NAT – Neuro Athletik Training: Besser Schwimmen durch die Kraft der Sinne?
25. Juni 2020
Wer kennt nicht dieses Gefühl vom Schwimmen, dass es sich irgendwie nicht richtig entspannt anfühlt und nur schwerfällig geht? Das hat seine Gründe, die unter anderem mit unserer Sinneswahrnehmung zu tun haben. Ich möchte dir in den kommenden Beiträgen erklären, was es mit Neuro Athletik Training auf sich hat und ein paar Tipps geben, um ein besserer Schwimmer zu werden.
Das Szenario ist oft folgendes: Ich betrete das Schwimmbad mit dem Gefühl heute, das in zig YouTube-Videos angesammelte Wissen, nun endlich ins Wasser zu bringen. Der Armzug unter Wasser wurde bereits akribisch am Zugseil geübt, das Atmen ist verstanden, die Körperrotation und die Beinbewegung ist auch klar.
Ich bin motiviert dieses Aha-Erlebnis, von dem mir manche Schwimmer berichtet haben, nun endlich selbst zu erfahren. Die Brille ins Gesicht gezogen, katapultiere ich mich mit einem Kopfsprung ins Wasser und gleite mit einem gekonnten Delfinschlag die ersten Meter durchs Wasser, ehe ich jäh an der Wasseroberfläche vom ersten Atemzug ausgebremst werde.
Ernüchterung nach den ersten Metern
„Egal!“ spreche ich mir selbst Mut zu. Ich versuche meinen Zug zu finden und beginne die ersten Meter, leicht gefröstelt und dennoch voller Kraft, damit mich durchs Wasser zu ziehen. Aber schon nach ein paar Minuten ist die Lockerheit irgendwie dahin. Alles ist wieder wie früher.
Der Unterwasserarmzug ist längst wieder vergessen und ich versuche, mich dem Sinken zum Trotz, nach vorne zu bewegen.
Und was war noch gleich mit dem Gleiten? Die Konzentration fällt zunehmend schwerer. Ich muss schließlich am Vordermann dranbleiben und darf nicht zurückfallen. Ein typisches Einschwimmen halt.
Beim anschließenden Techniktraining fühle ich mich wie ein nach Luft schnappender Hund, der versucht den ins Wasser geworfenen Ball zu apportieren. Es geht mittlerweile eher darum regelmäßig Luft zu bekommen und dabei nicht die allerschlechteste Figur abzugeben.
Oh je, die Hauptserie ist dann doch auch wieder wie immer. Am Ende des Trainings bleibt die bittere Erkenntnis: „Schwimmen wird einfach nicht mein Freund“. Ende der Geschichte.
Woran liegt es, dass manche Athleten das Schwimmen einfach raushaben oder schneller lernen? Wurde etwas übersehen oder nicht richtig verstanden? Warum ist das Schwimmen so verdammt schwer, obwohl es doch so leicht aussieht? Diese Fragen beschäftigen viele Sportler, die mit dem Schwimmen nicht so ganz auf einen grünen Zweig kommen.
Meine Erklärung: Nutze die Kraft der Sinne
Ich glaube, dass die Erklärung darin liegen könnte, dass du im Wasser nicht das machst, was du meinst zu tun. Zwar hast du eine Vorstellung von der Bewegung, also davon wie du schwimmen solltest, aber dieses Bild im Kopf ist oftmals nicht deckungsgleich mit dem was du tatsächlich tust.
Klingt kompliziert? Ja, ist es! Sonst wäre das Schwimmen ja kinderleicht…
Wenn du aber mit der Technik haderst und dein Trainer erkennt (oder du selbst in einer Aufnahme von Dir), dass deine Bewegungen anders aussehen, als sie sich für dich anfühlen, dann kannst du natürlich versuchen die Technik durch spezielle Übungen zu verbessern. Dann sprechen wir über das, uns allen bekannte, Techniktraining.
Bewegungsfertigkeit als Voraussetzung
Schlussendlich kann aber auch das beste Techniktraining immer daran scheitern, dass du beispielsweise denkst, dein Arm sei gestreckt, er es aber gar nicht ist.
