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HRV im Triathlon: 7 Fragen und Antworten rund um die Herzfrequenzvariabilität

10. November 2021


HRV Triathlon

Irgendwann macht vermutlich jeder Triathlet mit dem Begriff Herzfrequenzvariabilität Bekanntschaft. Doch was verbirgt sich dahinter? Ist das nur was für Profis? Und muss man seine HRV unbedingt messen, um ein besserer Triathlet zu werden?

Profis tun es und Daten-Freaks sowieso: Sie messen ihre Herzfrequenzvariabilität, auch HRV oder HFV genannt. Klar also, dass auch Altersklassen-Triathleten irgendwann auf den spannenden Parameter stoßen. Denn so unterschiedlich all diese Athleten-Typen auch sein mögen, eint sie zumindest der Wunsch, das Maximum aus ihren Trainingseinheiten rauszuholen. Und zwar ohne sich dabei zu stark zu belasten. Na, erwischt?

Die Frage „Bin ich wirklich bereit für (intensives) Training?“ treibt uns eben alle um. Und bei ihrer Beantwortung kann die HRV helfen – wenn man sie denn zu nutzen weiß. Dazu wurden im Laufe der Jahre viele Daten gesammelt, Auswertungen gemacht, Erklärungsmodelle entworfen. Sie alle hier wiederzugeben, würde den Rahmen sprengen. Das Thema ist, wie so häufig, wahnsinnig komplex. Alles gesagt, ist somit auch in diesem Beitrag sicher nicht.

Vielmehr soll es an dieser Stelle deswegen um alltagsnahe Fragen im Umgang mit der HRV sowie erstes Basis-Wissen gehen. Wer den „Deep-Dive“ wagen will, findet in sportwissenschaftlicher Fachliteratur und auch bei den verlinkten Quellen mehr dazu. Um zunächst ein bisschen Klarheit in den Daten-Nebel zu bringen, fangen wir aber am besten vorne an: mit der Definition.

  • 1. Definition: Was ist die Herzfrequenzvariabilität?

  • Zur Definition: Die Herzfrequenzvariabilität (HRV = Heart Rate Variability) ist ein Messwert zur Ermittlung des Trainingszustands. Sie gibt die Varianz der Dauer zwischen zwei Herzschlägen aus. Denn das Herz schlägt nicht konstant und gleichmäßig, sondern mit leicht variierenden Abständen. Beeinflusst werden diese nicht nur vom körperlichen Belastungszustand, sondern auch von Faktoren wie Schlafqualität, Atmung, der psychischen Belastung oder einer entzündungsfördernden Ernährungsweise – kurzum: von Stressoren im Alltag, nicht nur im Training. Die HRV kann im Rahmen der Trainingssteuerung als objektiver Parameter zur Vermeidung des Übertrainingssyndroms herangezogen werden.

2. Was sagt die HRV aus?

Auf den Punkt gebracht von den Kollegen von „tritime“: „Die HRV beschreibt den Zustand und die Leistungsfähigkeit des Autonomen Nervensystems (ANS).“ Sie sagt somit vor allem etwas über den Teil des Nervensystems aus, der eben nicht bewusst und mit eigenem Willen gesteuert werden kann. Anders ausgedrückt: So sehr wir uns auch einreden, fit zu sein, lässt sich das ANS – und damit auch dessen beiden Zweige (sympathisch und parasympathisch), die gleichmäßig aktiv sein sollten – davon nicht beirren. Die tatsächliche, physiologische Leistungsfähigkeit kann also viel geringer sein, auch wenn wir uns mental bereit fühlen.

Genau hier kommt die HRV ins Spiel: als „System, um Regeneration, Stress und ‚Readiness‘ objektiv zu messen“, wie Triathlon-Coach Mario Schmidt-Wendling erläutert. Als objektiver Parameter kann sie ein Anhaltspunkt für die Trainingsgestaltung des Tages (siehe unten) sein. Außerdem sei an dieser Stelle auf die Aussagekraft der HRV über die Herzgesundheit verwiesen: „Die verminderte HRV weist auf eine gesteigerte Gefährdung nach Herzinfarkt durch den plötzlichen Herztod hin wie auch auf eine erhöhte Mortalität“, wird beispielsweise in der Online-Ausgabe des Deutschen Ärzteblatts erläutert.

