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Die drei häufigsten Laufverletzungen – und wie du sie vermeidest

13. Dezember 2021


Laufverletzungen

Zwangspause? Muss nicht sein. Welches die häufigsten Laufverletzungen sind, wie du sie wieder loswirst oder gar nicht erst bekommst, weiß Sportmediziner und Hawaii-Finisher Jan Schneider.

Beim Schwimmen trägt das Wasser das Körpergewicht, beim Radfahren das Bike. Beim Laufen lastet dagegen nicht nur das eigentliche Gewicht bei jedem Schritt auf dem Fuß, sondern durch die „Sprungbewegung“ das bis zu dreifache. Kein Wunder, dass die dritte Triathlondisziplin die mit dem höchsten Risiko für Überlastungsverletzungen ist.

Rund 46 Prozent, also fast die Hälfte der Läuferinnen und Läufer, verletzt sich im Lauf eines Jahres, fand der schwedische Forscher Jonatan Jungmalm von der Universität von Göteborg in seiner Doktorarbeit heraus. Er schätzt, dass jeder Läufer und jede Läuferin damit rechnen muss, pro 225 Laufstunden mindestens einmal verletzt zu sein.

Ein unausweichliches Schicksal? „Nein“, sagt Doktor Jan Schneider, Facharzt für Orthopädie und Sportmedizin sowie ärztlicher Leiter des MVZ Oberstdorf. Es lässt sich sehr wohl etwas tun, damit eine Verletzung gar nicht erst auftritt – und auch, um ihr beim Heilen zu helfen, wenn sie erstmal da ist. Tipps zur Behandlung und Vermeidung der drei häufigsten Laufverletzungen.

1. Läuferknie

Mit 41,2 Prozent sind Kniebeschwerden einer Studie der österreichischen MedUni Wien und des Orthopädie-Zentrums Innere Stadt mit großem Abstand auf Platz eins der häufigsten Laufverletzungen. Eine Erkenntnis, die Jan Schneider, der viele Ausdauerathleten im Allgäu betreut, aus der Praxis bestätigen kann.

So äußert es sich

„Typischerweise bemerken betroffene Läuferinnen und Läufer nach etwa 15 bis 20 Minuten in Bewegung einen Schmerz an der Außenseite des Kniegelenks. Der schaukelt sich hoch, bis man fast abbrechen muss“, erklärt der Sportmediziner, der selbst zweimal die Ironman-WM auf Hawaii gefinisht hat. Nach ein paar Tagen Pause ist der Schmerz annähernd verschwunden, bei erneuter Belastung geht es aber wieder von vorn los.

Das verursacht die Verletzung

Ursache für die Läuferknie-Beschwerden ist die lange Sehne (Tractus iliotibialis). Sie setzt an der Hüfte an und zieht sich an der Oberschenkelaußenseite bis zum Knie. „Hat die Sehne zu viel Spannung, fängt sie an, am Knie zu reiben. Deshalb entsteht der Schmerz auch erst nach einer gewissen Zeit in Bewegung“, erklärt Jan Schneider.

Was tun bei Verletzung

Beim Läuferknie handelt es sich um eine sehr komplexe Verletzung. Zwar ist die lange Sehne klar die Ursache, doch da sie zwei Gelenke überspannt, kann sie an vielen Stellen überlastet sein. „Auch wenn das Knie wehtut, muss dort nicht unbedingt das Problem liegen“, weiß der Allgäuer Orthopäde.

Die Beschwerden können das Resultat einer seitlichen Beckeninstabilität, einer Beinachsen- oder Fußfehlstellung sein. Deshalb sei es nicht ausreichend, nur das Knie zu behandeln, ein erfahrener Arzt muss die Ursache herausfinden. Bis dahin heißt es: komplette Laufpause und aufs Rad oder Aquajoggen umsteigen. „Sonst reizt man die Sehne immer wieder und riskiert, dass eine Entzündung entsteht“, sagt Schneider.

So lässt sich vorbeugen

Die Sehne leistet maßgebliche Stabilisierungsarbeit in der Standphase beim Laufen. Damit sie nicht überstrapaziert wird, ist eine gute seitliche Beckenstabilität vonnöten. „Bei vielen sinkt nach einigen Kilometern Laufen das Becken ab und dann muss die Sehne das ausgleichen“, erklärt der Sportmediziner. Er empfiehlt zweimal pro Woche Rumpfstabitraining, zum Beispiel mit dem Theraband oder seitlichem Beckenhochziehen auf einer Stufe stehend. „Auch mit Dehnen oder der Faszienrolle lässt sich viel machen“, ergänzt er.

