Daniela Bleymehl – „Road to Kona“: „Für mich war der Weg nach Hawaii eine große Herausforderung“
27. September 2022
Inzwischen ist Daniela Bleymehl auf Hawaii angekommen – und kann die Tage bis zur Ironman Weltmeisterschaft zählen. Eine gute Gelegenheit also, um einen Blick auf die mentale Verfassung der Top-Athletin zu werfen. Wie geht sie mit dem steigenden Druck um?
Die gute Nachricht zuerst: Ihr Rad, ein erster Teil der Familie und Daniela Bleymehl selbst sind gut auf Hawaii angekommen – und in etwas mehr als einer Woche fällt der Startschuss zur Ironman Weltmeisterschaft. Klingt alles absehbar. Und gleichzeitig stressig. Oder blickt die sympathische Erfolgsathletin dem Spektakel noch ganz gelassen entgegen?
- Lese-Tipp
„Road to Kona“-Update #1
Eine Frage, die sich schnell klärt, wenn man bei ihr um ein Update bittet. Vor allem, wenn man dann auf das aktuelle Mindset der sechsfachen Langdistanz-Siegerin zu sprechen kommt. Die Frage nach der Motivation stelle sich nicht, sagt sie selbst. Dafür sind es aber ganz andere Themen, die sie so kurz vor der Ironman Weltmeisterschaft in Kona beschäftigen …
Noch wenige Male schlafen, dann fällt der Startschuss: Da könnte man ein kleines Zwischenfazit zu der ganzen Nummer Hawaii 2022 ziehen. Was lief diesmal besser, schlechter oder schlichtweg anders als 2016 und 2019?
Daniela Bleymehl: Mit der Vorbereitung bin ich insgesamt zufrieden. Ich würde sagen, sie lief das ganze Jahr über eher prozessorientiert, während das „große Ziel Hawaii“ in weiter Ferne lag. Es ging jeden Tag darum, das Beste aus den mir gegebenen Möglichkeiten zu machen. Und die waren sicherlich ganz anders als 2016 und 2019: sehr viel anstrengender und herausfordernder, gleichzeitig aber auch unheimlich schön und vielseitig. Seit wir zu viert sind, richte ich mein Training zu 100 Prozent nach dem Rhythmus meiner Kinder und den Zeiten, in denen ich einen Babysitter zur Unterstützung habe. Dadurch trainiere ich oft ohne Pause zwischen den einzelnen Einheiten und bin im Anschluss direkt zurück im Mama-Alltag …
In der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung für Kona hatte ich dann deutlich mehr Freiheiten in der Trainingsgestaltung, da mein Mann zwei Monate Elternzeit genommen hat. Seit Juli konnte ich mir die Tage also fast wie früher einteilen, dadurch meine Trainingsumfänge deutlich erhöhen, sehr viel besser regenerieren und insgesamt einfach fokussierter arbeiten.
Was sich auch geändert hat: In kaum einem Jahr wurde so viel über Hawaii diskutiert wie in diesem. Hat das Rennen für dich immer noch denselben Stellenwert wie vor drei Jahren?
Daniela Bleymehl: Hawaii ist für mich nach wie vor das wichtigste Rennen. Natürlich gibt es beispielsweise mit den Rennen der PTO gute, innovative und spannende Formate für uns Profis, aber deren Bedeutung für unseren Sport muss sich, denke ich, erst noch entwickeln. Hawaii ist und bleibt für mich das Königsrennen.
Man darf den Ironman Hawaii tatsächlich als das größte und wichtigste Race überhaupt verstehen. Als Wettkampf, in dem es gilt, alle nur möglichen Stellschrauben zu drehen.
Was rätst du Agegroupern, die zum ersten Mal dabei sind?
Daniela Bleymehl: Wenn es ein Lebenstraum und eine einmalige Sache ist, auf Hawaii zu starten, dann würde ich das Sportliche eher hinten anstellen. Stattdessen sollte es darum gehen, den Mythos zu (er-)leben – und es als Privileg zu sehen, dabei zu sein. Wenn man zum x-ten Mal startet, Ambitionen und klare sportliche Ziele hat, dann darf man den Ironman Hawaii auch tatsächlich als das größte und wichtigste Rennen überhaupt verstehen, in dem es gilt, alle nur möglichen Stellschrauben zu drehen. Trotzdem sollte man auch dann nicht vergessen, welch großes Privileg es ist, dabei sein zu dürfen. Dass das Rennen diesen besonderen Stellenwert hat, liegt schließlich auch daran, dass es das Ziel eines nicht immer einfachen Weges ist, den man tagtäglich geht, um das Beste aus sich herauszuholen … Das heißt nicht, dass ich morgens aufwache und denke „Alles für Hawaii!“ (lacht). Aber ich will eben in Bestform an der Startlinie stehen – das ist mein täglicher Antrieb.
