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Feucht fröhlich: Als Triathlet im öffentlichen Badebetrieb

23. Februar 2021


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Schwimmen, da war doch mal was. Für viele Triathleten ist das Schwimmen nicht viel mehr als ein nötiges Übel. Ich bin sicher: Zum Teil liegt das an den nervenraubenden Trainingseinheiten im öffentlichen Badebetrieb. Wer vermisst sie nicht? Was hat man da nicht alles schon erlebt?

Meine bitterschönsten Erlebnisse kennen die meisten von euch wahrscheinlich auch aus eigener Erfahrung. Gerade deshalb macht es so viel Spaß darüber zu schreiben. Geteiltes Leid ist bekanntlich halbes Leid.

Wer erinnert sich an die Zeiten im Schwimmbad, Puls auf 180? Ich hänge am Beckenrand und stecke mitten in einer Serie von 50-Meter-Intervallen, als das Unheil seinen Lauf nimmt. Noch 19 Sekunden Pause. Eine Frau mittleren Alters marschiert Schnurstraks Richtung Schnellschwimmbahn. Man muss sich das mal vorstellen: Die Dame kam schon mit Badekappe auf dem Kopf und Schwimmbrille auf dem Gesicht aus der Umkleidekabine.

Wer macht denn sowas?

Noch 8 Sekunden Pause. Als ich die Frau erspähe, drücke ich mir selbst fest die Daumen, dass sie bitte, bitte nicht auf meine Bahn kommen möge. Spontan entschließe ich, meine Pause um einige Sekunden zu verkürzen und extra nochmal eine Schippe draufzulegen. Ein letzter Funken Hoffnung quasi!

Ich lege los und bin nach 50 Metern – und 32 Sekunden – wieder am Beckenrand. Ich bin mir sicher, dass das eindrucksvoll genug gewesen sein muss, um die Badekappenfrau davon abzuhalten, was längst nicht mehr zu verhindern ist: Natürlich klettert sie direkt neben mir ins Wasser.

Noch 16 Sekunden Pause. Sie würdigt mich und die anderen Schwimmer keines Blickes, es gibt kein kurzes „Hallo“, ihr ganzer Auftritt steckt voller Ignoranz und Arroganz. Noch 7 Sekunden Pause. Ich schüttle noch dezent den Kopf, während ich immer noch nach Luft schnappe und mein Blick Richtung Uhr wandert: Noch vier, drei, zwe… da schwimmt die Badekappe los. Alter!

Ungläubigkeit am Beckenrand

Natürlich schon etwas länger her, aber unvergessen: Bereits während ich schwimme, registriere ich einen Badegast, der mir äußerst genervt erscheint. Liegt es an mir? Es liegt an mir. Denn jedes Mal wenn wir uns entgegenkommen, zieht er ein kleines Stück in meine Richtung und vergrößert den Radius seines Brustarmzugs- und -beinschlags um eine beachtliche Weite.

Ich finde das natürlich nicht super geil, aber lasse mich nicht provozieren. Der verstärkte Kraulbeinschlag und der aggressivere Einsatz meiner Arme, wenn ich ihn überhole, hat rein gar nichts damit zu tun. Ich habe das gute Gefühl, dass sich zwischen uns so etwas wie eine Hassfreundschaft entwickelt und verspüre eine gewisse Leere, als sich der Mann schlagartig verzieht.

Das Gefühl währt nicht lange, denn schon bei meiner nächsten Wende ist er wieder da – und zwar in Begleitung des Bademeisters. „Ja, der da,“ sagt der Genervte und fuchtelt dabei mit seinen Armen. Verdutzt schaue ich den Bademeister an und bevor ich fragen kann, was denn los sei, erklärt dieser mir: „Sie spritzen zu stark mit dem Wasser, wenn sie schwimmen. Der Herr hat sich beschwert, dass er nass wird, wenn sie aneinander vorbei schwimmen.“

Ich bringe nicht viel mehr als ein „Äh…“ hervor und wundere mich darüber, dass sich Leute darüber beschweren, wenn sie im Schwimmbad nass werden.

Der Bademeister nickt mehrfach und gibt mir mit seinem Blick zu verstehen, dass ich jetzt einfach am besten gar nichts sage. Er dreht sich um und geht, mein Hassfreund schaut mich noch kopfschüttelnd an und geht dann duschen. Ich schaue mich kurz um und lasse mir diese vollkommen abstruse Situation nochmal durch den Kopf gehen, bevor ich mein Training fortsetze.

