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Best of Bocki #54 – Noch 2 Wochen bis zum Marathon: Die Frage nach dem Sinn

13. April 2020



Je näher der Marathon rückt, desto unnötiger kommt mir diese ganze Aktion vor. Das Unterfangen, den Marathon nach der Corona-Absage auf eigene Faust zu rennen und dabei ein sportlich ambitioniertes Ziel erreichen zu wollen, scheint mit der letzten Trainingswoche gescheitert zu sein. Marathon oder kein Marathon, das ist hier nun die Frage.

Ich bin ehrlich: Das Training läuft gut, nicht unglaublich gut, aber gut. Sollte ich eine Einschätzung abgeben, dann würde ich es nach aktuellen Stand der Dinge für möglich halten, eine Zeit um 2:42 Stunden zu laufen. Ich bin also nicht ganz so fit, wie ich es sein müsste, um realistische Chancen auf mein ursprüngliches Ziel von 2:40 Stunden zu haben. Das Überraschende daran: Es ist mir wirklich vollkommen egal. So egal war mir schon lange nichts mehr.

Letztens habe ich einen Text gelesen, der davon handelte, was unser damaliges Ich wohl vom heutigen halten würde.

Und für diesen Satz, dass mir ein sportliches Ziel vollkommen egal ist, würde mir mein damaliges Ich vermutlich mit Schmackes in die Eier treten.

Wo ist der Antrieb hin, dass ich es mir selbst beweisen will? Stattdessen habe ich mir bei fast jedem Lauf in den vergangenen Tagen die Frage gestellt, was ich da eigentlich mache.

Offensichtlich nicht genug on fire

Erst heute wieder: Es stand ein langer Laufe auf dem Programm. Geplant waren 34 Kilometer, inklusive fünf Mal vier Kilometer in der angestrebten Marathon-Pace. Und es lief wirklich rund, die Tempoarbeit konnte ich bei +- 3:45 Minuten pro Kilometer verrichten und musste mich dafür nicht hinrichten. Die ersten vier Sets waren absolviert und ich startete in die letzte Runde, knapp 28 Kilometer standen schon auf der Uhr. Beine gute, alles gut. Denkste.

Nachdem der erste Kilometer des fünften Sets absolviert war, machte ich noch sechs, sieben Schritte, bevor ich abrupt stoppte. Kein Bock mehr. Was soll das? Die Sinnfrage, die mich schon durch die gesamte Woche begleitete, wurde zum limitierenden Faktor. Ich hatte keine Lust mehr auch nur noch einen einzigen Schritt zu machen. Die Fitness hätte definitiv gereicht, muskulär gab es auch keinen Grund zur Sorge. Aber ich hatte keine Antwort auf die Frage nach dem Warum parat, ein Genickbruch.

Ich habe zuverlässig die Einheiten in den vergangenen Wochen durchgezogen, auch die harten Dinger. Aber so wirklich bei der Sache war ich nie und meine Hingabe fürs Marathontraining ist längst nicht mehr bei 100 Prozent. Vor zwei Wochen lag sie vielleicht noch bei 90, jetzt irgendwo bei 50.

Es sind eigentlich nur noch Stolz und Ehre, die mich davor bewahren, dass ich das Marathon-Unterfangen in die Tonne kloppe.

Es ist definitiv ein bisschen kontrovers: Im Moment bin ich fit, habe Bock auf Laufen und auch auf anstrengende Einheiten. Dennoch ist mir der Drive abhanden gekommen, einen Plan zu verfolgen, nur um ein Ziel zu erreichen, das nachher mein Ego befriedigt. Denn nichts anderes wäre es am Ende, wenn ich den Marathon in Eigenregie für mich laufe. Bei einem Event hingegen laufe ich mit anderen Athleten, battle und pushe mich mit ihnen, lasse mich von Zuschauern anfeuern und habe ein Erlebnis.

Zwei Wochen noch, dann steht der Marathon auf dem Plan. Es wäre irgendwie panne, wenn ich das nun kurz vor knapp nicht durchziehen würde. Deswegen kann ich die Antwort auf die Frage, ob Marathon oder kein Marathon, auch geben:

Ich werde die 42,195 Kilometer rennen. Aber ich freue mich, wenn das geschafft ist. Denn anstrengender, als der Marathon selbst, war und ist die Vorbereitung in den vergangene Wochen jetzt schon gewesen.

Ich hoffe, dass ihr weiterhin das Beste aus der Situation für euch macht. Bleibt dran. Oder auch nicht. Hauptsache das Feuer brennt in ein paar Wochen oder Monaten wieder.

Euer Bocki

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6 Kommentare

  1. In 3 Wochen ist der Wings For Life world Run. Dieses Jahr wird der als virtueller Lauf ausgetragen. Vielleicht auch eine schöne Möglichkeit den Marathon zu ballern.

