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Athleten-Trainer-Kommunikation: Jetzt sag doch was!

11. Januar 2021


Zwei Menschen sitzen vor einem Bildschirm und schauen sich Grafiken an

Ein „Shut up legs“ mag durchs Training pushen, schweigen aber nicht nur die Beine, sondern der ganze Athlet, geht Potenzial verloren. Warum die Coach-Sportler-Kommunikation wichtig ist.

„Wir müssen reden.“ – Es gibt eine Beziehung, in der dieser Satz keinen Ärger bedeutet. Zumindest für gewöhnlich nicht: In der Beziehung zwischen Athlet und Coach ist Kommunikation essenziell. Und zwar für beide Seiten: „Das Prinzip ,Coach sagt an, Athlet folgt blind‘ ist sicher keine gute langfristige Philosophie“, ist Nils Goerke, Hamburger Triathloncoach und Stammgast in der Pushing Limits Coaches Corner, überzeugt. Aber wie in jeder guten Beziehung kommt es auch hier auf das richtige Maß an.

Warum Feedback wichtig ist

Ohne Rückmeldung durch den Athleten kann ein Trainer seinen Job nicht machen. Der Grund: Es gibt keine pauschale Antwort auf die Frage, wie viel Training ein Athlet zu welchem Zeitpunkt braucht, wann man die Trainingsreize wechseln muss oder welche Reize für welchen Athleten am besten passen. Das ist höchst individuell.

Ohne entsprechendes Feedback „kann ich mich nur an das annähern, von dem ich denke, dass es im jeweiligen Fall gut ist und was klappen könnte“, erklärt Sportwissenschaftlerin Laura-Sophie Usinger, selbstständige Trainerin und ehemalige Bundesliga-Triathletin. Klar könnten feedbackfaule Athleten argumentieren, dass die meisten Coaches doch mit virtuellen Trainingsplattformen arbeiten, auf die Sportuhr und Powermeter die Trainingsdaten automatisch hochladen.

Aber allein auf Basis nackter Zahlen die individuell optimale Trainingsgestaltung ableiten zu wollen, ist ungefähr so, wie seine Garderobe nur anhand der Temperaturangabe in der Wetter-App zu wählen, anstatt mal kurz die Hand aus dem Fenster zu halten. Oder wie Laura-Sophie Usinger es ausdrückt: „Wenn vom Athleten gar nichts käme, könnte ich bezüglich der Trainingsplanung auch gleich würfeln.“

Denn mit dem Training ist es wie mit der Außentemperatur: Sie sind auch Gefühlssache. So kann beispielsweise die zurückliegende Trainingswoche super gelaufen sein, jetzt macht sich aber übermäßige Müdigkeit bemerkbar, sodass eine vielleicht geplante Intensitätswoche eher kontraproduktiv wäre. Das kann ein Coach anhand von Daten-Uploads nicht erkennen, solange er nicht mit Technologien wie HRV-Messung und Recovery-Scores arbeitet und Erfahrung damit hat. „Auch nicht aus den Zahlen rauslesen kann ich, wenn einem Athleten seit drei Tagen die Wade zwickt“, ergänzt Laura-Sophie Usinger. „Vielleicht denkt der Athlet, das sei nicht so schlimm oder nicht wichtig, wohingegen ich als Trainerin sagen würde: ,Du hast eine Verletzungshistorie, wir müssen jetzt rausnehmen.‘ So verhindert man unter Umständen, dass der Athlet sich in eine Verletzung hineintrainiert und dadurch länger aussetzen muss.“

Wer schweigt, verschenkt Potenzial

Gibt ein Athlet keine Rückmeldung, riskiert er, den Effekt seines Trainings zu schmälern. Abgesehen von den beiden Extremen, dass der Coach einen Athleten über- oder unterfordert, lassen Athleten, die kein Feedback geben, jede Menge kleiner Leistungstreiber oder -verhinderer liegen. Zum Beispiel, weil der Coach stressige Phasen im Job nicht erahnen kann, die Arbeitsbelastung aber ebenso in die Ermüdung und den entsprechenden Regenerationsbedarf eingeht wie das sportliche Training.

Der Coach muss zwingend wissen, wie sehr das Training den jeweiligen Athleten fordert – körperlich, aber auch mental. Denn nur dann hat er die Chance, rechtzeitig zu erkennen, ob das Training in die richtige Richtung geht und gegensteuern. Gute, engagierte Coaches haken deshalb auch mal aktiv nach, wenn vom Athleten kein Feedback kommt. Nils Goerke tut dies besonders in den ersten Monaten des Kennenlernens und wenn er das Gefühl hat, überhaupt nicht mehr zu wissen, wie es bei einem Athleten läuft. Sein Nürnberger Kollege und Trainingsbuchautor Michael Krell hält fortlaufend per Mail oder WhatsApp Kontakt zu seinen Schützlingen. Und Laura-Sophie Usinger stellt gleich zu Beginn der Trainingsbeziehung klar, dass „Der Athlet umso schneller und früher besser wird, je mehr Feedback ich bekomme.“ Denn je mehr Informationen der Coach erhält, desto besser kann er arbeiten. Usinger fragt „zwar nicht nach jeder Einheit nach“, aber durchaus mal gezielt nach Schlüsseleinheiten oder der Einschätzung bzw. dem Gefühl des Athleten, wenn sie zum Beispiel sichergehen möchte, dass sie Daten richtig interpretiert.