Als ich aus dem Becken klettere und Richtung Dusche marschiere werde ich vom Bademeister eingeholt: „Machen Sie sich keine Gedanken. Der Herr beschwert sich jeden Tag – und wenn wir nichts unternehmen, schreibt er Briefe an den Chef.“ Arme Sau, der Bademeister. Arme Sau, dieser Badegast.

Immer schön freundlich bleiben

Last but not least. Grundsätzlich bin ich immer freundlich, wenn andere Schwimmer mich am Beckenrand anquatschen. Ein kleines Pläuschchen hat noch nie geschadet und so kommt man von Zeit zu Zeit auch mit den unterschiedlichsten Typen ins Gespräch. Meistens ist es aber nicht viel mehr als ein: „Wie lange schwimmst Du schon?“ oder „Du schwimmst aber auch ganz schön fix“, dann tauscht man sich noch kurz ein bisschen über seine Erfahrungen aus, wünscht sich viel Spaß weiterhin und danach macht jeder weiter sein Ding.

Ein einziges Mal ist es mir bisher allerdings passiert, dass es andere Ausmaße angenommen hat: Ich sah, kurz bevor ich zur Rollwende ansetzen wollte, wie mich ein Badegast zum Anhalten bewegen wollte. Ich stoppte und war irgendwie erstaunt über Folgendes: „Entschuldigen sie, dass ich sie kurz anhalte. Aber ich habe gesehen, dass sie die Wende immer so machen.“ Dabei kreiste er seine Hände umeinander und macht eine kurze Pause bevor er sagte: „Ja, ich finde das sieht ganz toll aus.“ Nettes Kompliment, dachte ich bei mir, bedankte mich und setzte mein Training fort.

50 Meter später, kurz vor der Rollwende wurde mir wieder unter Wasser das Zeichen gegeben zu stoppen. Ich hielt an und schenkte dem werten Herren erneut meine Aufmerksamkeit: „Ja, also es tut mir wirklich leid, sie trainieren ja hier bestimmt für irgendetwas. Aber da muss ich sie jetzt auch mal fragen: Wofür denn eigentlich?“ Ich sagte, ich sei Triathlet und schwamm weiter, ohne Zeit für eine Anschlussfrage zu lassen.

Nun dauerte es 75 Meter, bis der Mann wieder wollte, dass ich am Beckenrand Halt mache. „Was denn?“, entfuhr es mir dann doch etwas schärfer, als eigentlich gewollt, aber ich war ja zum Trainieren dort und nicht zum Quatschen. „Ein Bekannter von mir macht auch Triathlon, vielleicht kennen sie den ja“, erklärte mir der Tratschonkel.

Klar. Alle Triathleten kennen sich. Genau wie jeder Fußballer jeden Fußballer kennt und jeder Gitarrenspieler jeden Gitarrenspieler.

„Ich glaube nicht“, sagte ich und zog den Rest meines Plans ohne weiteren Zwischenstopp durch. Einige Tage später, erneut im Schwimmbad, traf ich einen Triathleten, mit dem ich schon häufiger die Bahn geteilt hatte. Wir grüßten uns und während einer gemeinsamen Pause am Beckenrand sagte er: „Ein Bekannter hat Dich letztens im Schwimmbad getroffen. Ein tattoowierter Triathlet, das warst doch bestimmt Du. Ihr habt euch so nett unterhalten, meinte er.“ Ich schmunzelte in mich hinein und nickte: „Stimmt, war nett.“

Unser Sport und unser Training schreibt Geschichten und macht Erinnerungen. Das ist doch das Schöne. Ich freue mich schon auf die nächsten Trainingseinheiten im öffentlichen Badebetrieb, wann auch immer es so weit sein mag!

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12 Kommentare

  1. Hallo Jan, ich habe bei meinem Trainingseinheiten im öffentlichen Schwimmbad auch viele genervte Rentner begleitet. Ich hatte das Gefühl, dass einige Schwimmer gewissen Besitzansprüche durchsetzen mussten. Seit einem Jahr habe ich aber die für mich ideale Lösung gefunden. Ich habe mich einem Tauchverein angeschlossen. Die Kollegen haben für ca. 2 Stunden die Woche ein öffentliches Schwimmbad. Hatte mal gefragt ob es störend ist wenn sie tauchen und ich oben drüber meine Bahnen ziehe. Ganz im Gegenteil, die waren froh dass einer mehr im Becken war. Kosten: Jahresbeitrag des Vereins