3. Wie messe ich die HRV?

Regel Nummer eins: Die HRV-Messung (auch HFV-Stresstest) sollte jeden Tag und etwa zur selben Zeit erfolgen. Dahingehend sind sich alle Messungen ähnlich. Außerdem sollte vor dem Training, also möglichst morgens sowie vor dem ersten Kaffee gemessen werden. Sonst wird nicht nur die Herzfrequenz (HR) in die Höhe getrieben, sondern auch die Varianz verringert. Zur Messung stehen nicht nur EKG-Geräte zur Wahl, sondern längst auch Gadgets wie Apps und Smartwatches.

Tests mit einem oder zwei Messpunkten
Zur Messung der HRV gibt es verschiedene Methoden (z.B. orthostatische Tests bei Polar). Die Mess-Designs reichen von 2×3 Minuten, wovon einmal liegend und einmal stehend gemessen wird, über 3 Minuten ausschließlich liegend, direkt nach dem Aufwachen, bis hin zu einer ausschließlich stillstehend erfolgten Rechnung. Zudem kann es nötig sein, einen kompatiblen Brustgurt anzulegen, da die Messung über das Handgelenk mitunter nicht ausreicht. Das hängt allerdings vom Endgerät ab. Letzteres gibt das Testdesign in der Regel vor, es muss also bloß den Anweisungen auf dem Display gefolgt werden. Beispiele bei Garmin: Bei der Forerunner 945 soll drei Minuten stillgestanden werden, bei der Venu 2 wird die HFV auch über die Funktion Health Snapshot abgebildet.

Tests mit mehr als zwei Messpunkten
Es gibt je nach Gerät auch die Möglichkeit, mehrere Messpunkte im Laufe der Nacht heranzuziehen. Darauf basierend wird dann auch die Schlafqualität und somit der Erholungszustand ausgegeben.

Stresstests
Ausgegeben wird bei Wearables (z.B. Garmin) allerdings nicht unbedingt der absolute Varianzwert, sondern basierend auf der HRV ein Wert zwischen 1 (sehr geringe Belastung) und 100 (sehr hohe Belastung). Auf dieser Skala soll dann die Erschöpfung abbildbar sein.

Verfälschen kann all das dann aber doch der mentale Aspekt. Ja, richtig gelesen: So objektiv die HRV auch ist, so schnell lässt sie sich durch Aufregung ja auch beeinflussen. „In Ruhe“ zu messen, ist tatsächlich nicht immer so einfach, wie’s klingt. Wetten, dass es beim ersten Mal unweigerlich zu Herzklopfen führt, die HRV-Messung zu starten …? Auch locker zu bleiben und sich eben nicht auf die Messung zu konzentrieren, will eben gelernt sein.

4. Welche HRV-Werte sind normal?

Als Faustregel gilt: Je höher die HRV ist, also die Varianz zwischen den Herzschlägen, desto weniger Stress liegt vor, desto erholter ist man – und desto eher ist man auch bereit, sich wieder zu belasten. Allerdings ist die Aussagekraft eines einzelnen Werts begrenzt. Kurzum: Über den HRV-Wert die Frage beantworten zu können, ob man wirklich fit genug ist, um bei der anstehenden Intervalleinheit „all out“ zu gehen, ist das Ergebnis reiner Fleißarbeit. Denn die Varianz braucht für ihre Aussagekraft mehr als ein, zwei Datensätze – auch, weil sie sensibel auf selbst kleinste Einflüsse reagiert.

Da sie außerdem von zahlreichen individuellen Faktoren beeinflusst wird, wie Alter, Geschlecht, Trainingszustand, sind Normwerte schwer definierbar. Daten von App-Anbietern können allerdings eine Hilfestellung sein, wie eine Auswertung der Elite HRV App zeigt: Basierend auf Daten von rund 25.000 Nutzern (mehr als eine Morgen-Messung) konnte ein Durchschnittswert von 59,3 angegeben werden.

Aber Achtung: Als Richtwert, um sich dementsprechend einzuordnen, mag das vielleicht hilfreich sein. Es kann allerdings auch zu Fehlinterpretationen beitragen. Denn wie gesagt, die HRV muss im Kontext der persönlichen Durchschnittswerte betrachtet werden und am eigenen Messdurchschnitt entlang interpretiert werden. Verlässlicher kann es sein, die Daten nicht nur über einen Zeitraum, sondern auch mit Hilfe eines Trainers zu interpretieren. Mit ihm sollten die Daten ohnehin geteilt werden, da er sie zur Trainingsplanung und auch zur Athletenberatung als objektiven Parameter heranziehen kann.