Tut ein schlechtes Rennen auf Hawaii noch einmal mehr oder anders weh?
Daniela Bleymehl: Zumindest finanziell auf jeden Fall. Sportlich möchte man immer erfolgreich sein, aber es gehören natürlich auch Rückschläge dazu, deshalb würde ich das nicht so schwarz-weiß sehen. Für mich persönlich war der Weg nach Hawaii in diesem Jahr eine sehr große Herausforderung, aber auch eine wahnsinnig intensive Erfahrung. Wenn es nun schlecht laufen sollte, wäre das sehr bitter. Andererseits sehe ich Hawaii auch als ganzheitliches Erlebnis, an und mit dem man wachsen kann. Ich habe nichts zu verlieren, sondern sehe es vielmehr als große Chance. Und die möchte ich nutzen.
Eine Rückfrage aus der Community nach dem ersten Interview war, wie du mit dem schlechten Gewissen deinen Kindern gegenüber umgehst. Gerade dann, wenn aktuell viel Training auf dem Plan steht. Ist das etwas, das dich gerade bewegt?
Daniela Bleymehl: Natürlich bewegt mich das. Ich glaube aber nicht, dass sich das schlechte Gewissen zu dem anderer berufstätiger Mütter unterscheidet. Im Moment fällt es mir beispielsweise sehr schwer, dass ich meinen großen Sohn nur wenig sehe, weil er uns nicht mehr überallhin begleiten kann. Das war im Kindergartenalter deutlich einfacher. Auch das viele Reisen hat als Familie schöne und weniger schöne Seiten …
Im Großen und Ganzen denke ich aber, dass mir meine Berufswahl doch einige Freiheiten mehr bietet als der Job so mancher anderen Mutter – gerade im Alltag. Insofern habe ich einen guten Umgang gefunden und kein schlechtes Gewissen, dass ich arbeiten gehe oder dass ich „trotz“ des Mutterseins meine eigenen Ziele verfolge.
Alle fliegen wegen mir um die Welt, damit ich eine gute Leistung zeigen kann – und umso mehr möchte ich natürlich auch etwas zurückgeben.
Steigt jetzt noch mal der Druck, bald abliefern zu müssen?
Daniela Bleymehl: Gerade, weil meine Familie und mein Umfeld sehr viel investieren und alles auf mich ausgerichtet ist, kann ich nicht abstreiten, dass der Druck steigt. Denn wir alle schmeißen mehr in den Topf als früher. Alle fliegen wegen mir um die Welt, damit ich eine gute Leistung zeigen kann – und umso mehr möchte ich natürlich auch etwas zurückgeben. Ich weiß aber, dass meine Familie mich bedingungslos unterstützt, ganz gleich welches Ergebnis dabei herausspringt. Frei nach dem Motto: „Wer nichts wagt, der nichts gewinnt!“
Aber ist das Investment der Familie nicht auch genauso „part of the job-game“ – ganz so, wie dass du eben für dein Training außer Haus bist?
Daniela Bleymehl: Für mich ist es jedenfalls alles andere als selbstverständlich. Es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass alle an einem Strang ziehen. Und ich bin sehr dankbar zu sehen, wie alle gemeinsam versuchen, die bestmöglichen Bedingungen für mich zu schaffen. Selbstverständlich ist das aber keinesfalls.
Ändert sich dein Gefühl dem Rennen gegenüber erfahrungsgemäß noch einmal?
Daniela Bleymehl: Ich denke sehr oft an 2019 zurück und daran, wie es wohl sein wird, wieder gegen die Besten der Welt anzutreten … und natürlich steigt mit diesen Gedanken nicht nur die Aufregung, sondern auch die Vorfreude! (lacht)
Last call …
Im letzten Update wollen wir zu einem ganz bestimmten Thema mit Daniela Bleymehl sprechen: nämlich zu der Orga, die das „Familienunternehmen Bleymehl“ rund um die WM auf Hawaii betreibt. Gerade dazu erreichen die Profi-Triathletin regelmäßig Fragen. Was wolltest du schon immer dazu von ihr wissen? Schreib es gerne in die Kommentare!
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