, die sich mehr über statt hinter dem Tretlager befindet. Das bedeutet, es lässt sich mehr Kraft aufs Pedal bringen. Allerdings nur, wenn die Sitzposition generell stimmt. Die gerät angesichts der beworbenen (Leistungs-)Vorteile von tragflächenähnlichen Aero-Rahmenrohren aus Carbon, elektronischen Hightech-Schaltungen und im Windkanal ausoptimierten Laufradsätzen aber viel zu oft ins Hintertreffen, hat Carsten Schlieter beobachtet:

„Den körperlichen Voraussetzungen wie der Statik oder der Beweglichkeit des Athleten wird häufig zu wenig Beachtung geschenkt. Das wird später zum Problem, weil das Material allein nicht verhindert, dass man statisch überlastet von Rad steigt und dann nicht mehr laufen kann.“ Bei vielen sei zum Beispiel die Überhöhung, also der Höhenunterschied zwischen Lenker und Sattel, zu hoch. „Solche Positionen können Profis fahren. Dafür ist aber sehr viel Stabitraining notwendig“, mahnt Schlieter und fügt hinzu: „Agegrouper können solch extreme Positionen nicht sehr lange halten, das heißt, vielleicht 40 bis 50 Kilometer oder eine bis eineinhalb Stunden.“

Für eine olympische Distanz in Ordnung, ab der Mitteldistanz geht es da aber erst richtig los mit dem Radfahren. Es gilt also, eine Sitzposition zu finden, die aerodynamisch und komfortabel ist. Das ist auf dem Tribike theoretisch besser möglich als mit einem Rennrad, da Ersteres so kompakt konstruiert ist, dass der Bikefitter den Athleten „ins Bike“ setzen kann, er also weiter vorn und tiefer sitzt. Wichtig ist auch, dass der Sportler in Aeroposition komplett auf dem Sattel sitzt, nicht nur auf dessen Nase. Ein Phänomen, das häufig zu beobachten ist.

Die Idealposition: leichter auf dem Rennrad einstellbar

„Sobald der Winkel von Oberkörper zu Oberschenkel nicht auf 90 Grad schließt, weil der Fahrer zu weit hinten und damit zu gestreckt auf dem Sattel sitzt, sinkt der Rücken durch und der Fahrer schiebt sich instinktiv auf dem Sattel nach vorn“, erklärt Carsten Schlieter. Durch diese andauernde Hin-und-Her-Bewegung, auch als „Saddle Shifts“ bekannt, geht unnötig Energie verloren. Voraussetzung dafür, eine shiftfreie Sitzposition auf dem Triathlonrad umzusetzen ist, dass sowohl die Sattelstütze so konstruiert ist, dass sich der Sattel weit genug nach vorn schieben lässt, als auch die Lenker-Vorbau-Einheit gut verstellbar ist.

Das ist zwar bei immer mehr Tribikes der Fall, aber längst nicht bei allen: „Integrierte Lenker-Vorbau-Kombinationen sehen zwar schick aus und sind windschnittig, lassen sich aber kaum einstellen“, sagt Carsten Schlieter, der überzeugt ist, dass man sich in solchen Fällen im Agegroupbereich nur an die optimale Sitzposition annähern kann, denn: „Bei integrierten Systemen müsste der Bikefitter auch gleich Zweiradmechaniker sein, um das System auseinanderzunehmen und wieder passend zusammenzubauen.“

Auf einem handelsüblichen Rennrad die Idealposition einzustellen, sei seiner Meinung nach dagegen immer und bei jedem möglich. Deshalb empfiehlt er Athletinnen und Athleten, die nur ab und zu einen Triathlon machen möchten, sich ein Rennrad mit Aufsatz zuzulegen. „Eine passende Tri-Position kann ein guter Bikefitter zu 80 Prozent auf dem Rennrad umsetzen“, schätzt Carsten Schlieter.

