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Sport zwischen Druck und Leistung: „Manchmal braucht der Kopf eine Pause“

30. Juni 2021


Katrina Matthews Ironman Tulsa

Katrina Matthews hat in den vergangenen Wochen nicht nur mit ihrer Performance beim Ironman Tulsa für Aufsehen gesorgt, sondern auch mit einem Post über die Schere zwischen Optik und Leistungsvermutung. Die britische Langdistanz-Athletin über Zweifel und Balance.

„Sollte es so verwirrend sein? Dass man gut laufen kann, aber nicht ,wie ein Läufer aussieht‘? Nein, aber für viele ist das so … sogar manchmal für mich.“

Mit diesen Worten beginnt der mit über 5.800 Herzchen meist gelikte Instagram-Post der britischen Profi-Triathletin Katrina Matthews. Sie kritisiert darin, dass oft erst einmal aufgrund der Optik Rückschlüsse auf die Leistung gezogen werden. Auch bei ihr.

Dass Kat Matthews manchmal an sich zweifelt, mag man kaum glauben. Schließlich ist sie beim Ironman Tulsa im Mai dieses Jahres den Marathon in 2:49 Stunden gelaufen, eine der drei schnellsten Frauen, die es im Laufen auf dieser Distanz je gab.

Sie hat die Nerven behalten, als sie vier Minuten hinter der Spitze aus dem Wasser rannte, und als sie eine fünfminütige Zeitstrafe auf dem Bike bekam. Wenn jemand seinen Kopf im Griff hat, dann sie, oder? Nein. Zumindest nicht immer. Denn:

„Schon mein ganzes Leben lang, und auch heute noch, akzeptiere ich meinen Körper mal mehr, mal weniger“, gibt sie offen zu, fügt aber an, dass sie „das ganz normal“ findet. Für sie ist das Körperbild, genau wie das psychische Wohlbefinden, eine Art Skala, auf der man hoch- und runterwandert.

Ausgeglichenheit als Leistungs-Booster

Der Wechsel zwischen Selbstvertrauen und gelegentlichem Zweifeln (oder besser: kritischer Selbstbeobachtung) passt genau dazu, wie die 30-jährigen Britin versucht, sich durchs sportliche und das Leben generell zu bewegen: in Balance.

„Mal einen Schritt zurückgehen, durchatmen und aufs große Ganze schauen“ hilft ihr, es nicht zu übertreiben. Im Training nicht und auch nicht im Leben abseits des Sports. „Man muss physisch im Gleichgewicht bleiben, damit man nicht ins Übertraining gerät und der Körper sich erholen und anpassen kann. Und auch der Kopf braucht manchmal eine Pause“, hat sie gelernt.

Sie ist überzeugt, dass sie eine umso bessere Athletin ist, je ausgeglichener sie sich fühlt. Das zeigt sich in verschiedenen Lebensbereichen. So findet sie es beispielsweise gleichermaßen wichtig, das „Jetzt“ zu wertschätzen, sich gleichzeitig aber Ziele für die Zukunft zu setzen, wie sie nach dem Ironman Florida Ende 2020 sagte, den sie mit neuem Streckenrekord in 8:40.50 Stunden gewann.

Verzicht ist Kopfsache

So handhabte sie es auch nach ihrem zweiten Platz beim Ironman in Tulsa, hinter Sieg-Abonnentin Daniela Ryf: In den ersten Wochen nach dem Rennen ließ sie es locker angehen. Statt Trainingsbildern gab es in den Instagram-Storys Fotos von leckeren, aber nicht unbedingt athletisch-asketischen, Lebensmitteln und auch dem einen oder anderen alkoholischen Getränk.

Dann packte sie das Sportfieber wieder und sie meldete sich spontan für den Ironman Bolton an – mit nur knapp vier Wochen Vorlauf. Ab da hieß es wieder: Äpfel essen (gern auch im Sattel ihres ersten Triathlon-Stahlrenners, mit dem es jetzt nur noch ins Schwimmbad geht) und Intervalle auf der Rolle kloppen. Einschränkung oder Verzicht bedeutet ein solcher Umschwung für sie nicht.

„Verzicht ist für mich nichts Reales, sondern ein Gefühl. Etwas, das ich nur empfinde, wenn ich es mir einrede. Ich habe mich für den Triathlon entschieden und für den Lebensstil, den er mit sich bringt. Wenn ich mehr essen, trinken und Party machen wollte, würde ich mir einen anderen Job suchen“, sagt Kat Matthews und fügt mit einem Augenzwinkern an: „Nicht, dass mir das manchmal nicht durch den Kopf ginge, vor allem, wenn es um große Feiern geht …“

Feiern, lächeln und aufs Podium

Zumindest sich und ihren Sport im Kleinen feiern kann sie ohnehin auch im Wettkampf. Sie möchte Rennen gewinnen, natürlich. Immer gehe sie gut vorbereitet an den Start, sagt Kat. Immer mit einem Haupt- und mehreren Alternativplänen, um auch dann noch fokussiert zu bleiben, wenn etwas schiefläuft.

Aber sie möchte auch Spaß haben im Rennen. „Ich glaube, ich bike und laufe besser, wenn ich mit den Zuschauern ein bisschen persönlichen Austausch habe. Ich weiß es zu schätzen, dass sie mich anfeuern. Da ist es doch das Mindeste, dass ich ihnen dafür ein Lachen schenke“, erklärt die Profisportlerin.

In Kat Matthews Augen ist das eine Win-Win-Situation: Die Zuschauer bekommen ein Lächeln, sie selbst ist schneller und glücklicher unterwegs, trotz Müdigkeit. Einen Beleg dafür, dass das Prinzip aufgeht, lieferte sie im Mai in Tulsa: als sie mit ihrem Ehemann Mark, der beim Marathon an der Strecke stand, lachte und grimassierte. Sie lief eine Pace von 4:00.

Gemeinschaft als Motivator

Überhaupt, andere Menschen. Sie um sich zu haben, ist der Britin wichtig. Immer noch ist sie Mitglied der britischen Armee, seit mittlerweile sechs Jahren. Als Vollzeit-Physiotherapeutin, wie noch 2018, arbeitet sie dort zwar nicht mehr, doch sie schätzt die Kameradschaft: „Wenn es einmal hart wird, weiß ich, dass ich Teil einer großen Gemeinschaft bin, und das motiviert mich“, erzählt sie.

Dass sie sportlich nicht nur gut durch die pandemiebedingt schwierigen letzten Monate gekommen ist, sondern sich sogar noch einmal gesteigert hat, liegt gewiss an ihren Trainern: Damo Littlewood von Tri 1st Coaching bis Ende 2020, Björn Geesmann, der auch Ironman-Doppelweltmeister Patrick Lange coacht, seit Anfang dieses Jahres.

Mit Sicherheit spielt es aber auch eine Rolle, dass sie zwar so normal wie möglich weitertrainierte, jedoch auch zugelassen hat, zu fühlen, dass gerade eben nicht alles normal ist.

„Jeder trägt Chaos und Ordnung in sich. Die beiden sind eine fließende Verbindung. 2020 habe ich akzeptiert, dass es mich eher auf die Chaos-Seite zieht. Wie jeder andere auch, war ich raus aus meiner Komfortzone. Aber ich habe mich bemüht, gerade so viel Ordnung in Form von Trainingsstruktur, virtuellem Socialising und kontrollierbaren Zielen zu erhalten, um in Balance zu bleiben und weiterzukommen.“ Und wie viel weiter sie noch kommen wird, darauf dürfen wir gespannt sein.

 

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