Auf der Jagd | Doppelporträt Franz Löschke & Jonathan Zipf
03. Januar 2018
Jonathan und Franz. Diese beiden Namen klingen nach den netten Jungs von nebenan. Nach Bilderbuchbuben, die sich jeden Tag die Haare kämmen, das Hemd in die Hose stecken und immer Bitte und Danke sagen. Ich sag’s euch: Namen können sowas von trügen! Ein Bericht über zwei Wochen Triathlon-WG-Leben auf Fuerteventura und zwei deutsche Elite-Triathleten, über die man viel zu wenig weiß.
Jonathan „Johnny“ Zipf und Franz Löschke kennt man in Triathlon-Deutschland. Aber man kennt sie nicht gut genug. Davon bin ich seit unseren gemeinsamen zwei Wochen auf Fuerteventura fest überzeugt. Franz kannte ich vorher ein bisschen, Johnny gar nicht. Zumindest nicht persönlich.
Denn aus sportlicher Sicht ist man als Triathlon-Fan in den letzten Jahren nicht um die beiden herumgekommen: Franz war Deutscher Meister der Junioren, der U23 und der Elite. 2009 wird er U23-Weltmeister an der australischen Gold Coast. 2013 ist er nicht nur bester Deutscher im Gesamtranking der World Triathlon Series (WTS), sondern gewinnt zusammen mit Jan Frodeno, Anne Haug und Anja Knapp auch die Team-WM in Hamburg. In diesem Oktober gab es beim IRONMAN 70.3 in Austin den ersten Titel über die Mittel-Distanz. Da kann einem schon mal schwindelig werden.
Johnny ist drei Jahre älter als Franz, lebt und trainiert in Saarbrücken und hat sportlich ebenfalls so einiges zu bieten: Vizeweltmeister der Junioren im Triathlon, Deutscher Meister, bester Deutscher im Gesamtranking der WTS 2011 und unzählige Top-Platzierungen in Welt- und Europacups, sowie in der Triathlon Bundesliga. Seine Bestzeit über vermessene 5.000 Meter: 14.36 Minuten – innerhalb des Worldcup-Rennens in Lausanne. Nicht weniger beeindruckend lautet die Antwort auf die Frage, wie hart das Radfahren bei so einer Sprint-Distanz denn nun sei? Beim Grand Prix-Rennen in der französischen Liga schlägt Johnnys Wattmesser auf der 20 Kilometer langen Radstrecke 54 Mal über 500 Watt aus, davon 21 Mal sogar über 700 – und das bei einem Körpergewicht von nur 64 Kilogramm. Windschatten-Rennen sind was für Lutscher? Pustekuchen. Bei solchen Werten hätte selbst ein Sebastian Kienle so seine liebe Mühe nicht abgehängt zu werden.
Der olympische Traum
Ein wichtiges Ziel streben beide an: Den Leistungstest der Deutschen Triathlon Union Anfang März 2018. Dort müssen sie 800 Meter schwimmen und 5.000 Meter laufen. Es geht um viel. Denn die besten drei Athleten qualifizieren sich direkt für die World Triathlon Series (WTS), der erste Schritt Richtung Olympia-Ticket für die Spiele 2020. Außerdem wäre es für beide der wichtige Weg zurück in die deutsche Triathlon-Nationalmannschaft und damit verbunden die Rückkehr zu Förderung, Infrastruktur und Planungssicherheit.
Denn bemerkenswerter Weise sind Johnny und Franz zurzeit in eigener Mission unterwegs. Johnny hat für die Gesamt-Trainingsplanung Christoph Grosskopf engagiert und vertraut im Schwimmen auf Hannes Vitense. Franz trainiert bei Philipp Seipp, der unter anderem auch Laura Philipp und Nils Frommhold unter seinen Fittichen hat. Finanziert werden die Coaches, genau wie Trainingslager und Wettkampfreisen, aus eigener Tasche.
Sowohl Johnny, als auch Franz kennen es aber auch anders. Beide waren langjährige Mitglieder der deutschen Triathlon-Nationalmannschaft, dienten in der Bundeswehr als Sportsoldaten und konnten von einem System profitieren, das ihnen die volle Konzentration auf ihr Training und ihre Wettkämpfe ermöglichte. Seitdem sie nicht mehr im DTU-Kader sind, hat sich einiges geändert. Aber Ärger oder Missgunst über den Verband? Fehlanzeige.
Beiße niemals die Hand, die Dich füttert
In zahlreichen Gesprächen über ihre Vergangenheit in der Nationalmannschaft, über die Förderung der DTU und der Bundeswehr und ihre Erfahrungen als Kaderathleten, erfahre ich, was es bedeuten muss, als Athlet in Abhängigkeit von einem Verband zu stehen. Für mich persönlich wäre das nichts. Ich würde vermutlich zu oft in den Konflikt mit Verband und Funktionären geraten, würde wahrscheinlich zu oft anecken und zu oft meinen Kopf durchsetzen und nicht akzeptieren wollen, dass ich als Athlet keine Chance habe, wenn Entscheidungen gefallen sind – mögen meine Argumente auch noch so gut sein.