Eins für die Berge, eins fürs Flache

Bei hügeligen Strecken kann ein Renner sogar von Vorteil sein, da er sich besser handhaben lässt. Ein Tribike hingegen ist eher für hohe Geschwindigkeiten auf flachen, kurvenarmen Strecken gemacht, auf denen es „selbst mit einer wunderbaren Rennradsitzposition schwer ist, jemandem mit einer grottenschlechten Haltung auf dem Tribike hinterherzukommen.“

Dennoch empfiehlt Schlieter Einsteigern ein Rennrad, weil sich „damit angenehmer Grundlage fahren lässt und die Sicherheit höher ist, da man zum Beispiel die Hände direkt an den Bremsen hat und die Arme nicht so eng beeinander liegen. Es lenkt sich leichter.“

Günstige Alu-Extensions am Rennrad sind seiner Meinung nach ebenfalls erstmal ok, es sei in erster Linie „wichtig, dass man sich wohlfühlt, bei dem, was man tut – und es geht auch darum, sich nicht zu verletzten. Eine Hardcore-Sitzposition auf dem Tribike ist da durchaus ein Risikofaktor.“

Bis zur Mitteldistanz lassen sich seiner Erfahrung nach auf dem Rennrad problemlos Wettkämpfe bestreiten. Wer längere Rennen, ambitioniertere Ziele (z. B. Hawaii-Quali, Langdistanz unter 10 Std. etc.) oder mehrere Triathlonwettkämpfe pro Jahr auf dem Zettel hat, für den lohnt sich ein Tribike, zusätzlich zum Rennrad. Aber wenn, dann eines, das sich auf den Fahrer oder die Fahrerin einstellt, nicht umgekehrt.

  • Trainingspläne, Rezepte, Analysen: Komm in den Club!Anzeige

    Bock auf strukturiertes Training rund um Schwimmen, Radfahren, Laufen und Triathlon? Auf der Suche nach Rezepten für sportgerechte Ernährung und nach Auswertungstools, die dich wirklich weiterbringen? Dann sagen wir: Willkommen im Pushing Limits Club! Ob Triathlon oder (Rad-)Marathon, ob Einsteiger:in oder Fortgeschritene:r, ob PB oder Party-Pace: Join the club und nutze alle Funktionen die ersten 14 Tage kostenlos!

    blankHier geht’s direkt zum Pushing Limits Club!

    Der Club als App immer griffbereit auf Deinem Smartphone:

5 Kommentare

  1. Jetzt wären ja noch Empfehlungen zu Rennrad Modellen mit entsprechendem Sitzrohrwinkel und/oder Sattelstütze praktisch. Ebenfalls kommen die meisten ja heute auch schon die meisten Renner mit Carbon-Lenkern – wir klemme ich denn da noch Aero-Extensions drauf?

  2. Tipp: Leute, die sich erst an die Zeitfahrposition gewöhnen müssen und auch während des Fahrens zwischen Rennrad- und Zeitfahrposition geschmeidig wechseln wollen, sind die verstellbare Sattelstütze und der mittels Schnellspannern anzubringende Aero-Clip von Redshift super.
    Redshift Sports Quick-Release Aerobars
    Redshift Dual-Position Seatpost

    Einfach mal googlen.

  3. Taylor Knibb ist beim Collins Cup mit einem normalen Rennrad die schnellste Radzeit auf einem flachen Kurs gefahren. Alle weiteren Athletinnen waren mit Tribike und perfekter Sitzposition unterwegs. Natürlich ist sie eine sehr starke Radfahrerin, aber der Hype um Tribikes ist mittlerweile schon verrückt geworden. Der Motor sitzt immer noch auf dem Rad.

  4. Danke für die Infos. In der Tat habe ich mir darüber noch nie Gedanken gemacht. Habe mir einfach nen Triathlon-Lenker-Aufsatz vorne auf mein Rennrad geschraubt und damit los. War nie sehr komfortabel, aber ich dachte immer, dass das dann wohl so ist. Gibt es Leute in Krefeld, die sich damit auskennen und die mal einen Blick drauf werfen könnten?

  5. @Simon: Vor dem Problem mit den Carbon-/Aeroprofil-Lenkern stehe ich gerade. Ich fahre ein Rennrad mit Extensions und suche einen Nachfolger. Aber nahezu alle verfügbaren, in Frage kommenden Räder haben keinen Rundprofil-Lenker mehr, sondern einen mit flachem Profil. Ich habe bei Facebook einen Post von Canyon gefunden, wo mehrmals ein Aufsatz für das H36-Cockpit in Aussicht gestellt wurde – ist mittlerweile zwei Jahre her.

    Sind Aerolenker am Rennrad nur ein Trend oder steckt sogar Kalkül dahinter, damit die Leute sich zwei Räder hinstellen (müssen)?!

    Wie auch immer – gibt es Empfehlungen für Rennräder, die mit den gängigen Extensions (bspw. von Profile Design) kompatibel sind?