Deine innere Landkarte entspricht nicht dem Gebiet, auf dem du nach Orientierung suchst – oder anders gesagt: Deine tatsächliche Bewegung passt nicht mit deiner Vorstellung zueinander. Dadurch entstehen fehlerhafte Bewegungen, die wiederum zwangsläufig zu einer nicht optimalen Technik führen.
Die Sinne, die unsere Bewegung steuern
Unser Körper hat drei verschiedene Sinnessysteme, die für die Wahrnehmung und Steuerung unserer Bewegungen zuständig sind. Das visuelle System (Sehen), das vestibuläre System (Gleichgewicht) und das propriozeptive System (Körpergefühl).
Gibt eines dieser Systeme unserem Gehirn unzureichende oder fehlerhafte Informationen, so führt es dazu, dass wir unseren Körper nicht richtig spüren. Es entstehen weiße Flecken auf unserer inneren Landkarte. Unser Gehirn kann dann nur erraten wie es sich an diesen weißen Flecken zu verhalten hat.
Beispielsweise macht es das Gehirn in solchen Fällen so, wenn wir uns ein Auge zu halten und nach etwas greifen wollen. Wir können aufgrund unseres binokularen Sehens einschätzen, wie weit der Gegenstand, den wir greifen wollen, entfernt ist. Aber eigentlich sehen wir in diesem Moment lediglich zweidimensional. Nur aufgrund der Größe des Objektes und unseres Wissens darüber, sind wir in der Lage diesen weißen Fleck – also die fehlende notwenige Information unseres zweiten Auges – auszubügeln.
Unsere Bewegungsausführung hängt demnach wesentlich mit unserem Bewegungsgefühl zusammen. Erst wenn wir Bewegungen spüren, können wir diese auch besser steuern.
Das Gute daran ist, dass unser Gehirn bei inkorrekter sowie nur unvollständiger Information von einem dieser drei Sinne, aus den Informationen der anderen beiden schöpfen kann und uns absichert.
Trotzdem führt es unausweichlich dazu, dass die Integration, also die Verarbeitung dieser Sinneswahrnehmungen, ungenauer wird. Wenn dies geschieht, geht der Körper automatisch in eine Schutzhaltung und reduziert zum Beispiel Ausmaß und Geschwindigkeit einer bestimmten Bewegung.
Jeder, der einmal eine Verletzung hatte, kennt das: Wir bewegen ein Gelenk, in dessen Nähe die Verletzung liegt, nur noch sehr eingeschränkt, um es zu schützen. Der Körper sichert sich ab und macht uns immobil. Diese Schutzhaltung passiert allerdings nicht nur bei Verletzungen, sondern immer auch dann, wenn unser Gehirn Probleme bei der Verarbeitung von Sinneswahrnehmungen hat.
NAT – Neuro Athletik Training
In den letzten Jahren hat sich die Neuroathletik mit diesem Thema auseinandergesetzt. Die Neuroathletik versucht durch bestimmtes Training die genannten Sinne zu schärfen, dem Athleten eine bessere Wahrnehmung und damit eine genauere und kräftigere Bewegungssteuerung über seinen Körper zu geben.
Ich bin der Überzeugung, dass durch gezieltes visuelles, vestibuläres und propriozeptives Training ein neues Leistungslevel erreicht werden kann.
In den kommenden Beiträgen zum Neuroathletiktraining erläutere ich dir, wie du mithilfe von gezieltem Wahrnehmungstraining der drei bewegungsrelevanten Sinne deinem Aha-Erlebnis im Wasser ein Stückchen näher kommen kannst.
Zusätzlich zu dieser Beitragsreihe werde ich dich, hier bei Pushing Limits, zukünftig auch mit anderen spannenden Beiträgen zum Thema Schwimmen versorgen. Dabei möchte ich dich zum nachdenken bringen und auch mal schmunzeln lassen.
Auf keinen Fall gibt’s von mir die gefühlt hundertste Erklärung zum hohen Ellenbogen, versprochen!
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