Johnny und Franz haben die Sonnenseite kennengelernt, als sie ihre Leistungen für den Verband erbracht haben. Beide erleben im Moment aber auch die Schattenseite, wenn es mal nicht so läuft: Keine Leistung bedeutet kein Kaderstatus, keine Förderung, keine Bundeswehr. Nun ja, keine Leistung – das ist wahrscheinlich Definitionssache.
Beim Weltcup-Rennen in Kapstadt stürzt Johnny im Januar 2017 bei 49 km/h auf der Radstrecke und verletzt sich schwer. Es dauert Wochen bis er wieder einigermaßen normal trainieren kann und plötzlich gerät der bevorstehende DTU-Leistungstest im März zur Zerreißprobe. Die Schwimmzeit von 9.42 Minuten über 800 Meter ist für jemanden wie Jonathan Zipf inakzeptabel, der Test ist zu diesem Zeitpunkt schon gelaufen. Im Vorjahr zauberte er eine 9.18 ins Becken. Trotzdem tritt er noch zum 5.000 Meter-Lauf auf der Bahn an. Seine Zeit von 14.53 Minuten kommentiert er heute mit einem schlichten: „Richtig schlecht.“ Test nicht bestanden, keine Norm erfüllt und somit keine Legitimation bei internationalen Rennen für Deutschland an den Start zu gehen.
Was dann? Johnny ist seit Jahren einer der besten und zuverlässigsten deutschen Athleten auf der Sprint- und Kurz-Distanz. Einer wie er gehört in die World Triathlon Series. Stattdessen beginnt für ihn eine Punktehatz: Über Bundesliga-Rennen, die erst im Juni beginnen, qualifiziert er sich für den Europacup. Hier sammelt er die nötigen Punkte und empfiehlt sich für den Weltcup. Auch hier schafft er es erfolgreich die benötigten Punkte für die World Triathlon Series zu sammeln. Endlich geschafft. Endlich. Aber doch zu spät, denn die Saison der WTS-Serie ist zu diesem Zeitpunkt längst gelaufen. Das Punktekonto zwar voll, aber mit Ablauf der Saison 2017 nichts mehr wert. Anfang März werden beim Leistungstest der DTU die Karten neu gemischt.
Löschke: „Ich wollte nie etwas geschenkt bekommen“
Während Johnny sich also über die Sprint- und Kurz-Distanzstrecken dieser Welt kämpft und sich mit voller Kraft dem Traum von Olympia widmet, ist Franz mittlerweile offener für Alternativen. Als ich ihn nach seinen Olympia-Ambitionen frage, erhalte ich nichts außer ein schelmisches Lächeln. Ich verstehe schon.
Seine durchaus erfolgreichen Ausflüge auf die Mittel-Distanz (u.a. 1. Platz IRONMAN 70.3 Austin, 2. Platz IRONMAN 70.3 Rügen) deuten sein Potenzial für längere Strecken bereits an und dennoch wirkt es zurzeit noch nicht so, als sei Franz schon so richtig dort angekommen. Es scheint als gäbe es noch eine Mission, die erst abgeschlossen werden muss, bevor er sich vollends von der Kurzstrecke verabschieden möchte.
Mit Verlaub: Franz ist kein Filigransportler. Sein Laufstil sieht deutlich mehr nach Arbeit aus als bei den leichtfüßigen Gomézs, Molas, Zipfs und Brownlees. Trotzdem kann Franz einen Großteil seiner Konkurrenz in Grund und Boden rennen, das Laufen ist seine absolute Stärke. Irgendwie wirkt es da fast sinnbildlich, als Franz mir von seinem Werdegang erzählt. „Ich wollte nie etwas geschenkt bekommen“, stellt Franz klar und sagt: „Mir hat sich oft die Chance geboten irgendwelche Vorteile gegenüber anderen Athleten zu nutzen und zum Beispiel in bestimmte Startlisten bei Wettkämpfen reinzurutschen, für die eine besondere Qualifikation nötig gewesen wäre. Aber ich habe das immer abgelehnt und wollte mir meine Starts über gute Leistungen verdienen.“ Sicher nicht der einfachste Weg, aber ein sehr ehrlicher.
Franz und Johnny sind beide auf der Jagd ihrer Träume. Sei es Olympia, sei es die World Triathlon Series oder sei es die Langstrecke, beide gehen ihren Weg. Getrieben sind sie von einer so großen Leidenschaft und gesegnet mit einem so großen Kampfgeist, dass es beide verdient hätten am Ende belohnt zu werden.
Wer möchte, kann den Weg der beiden Top-Triathleten über die bekannten Social Media Kanäle verfolgen.
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Bildmaterial & Fotokurse von Petko Beier:
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