5. Was beeinflusst die Herzfrequenzvariabilität?

Allerdings ist auch HRV von Drittvariablen beeinflusst, wie der Anbieter Elite selbst zu bedenken gibt: „Unsere User repräsentieren nicht unbedingt die Allgemeinheit. Als Profi- und Hobby-Athleten haben sie generell eine höhere HRV im Vergleich zu den Probanden in klinischen Studien.“ Für Altersklassen-Triathleten kann das Ergebnis genau deswegen dennoch ein erster Anhaltspunkt haben, denn auch sie sind bekanntlich eher sportlich aktiv. Konstantes Training ist somit ein Faktor, der die HRV in ihrer Ausprägung beeinflusst – zum Positiven.

Auch das Alter ist zudem als Einflussfaktor hervorzuheben, allerdings eher negativ. Denn Studien zeigen, dass die HRV mit steigendem Alter eher sinkt. Liegt sie bei Männern zwischen 18 und 25 in der Elite-Datenanalyse noch bei 68,68, schrumpft sie bei den 55-Jährigen auf 52,66. Plus: Auch der HRV-Wert von Frauen ist im Vergleich zu den von Männern eher niedriger. Allerdings gibt es zu Frauen auch weniger Daten (13,6 Prozent Frauen vs. 86,4 Prozent Männer!).

6. Wie nutze ich die HRV zur Trainingssteuerung?

„Die Integration der HRV-Messung ins Triathlon-Training und die tagesgenaue Einschätzung des Athleten kann man als den Porsche unter den Trainingsplankonzepten bezeichnen“, bringt es Triathlon-Trainer Mario Schmidt- Wendling auf den Punkt. Zur Erinnerung: Es ist vor allem die Frage „Bin ich wirklich bereit für eine (intensive) Belastung?“ steht im Fokus der Trainingssteuerung per HRV.

Bedeutet: Liegt die HRV in einem Wertbereich, der für einen einen erholten Zustand spricht, kann auch intensiv trainiert werden. Ist der Wert zu niedrig, könnte das nicht nur die Erklärung für ein gewisses Müdigkeitsgefühl sein, sondern auch ein Zeichen dafür, das Training entsprechend anzupassen – und statt auf HIT doch eher auf LIT zu setzen. Oder es eben auf die Yoga-Matte, statt auf Zwift gehen sollte.

7. Muss ich die HRV unbedingt messen?

„Alles kann, nichts muss!“: Gilt dieser Leitsatz auch in puncto HRV? Sicher, ob man den Parameter als verlässlichen Faktor heranziehen möchte, ist eine individuelle Entscheidung. Fakt ist aber, dass es in Zeiten von Wearables und den bekannten „Trainern am Handgelenk“ nie einfacher war, die HRV zu messen – und dass es nur 3 Minuten Zeit kostet, die sich schnell als morgendliche Routine etablieren lassen.

  • Begriffe rund um die Herzfrequenzvariabilität (HRV)

  • Herzfrequenz (HR): Angabe der Anzahl der Herzschläge (pro Minute)
    Maximale Herzfrequenz (HFmax): Indikator im Rahmen der Ausbelastung, der angibt, wie hoch der Herzfrequenzwert unter größtmöglicher Anstrengung sein kann. Von der HFmax aus lassen sich die Trainingsbereiche/-zonen für das Training per Pulsmessung ableiten.
    Autonomes Nervensystem (ANS): Der unwillkürliche und somit nicht bewusst beeinflussbare Teil des Nervensystems, der unter anderem das Herz steuert. Das ANS besteht aus zwei Zweigen, dem parasympathischen und dem sympathischen.
    Parasympathikus: Dieser Zweig ist aktiver, wenn wir entspannt sind: Die HR sinkt, die HRV steigt, wir sind erholter und somit (wieder) belastbarer.
    Sympathikus: Dieser Zweig des ANS ist aktiver, wenn wir unter Stress stehen: Die HR steigt, die HRV sinkt, wir sind weniger belastbar.
    Übertraining: Beschreibt einen Zustand (auch: Syndrom), in dem die Leistungsfähigkeit trotz Maßnahmen zur Regeneration und Erholung nachlässt.
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2 Kommentare

  1. Ich teste auch mehrfach die HRV Messung. Dazu hatte ich als Setup einen Brustgurt von Garmin. Für mich ist das System mit dem Setup nicht verwendbar. Durch einen sehr niedrigen Ruhepuls (30-35 Schläge/Minute tagsüber und Nachts bis auf 25) bekomme ich oft keine Messung oder bei mehrfacher Messung direkt nacheinander stark abweichende Werte. Ich teste immer wieder gerne einmal, sollte jemand ein Setup haben, was auch diesen Puls akzeptiert, freue ich mich auf die Informationen.