Daniela Bleymehl: „Ich hatte zunächst das Gefühl, mir etwas schuldig zu sein.“
29. November 2022
Was für eine Saison: Zwei Ironman-Siege standen bei Daniela Bleymehl im ersten Jahr nach der Babypause auf der Haben-Seite – umso bitterer war das DNF in Hawaii im Oktober. Und umso erfreulicher, dass sie mit dem zweiten Platz in Israel und der frühen Hawaii-Quali für 2023 nun doch noch ihren Frieden mit 2022 machen konnte. Ein Update. (Bilder: Simon Gehr/Text: Lena)
Wer die Saison 2022 Revue passieren lässt, kommt an ihrem Namen nicht vorbei: Daniela Bleymehl gelang nicht nur wenige Monate nach der Geburt ihrer Tochter der Wiedereinstieg auf Top-Niveau in der Triathlon-Weltspitze. Beeindruckt dürfte so mancher auch von ihrem Saison-Abschluss gewesen sein – nicht zuletzt sie selbst.
Motivation und mentale Game-Changer
Denn nachdem sie bei der Ironman WM in Kona überhitzungsbedingt aussteigen musste, machte sie keinen Hehl daraus, enttäuscht zu sein. Nicht zuletzt von sich selbst. Doch Dani wäre nicht Dani, wenn sie sich nicht ein Herz gefasst und der Saison noch die Chance gegeben hätte. Chapeau für so viel mentale Stärke – und eine gewohnt starke Race-Performance, die ihr am vergangenen Freitag in Israel den zweiten Platz sowie die Quali für Hawaii 2023 einbrachte. So muss Profi-Sport!
Es ist aber nicht nur die „Einer geht noch!“-Erkenntnis, die die Story liefert. Von einer Top-Triathletin wie Daniela Bleymehl können sich Agegrouper auch für die eigene Motivation eine ganze Menge abschauen. Wurde also Zeit für ein kurzes WhatsApp-Interview …
Die Frage nach deinem Ziel für das Rennen in Israel war mit Blick auf die Hawaii-Slots für 2023 beantwortet. Aber: Mit welchem Gefühl bist du am Freitag an den Start gegangen?
Daniela Bleymehl: Meine Gefühlslage war sehr gemischt. Normalerweise fällt es mir relativ leicht, mich nach einem Rückschlag zu berappeln und wieder nach vorne zu schauen. Nach meinem DNF beim Ironman Hawaii war es anders: Es dauerte verhältnismäßig lang, bis ich den Kopf wieder aus dem Sand gezogen hatte.
Ich weiß nicht, ob ich schon jemals besser in Form war und war einfach sehr traurig, dass ich das ausgerechnet beim wichtigsten Rennen des Jahres so gar nicht hatte zeigen können. Die Saison war schon lang und kräftezehrend, dementsprechend war die Vorstellung, einen weiteren Ironman vorzubereiten – noch dazu im heimischen Novemberwetter – zunächst nicht ganz leicht. Auch hätte das Ganze ja gut nach hinten losgehen können.
Schon als ich in Israel ankam, wusste ich aber, dass es die richtige Entscheidung war. Denn so habe ich zumindest versucht, das Beste aus der Situation zu machen. Und das ist ja manchmal das Wichtigste – egal, was am Ende dabei herauskommt. Dass es nun der zweite Platz und die frühzeitige Kona-Quali geworden ist, freut mich natürlich umso mehr!
„Nach Hawaii war da erst einmal eine große Leere“, hast du nach der WM gesagt. Was war der Initiationsmoment oder der „Schalter im Kopf“, der dir die Motivation für den Start in Israel gegeben hat? Oder war besagte Motivation plötzlich einfach wieder da?
Daniela Bleymehl: Zunächst war vor allem das Gefühl da, mir selbst etwas schuldig zu sein. Die erste Saisonhälfte hätte mit meinen beiden Ironman-Siegen in Südafrika und Frankfurt wohl kaum besser laufen können – erst recht im ersten „Comeback-Jahr“ nach der Geburt unserer Tochter. Trotzdem hatte ich das Gefühl, für Hawaii noch einmal deutlich mehr investiert zu haben. Ich hatte mich einfach wahnsinnig gefreut, fit am Start zu stehen und zu zeigen, was ich mir in den letzten Monaten erarbeitet habe.
Wir haben alle Optionen abgewogen. Die Vorstellung, mich noch einmal ein paar Wochen zusammenzureißen und den Schalter für mich wieder umzulegen, erschien mir am sinnvollsten. Das Ziel war allerdings nicht, ein Hawaii-Rennen in Israel zu zeigen. Denn dass ich die Form nicht würde halten können, war sehr schnell klar. Stattdessen stand fest: Es ging für mich darum, die Chance zu nutzen, der Saison einen positiven Abschluss zu geben und vielleicht sogar mit der Hawaii-Quali gute Voraussetzungen für 2023 zu schaffen.
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Pre-Kona-Talk: Daniela Bleymehl vor dem Ironman Hawaii
Wie leicht oder schwer fiel die Trainingswiederaufnahme?
Daniela Bleymehl: Nach der Trainingswiederaufnahme habe ich mir als erstes eine ordentliche Erkältung eingefangen … Auch die Bedingungen zu Hause waren im Vergleich zum restlichen Jahr deutlich eingeschränkt. Die Hawaii-Form zu halten, war mir daher nicht möglich – und wie gesagt, war das auch nicht das Ziel. Ich glaube, man kann den Körper nur einmal, maximal zweimal im Jahr in Top-Form bringen. Das bedeutet aber nicht, dass es sich nicht trotzdem lohnen kann, mit 90 Prozent an den Start zu gehen.
Was nimmst du persönlich aus den letzten Wochen für dich mit? Und was kannst du mit Blick auf die Ereignisse der letzten Monate auch Agegroupern, die sich selbst nach einem Rückschlag im Motivationstief wiederfinden, mit auf den Weg geben?
Daniela Bleymehl: Es mag ein wenig abgedroschen klingen, aber es ist viel Wahres daran: Es geht nicht immer darum, zu gewinnen oder der/die Beste zu sein, sondern einfach darum, immer das Beste aus der Situation zu machen. Im Sport liegen Erfolg und Niederlage so nah beieinander, wie wahrscheinlich nirgendwo sonst. Und je mehr man riskiert oder vielleicht auch riskieren muss, umso schmaler wird der Grat.
Gleichzeitig ist es aber auch ein wahnsinnig intensives und schönes Gefühl, wenn man es geschafft hat, aus einer schwierigen Situation das Beste gemacht und den bekannten Spieß für sich selbst wieder umgedreht zu haben. Da tickt natürlich jeder anders. Aber: Ich persönlich denke, man sollte es zumindest probieren – denn auch, wenn ein Plan mal nicht aufgeht, so hat man es zumindest versucht und kann sich selbst nichts vorwerfen.
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