  2. Na? Auch mal schön aus der Sicht des Triathleten zu sehen. Ich schwimme gerade regelmäßig und lange und hab auch reichlich Erfahrung mit Mitschwimmern. Speziell mit Triathleten. Und logischer Weise gibt es da auch solche und solche. Bestes Beispiel diese Woche. Erster Tag Haifischbecken! Triathlet zieh ganz nah vorbei und scherrt viel zu früh ein. Keine Rücksicht beim Überholen! Andere schnelle Schwimmer im übrigen auch! Am liebsten hätte ich denen gesagt: geht in den Verein und Ihr könnt auf den Bahnen neben an wie Profis schwimmen. Zweiter Tag: Schwarmschwimmen! Sehr geile Rücksichtnahme von allen und jeder überholt mit Respekt und Umsicht. So konnte jeder konzentriert sein Ding schwimmen. Was gar nicht geht sind Brustschwimmer auf der extra reservierten Sportbahn. Um es nochmal klar zu sagen: es sind nicht nur die Triathleten die rücksichtslos schwimmen, sondern eine bestimmte Sorte Schwimmer, die meinen sie wären die Schnellsten, Besten, Coolsten! Nervt so was, gerade auf so engem Raum. Die Lösung mit dem Tauchverein ist natürlich genial, das haste auch noch was zu gucken unter Wasser! 😉 Liebe Grüße. Ansgar

  3. Im Sommer im Freibad haben sich mal zwei Omis als es anfing zu regnen Lidl Tüten auf den Kopf gezogen… Da war eine Show… Leider ist auch bei uns oft Rücken altdeutsch auf der Sportbahn anzutreffen… Aber richtig Stress gab’s nie…

  4. Ich kenne die Lösung für dieses Problem. Am Sportcamp Woferlgut gibt es zwei 50Meter Indoor Wettkampfschwimmbahnen, welche ausschliesslich für Trainierer vorgesehen sind. Übrigens die einzige private indoor 50Meter Bahnen in Europa. http://www.sportcamp.at
    Herzliche Grüsse aus dem kleinen Paradies!

  5. Mein Mann erzählt mir auch immer viele Geschichten, nachdem er von seinem Training im Schwimmbad nach Hause kommt. Schon oft sind ihm ältere Frauen in die Schnellschwimmbahn dazwischen gekommen, ohne zu Fragen, einfach so. Das kann einen ganz schön nervös machen. Aber es stimmt, dass alle Triathleten sich kennen und dieser Sport Geschichten und Erinnerungen bringt. Mein Mann ist auch immer zu allen freundlich und nimmt sich auch mal Zeit für ein kurzes Pläuschchen am Beckenrand. Letzte Woche gab es im Schwimmbad ein Problem mit der Wärmepumpe und dies wurde geschlossen bis ein Installateur kam und die Reparaturarbeiten durchgeführt hat. Als Triathlet freut man sich mit so etwas gar nicht, oder? Danke!

  6. Hallo,
    Ich schwimme in Magdeburg und wir haben einen Kanu oä Olympiastützpunkt und hatten den glaube ich schon immer. Irgendwann hat mich mal ein älterer Herr beim schwimmen angequatscht er hat ua erzählt das er für oben genannte Sportart bei Olympia gestattet ist aber jetzt ist er 84(ca) und hält sich nur noch mit schwimmen fit.

  7. Das ist der beste Beitrag zum Thema Schwimmtraining in der Halle ever! Ich musste ihn mehrmals lesen, weil ich mich so erkannt fühlte! Danke dafür, einfach grandios! Mit 🏊Gruß, Longdistancelady Estefania.

  8. Ach, das erlebe ich auch regelmässig, gut geschildert. Ich sehe es als Verantwortung der Bademeister an, dass sie die Sportbahnen frei halten von den Blümchenpflückern, die manchmal auch am Beckenrand rumhängen und somit verhindern, dass ich eine vernünftige Wende machen kann. Aber da traut sich keiner von den Bademeistern ran, denn das würde Ärger bedeuten. Meine Erfahrung ist auch einfach raufhalten und durchschwimmen.

  9. Meine schönste Erfahrung mit den Badegästen fand statt, als ich mal wieder einen anstrengenden Trainingsplan zu schwimmen hatte und eine Frauengruppe es für sinnvoll empfand zu dritt im Oma-Style neben einander zu schwimmen (in einem kleinen 25m Becken). Da ich zuerst da war und extra schon ganz am Rand geschwommen bin, konnte ich leider nicht noch mehr Platz machen. Anscheinend fühlten die Damen sich irgendwann so sehr bei ihrem Kaffeeklatsch von mir gestört (bestimmt aufgrund der paar Tropfen, die ihre Frisuren abbekamen) , dass sie es für nötig empfunden, meinen am Rand liegenden Trainingsplan in kleine Stücke zu schreddern. Angesprochen haben sie mich vorher natürlich nicht.