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Sind Triathleten Freaks?

30. November 2023


Allgäu Triathlon 2022

Wer Triathlon betreibt, weiß: Irgendwo zwischen Verwunderung, Begeisterung, Ungläubigkeit und Kopfschütteln liegen die üblichen Reaktionen, die man für diese Passion von anderen erntet. Vor allem von jenen, die mit dem Sport nichts anfangen können. Aber sind nun wir die Freaks oder die anderen? Ein (Außen-)Blick auf das, was Triathletinnen und Triathleten auszeichnet. Vielleicht. (Text: Lena; Bild: 808project/Allgäu Triathlon Chris Gollhofer)

Freitagnachmittag, Yoga-Kurs im Fitnessstudio, irgendwo bei München. Es ist ein bunter Haufen, der sich zu diesem Anlass zusammengefunden hat. Seniorinnen und Senioren, Großstadt-Heldinnen und -Helden, geinfluencte Fitnesshungrige in der Yoga-Kollektion der aktuellen Insta-Hype-Brand. München halt. Alle rollen ihre Yogamatten aus, setzen sich entspannt im Schneidersitz hin, kommen zur Ruhe, kommen an – was man halt so macht. Nur einer fällt auf. In überaus motivierten Bewegungen kreiselt er die Arme und Schultern, macht die Beine locker, bewegt den Kopf von rechts nach links. Wie’s im Trainingsbuche steht, dehnt er den Hüftbeuger auf. Leute, sogar ein Hampelmann ist drin! Und bei genauerem Hinsehen erkenne ich schließlich, was auf dem Rücken seines Shirts steht: Challenge Roth Finisher.

Ein Freak musst du sein!

Ich schmunzele in mich hinein und begebe mich in den ersten Flow. Dass Triathletinnen und Triathleten eine Spezies für sich sind, wissen wir ja selbst nur zu gut. Wir erkennen einander entweder blind an den Smalltalk-Themen oder unübersehbar am Finisher-Shirt, Ironman-Rucksack oder den bunten Socken zu noch bunteren Laufschuhen im Alltag. Trägt sonst kein Mensch.

Und auch wenn ich an diesem Freitag weder übertriebene Dehnübungen vor der wirklich relaxten Yoga-Session mache und meine Vans generell den Laufschuhen vorziehe: Allein beim Lesen der Worte „Challenge Roth“ kommen Bilder, Emotionen, Erinnerungen an fantastische Event-Tage in mir auf. Auch ohne Finisher-Shirt und Körperfettanteil im einstelligen Bereich gehöre ich eben zu dieser Spezies. Und auch wenn man den Typen im Kurs und mich nun wirklich nicht in eine Schublade stecken würde, lässt es sich nicht leugnen: Wir sind beide Freaks.

Das gilt zumindest, wenn es nach Leuten in meinem Umfeld geht. Auch im allernächsten Umfeld. „Triathleten sind solche Freaks!“, befindet regelmäßig mein Freund, der so gar nicht mit dem Triathlonvirus infiziert und eher auf dem Mountainbike anzutreffen ist. Und wenn man nicht gerade im Sumpf aus Wattwerten, Trainingsplan und Startplatz-Wahnsinn steckt, also etwas Abstand zu all dem hat, kann man diesen Eindruck tatsächlich auch selbst gewinnen. Hände hoch, wem dieser Satz auch schon um die Ohren geflogen ist …!?

Freaks 2.0

Aber Moment mal: Was ist das eigentlich, ein Freak? Und ist das was Gutes oder Schlechtes? Der Duden definiert Freak in zwei Versionen. Definition eins liegt auf der Hand – und dürfte schnell bejaht werden können: „Jemand, der sich in übertriebener Weise für etwas begeistert“. Als Triathletinnen und Triathleten können wir da fix einen Haken setzen. Drei Sportarten, unendlich viele Trainingsstunden, ständig neue Entwicklungen im Sport, Materialschlachten in den Wechselzonen dieser Welt – ja, man muss sich schon übertrieben für den Triathlon begeistern können, um da mitmachen zu wollen. Freiwillig. Check!

Allgäu Triathlon
Zeitgeist beim Allgäu Triathlon? Das Bild ist der Beweis. (Bild: 808project)

Die zweite Duden-Definition des Wortes „Freak“ lässt doch etwas mehr gedanklichen Spielraum. Demnach ist ein Freak nämlich eine „Person, die sich nicht ins normale bürgerliche Leben einfügt, die ihre gesellschaftlichen Bindungen aufgegeben hat, um frei zu sein“. Interessant. Ist Triathlon – trotz aller Datenunterwürfigkeit, allem Verzicht von Alkohol bis hin zu echter Freizeit – am Ende nun doch der Sport für die Nonkonformisten, die Individualisten und Freiheitssuchenden dieser Welt? Die Definition gefällt mir.

Freakigkeit trifft Lässigkeit

Sie gefällt mir vor allem deswegen, weil sie die Zeitgeistigkeit des Triathlons unterstreicht. Unser Sport ist nicht nur immens gewachsen, er hat sich auch verändert. Tätowierte Astralkörper an Startlinien, neue Event-Formate mit Einflüssen aus anderen Sportarten, eine nächste Generation, die keinen Bock auf Spießigkeit oder zu viel Ernsthaftigkeit hat und die Taktgebung im Szeneorchester übernimmt … es tut sich viel vom Allgäu bis nach Hamburg.

Und wenn wir ganz ehrlich sind: Auch wenn der Triathlon gewachsen ist, so ist er eines heute wie damals – nämlich ein Auffangbecken für all jene, die in die üblichen Sportartmuster, den Mainstream zwischen Fußball und Fitnessstudio, nicht so recht reinpassen wollen. So gesehen eben: für Freaks.

Am Ende der Yoga-Session rolle ich meine Matte zusammen und bringe die Korkblöcke pflichtbewusst zurück zur Sammelstelle. Als ich auf dem Weg an dem Typen im Finisher-Shirt vorbeilaufe, lächele ich ihn an und nicke wohlwollend zu. Er guckt mich irritiert an, klemmt sich die Matte unter den Arm und geht fokussierten Schrittes in Richtung Tür. Verdammt, jetzt hält er mich vermutlich für verrückt. Hätte ich heut doch bloß nicht das Shirt von dieser aktuellen Insta-Hype-Brand angezogen …

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5 Kommentare

  1. Triathleten sollten heute vor allen Dingen gut verdienen. Unverschämte 100.00 Euro für eine Sprintdistanz sind ja nicht mehr ungewöhnlich.

  2. DANKE, Simon! Werde ich ja glatt rot – wirklich, das bedeutet mir ganz viel.

    Liebe Grüße
    Lena

  3. Da ist was dran. Vielleicht aber auch ein Beweis für die allgemeine Freakigkeit … 😉

    Liebe Grüße
    Lena

  4. Ein toller Artikel, der es auf den Punkt bringt und in dem ich mich zu 100% wiederfinde! Vielen Dank dafür!