Das richtige Maß

Vom Athletenfeedback hat also nicht nur der Coach etwas, sondern vor allem der Sportler selbst. Wer jetzt aber dazu anhebt, täglich blumige Romane über jeden Trainingskilometer zu verfassen, dem sei gesagt: Es gibt auch ein Zuviel an Kommunikation. Bei ausufernden Beschreibungen fällt es dem Trainer oft schwer, herauszufiltern, welche Angaben tatsächlich relevant sind – wenn er überhaupt den kompletten Text aufmerksam liest. Das heißt für den Athleten: für maximalen Trainingsnutzen, das vorfiltern, was wichtig ist. Wie umfangreich und regelmäßig dieses „Wichtige“ rückgemeldet wird, kann von Sportler zu Sportler unterschiedlich sein. „Ich habe Athleten, die melden sich nur, wenn etwas nicht passt und sind ansonsten glücklich, einfach vor sich hinzutrainieren“, erzählt Michael Krell. Und je erfahrener ein Athlet ist, desto eher ist das auch in Ordnung. Denn das Verhältnis zwischen Coach und Sportler ist ein dynamisches – manchmal gibt es was zu sagen, manchmal nicht. Meist genügen dem Coach aber Stichpunkte oder kurze Notizen, alle Schreibmuffel können also aufatmen.

Besonders wichtig ist Feedback, kombiniert mit gewissenhaft genutzter Technik, bei Schlüsseleinheiten. Bei eben jenen möchte Coach Nils Goerke zwar ein subjektives „Lief gut“ oder „War ganz schön hart“ haben. Es reicht ihm aber nicht: „Bei den Kerneinheiten ist es für mich nicht nur superwichtig zu wissen, wie der Athlet sich fühlt, sondern auch zu sehen, wie die Intervalle absolviert wurden, wie die Herzfrequenz verlaufen ist. Da ärgere ich mich dann oft, wenn die Athleten Vorgaben bekommen und beispielsweise die Intervalle dann nicht mitstoppen. Wie soll ich so wissen, ob die Einheit gelaufen ist wie sie sollte.“ Merke: Um maximal effizient zu trainieren, Kopf und Uhr einschalten.

Kommunikation ist keine Einbahnstraße

Reden sollte in einer Athlet-Coach-Beziehung aber nicht nur der Sportler, sondern auch der Coach. Und diese Kommunikation sollte aus mehr bestehen als dem wöchentlichen oder monatlichen Versenden von Trainingsplänen: „Ich halte es für ebenso wichtig, dass der Athlet weiß, warum er was trainiert und warum er sich in der entsprechenden Intensität bewegen soll, warum es gerade in dieser Einheit nicht schneller sein darf, warum es sich zäh anfühlen darf“, sagt Nils Goerke. Er ist fest davon überzeugt, dass das entsprechende Mindset und das Wissen um den Sinn der Einheit helfen, durchzuziehen und den Trainingseffekt zu optimieren.

Deshalb sollten bei Athleten die Alarmglocken schrillen, deren Trainer kein Interesse an einem Austausch haben oder nicht erklären können (oder wollen), warum eine Einheit oder eine Trainingswoche so aufgebaut ist, wie sie aufgebaut ist. Es stimmt schon, der Coach sollte eine gewisse Autorität haben und der Sportler sollte nicht jedes einzelne Intervall infrage stellen, aber: „Ich als Trainerin finde es grundsätzlich gut, wenn ein Athlet nicht einfach alles hinnimmt, sondern auch mal mit mir diskutiert“, sagt Laura-Sophie Usinger. Es kann sogar sein, dass sie aktiv nachfragt, ob es Einheiten gibt, bei denen der Athlet gemerkt hat, dass sie ihm zum Beispiel vor einem Wettkampf besonders guttun. Kein negatives Zeichen muss es dagegen sein, wenn nach dem Versenden einer Nachricht vom Coach erstmal oder überhaupt nichts kommt. So erklärt Laura-Sophie Usinger zum Beispiel, dass sie nicht immer sofort auf jede (Sprach-)Nachricht antwortet – und das muss auch nicht sein –, aber auf jeden Fall alle zur Kenntnis nimmt.

Wer aber das Gefühl hat, sein Trainer reagiere grundsätzlich nicht oder zeige kein Interesse an Feedback oder Rückfragen, sollte den Hörer in die Hand nehmen und das Gespräch mit ihm suchen. „Stellt sich heraus, dass dem wirklich so ist, ist die Beziehung offensichtlich gestört. Dann sollte man über einen Wechsel nachdenken“, rät Michael Krell. Allerdings, so gibt er zu bedenken, ist der Umfang des Austausches immer auch eine Frage des abgeschlossenen Vertrags, denn: „Wer mehrere hundert Euro im Monat zahlt, kann und sollte einen großartigen Service inklusive ausführlicher Beratung einfordern. Zahlt jemand nur 50 Euro pro Monat, sollte ihm klar sein, dass die Betreuungsintensität eine andere ist.“ Aber sowas lässt sich ja vorab klären: in einem ersten Kennenlerngespräch.

 

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2 Kommentare

  1. Toller Beitrag – sehr hilfreich! Aber kann es sein, dass im im ersten Satz des Absatz „Kommunikation ist keine Einbahnstraße“ ein NICHT fehlt? 😉

  2. Hey Thomas! Hattest Du natürlich absolut recht und wir haben es umgehend korrigiert 🙂 Danke fürs Bescheid geben! Beste Grüße, Bocki