  2. Ich selbst befinde mich in einer SEHR ähnlichen Lage. Ich wollte gerne eine 2:45 in Düsseldorf laufen. Der Plan läuft super, bis auf den Motivationsfaktor 😉

    ICH habe daher vor 4 Woche nen kurzen Reset gemacht (1 Woche nix), mich beim WingsforLife App Run angemeldet und in der Folgewoche weitergemacht (Wings for Life ist ne Woche später).

    Hier gibt es ein Datum, ein App Event und am Ende eine Ergebnisliste. Besser als nix und ein wenig Verbindlichkeit. UND es ist für einen guten Zweck!

    Das hilft mir persönlich sehr. Zudem habe ich mir den Zeitdruck ein wenig genommen. Wenn es ne 2:50 wird ist es halt so…

    Wünsche dir ein erfolgreiches Tapering und nen guten Lauf am Tag X!

  3. Hey Bocki,
    ich habe am 26.4. Geburtstag und wollte das 1. Mal in meinem Leben am Geburtstag einen Wettkampf haben. Es sollte der HM in Hannover sein, angepeilte neue PBZ. Der Ganze passte nicht, da ich in Roth starten wollte.
    Ich trainiere weiter, habe Spaß, es läuft auch fein, aber das Adrenalin am Wettkampftag, dass da einer vor dir ist, der so eklig stinkt, dass du vorbei musst, dass da ein schöner Körper ist, dem du hinterher jagst, die Musik, die Kommentatoren, die Menschen an der Strecke… All das kann man im Kopf haben, ja, aber es ist eben nicht da. Das einzige, was ich mir selbst bereiten könnte, wäre “Sirius” von Alan Parsons Projekt auf die Ohren zu bringen. Es ist eben nicht das Selbe. Ich vergieße trotz allem Optimismus immer mal wieder die eine oder andere Träne, werde für mich eine HD im Sommer angehen (Tria Ingolstadt verschickt die Finisher Shirts & Medaillen, die will ich mir verdienen), aber es ist eben nur ein Trostpflaster, ein Surrogat und der Kick fehlt. Ein Fallschirmsprung am Simulator…
    Alles Liebe, bleib gesund und hab Spaß am Training, deine Gerrit Johanna

  4. Eine Marathon-Vorbereitung auf „hohem“ Niveau geht naturgemäß auf die Gesundheit und den Körper. Ich denke daher, dass es das nicht wert ist, sich für einen quasi nicht statt findenden Höhepunkt so zu schinden. Daher kann ich es komplett nachvollziehen wenn man das Ganze sein lässt. Ich an deiner Stelle würde jetzt das Projekt stoppen, dem Körper Erholung gönnen, den Sommer genießen und dann für einen hoffentlich statt findenden Herbstmarathon neu aufbauen. Ich finde außerdem, dass eine Zielzeit von 2:40 für jemanden mit deinen Unterdistanz-Zeiten sehr unambitioniert erscheint.

  5. Hey Bocki,
    ich mach den Sport jetzt seit 40 Jahren, mal mit mehr mal mit weniger Liebe.
    NIEMAND, und das meine ich als treuer Fan, verlangt von Dir das durchzuziehen!
    Wir wollen Dich genau so! Ehrlich, offen und menschlich…
    wenn du keinen bock hast, lass es einfach! in 3 Monaten beisst du dir eh selber in den ar….

    und dann läufst einen Herbstmarathon in 2:35…. oder eben erst in 2 Jahren…

  6. Hey Bocki, ich lese deine Beiträge immer mit Freude und finde deine ehrliche Art und Schreibe super, vor allem als Abwechslung zum weichgespülten Mainstream-Blog andernorts. Auch, dass du uns teilhaben lässt an dem Auf und Ab und nicht alles schönredest! Und genau darum bist du ein motivierender Faktor für viele Leser! Ich würde mich daher sehr freuen, wenn du den Marathon läufst! Richte dir ne schöne, kurze Runde ein, mit festem Verpflegungspunkt und (mit entsprechendem Abstand) ein paar nette Unterstützern! Oder lauf für dich komplett alleine mit Musik auf den Ohren! Oder wie auch immer! Hauptsache, du lässt dir nicht von dem scheiß Virus die Stimmung verderben und ziehst dein Ziel durch! Die Motivation wird an dem Tag da sein! Setz dir ein smartes Ziel und los gehts! Bei mir fällt auch einiges aus, aber dann organisier ich einfach den Kram für mich oder/und wenige Freunde in Eigenregie! Eine Prise: „Jetzt erst recht!“ und Bock und los! So läufts 😉