2. Fersensporn

Platz zwei im Verletzungsranking nehmen laut der Wiener Studie Fuß- und Sprunggelenkbeschwerden mit 25,6 Prozent ein. Laut Jan Schneider belegt der Fersensporn in dieser Kategorie eine Spitzenposition – obwohl die Bezeichnung irreführend ist: „Der korrekte Begriff ist Plantarfaszienentzündung. Denn nicht immer ist ein Sporn vorhanden, sehr wohl aber eine Entzündung der Plantarfaszie“, erläutert der Mediziner. Diese entspringt hinten am Fersenbein, zieht sich über die gesamte Fußsohle und stützt den Fuß beim Gehen und Laufen.

So äußert sie sich

„Bei der Plantarfasziitis ist ein meist punktueller Schmerz unterhalb der Ferse zu spüren“, erklärt Jan Schneider. Der tritt überwiegend nach intensiverer Belastung auf oder auch nach längeren Ruhephasen. „Am Morgen, nach der Nachtruhe, ist der Schmerz meist besonders stark. Typisch ist, dass es sich anfühlt, als wenn von unten jemand in die Ferse sticht“, sagt der Orthopäde.

Das verursacht die Verletzung

Bei einer Plantarfaszienentzündung besteht ein Ungleichgewicht aus Mikroverletzungen in der Faszie und den Reparaturkapazitäten des Körpers: „Es entstehen so viele Verletzungen, dass der Körper nicht mehr nachkommt. Das ist umso wahrscheinlicher, je mehr Gewebeelastizität und Reparaturmechanismen nachlassen. Da das mit zunehmendem Alter geschieht, sind typischerweise Läuferinnen und Läufer ab 40 Jahren besonders oft betroffen“, erklärt Jan Schneider.

Was tun bei Verletzung

Das Gewebe braucht Zeit, um zu regenerieren – das erfordert einiges an Geduld von Sportler oder Sportlerin, denn: „Die Beschwerden können viele Monate andauern und danach sollte man nur langsam wieder anfangen zu laufen, da es sonst gleich wieder losgeht“, so der Arzt.

Als unterstützende Maßnahmen eignen sich Physiotherapie sowie exzentrisches Training der Wadenmuskulatur und der Plantarfaszie (mit einem kleinen Faszien- oder Golfball). „Von ärztlicher Seite zu empfehlen ist eine Eigenblut-Plasma-Therapie. Dabei nimmt der Arzt Blut ab, das wird zentrifugiert und dessen Heil- und Regenerationsbestandteile werden extrahiert. Diese spritzt man dann an die Entzündung, um die Heilung zu unterstützen“, erläutert Jan Schneider.

Treten die Beschwerden kurz vor einem Wettkampf auf, kann „Kortison vorübergehend den Schmerz nehmen“, sagt er. „Allerdings schadet das dem Gewebe zusätzlich und der Schmerz wird wiederkommen.“

So lässt sich vorbeugen

Eine Plantarfasziitis zu verhindern, ist gar nicht so einfach. Ein wichtiges Element ist sicherlich eine vernünftige Trainingssteuerung, da die Beschwerden oft aufgrund eines Ungleichgewichts aus Belastung und Regeneration entstehen. Wobei es auch Läuferinnen und Läufer gibt, die sich an keine Vorgaben halten und trotzdem nie Probleme bekommen.

„Ansonsten kursiert viel an Ratschlägen, aber wenig mit wissenschaftlicher Evidenz“, erläutert Sportmediziner Schneider. „Wenn man aber einen Sporn hatte, dann kann beim Wiedereinstieg eine orthopädische Einlegesohle helfen, den Bereich mit dem meisten Druck zu entlasten.“

3. Achillessehnenentzündung

Beschwerden an Unterschenkel und Achillessehne betreffen laut der österreichischen Studie rund 13 Prozent der Läuferinnen und Läufer. Die Achillessehne ist unsere kräftigste Sehne, sie ist 20 bis 25 Zentimeter lang, setzt am Fersenbein an und schließt die Wadenmuskeln zusammen.

Ihre Aufgabe ist es, den Fuß beim Abdruck vom Boden im Sprunggelenk zur Fußsohle hin zu beugen und ein wenig nach innen zu drehen. Bei jedem Schritt, vor allem bei Laufschritten, lastet ein Vielfaches des Körpergewichts auf dieser Sehne.

So äußerst sie sich

Eine Achillessehnenentzündung beginnt meist mit einem leichten Ziepen. Das ist oft ein paar Zentimeter über der Ferse zu spüren und häufig nur in den ersten Minuten der Laufbelastung (Anlaufschmerz). Auch morgens, nach einer langen Ruhephase, treten typischerweise Beschwerden auf.

Unbehandelt kann die Entzündung chronisch werden. Die Schmerzen halten dann auch während der Belastung an und sind danach eventuell verstärkt, sodass Gehen oder Treppensteigen ebenfalls wehtun kann.

Das verursacht die Verletzung

„Eine Achillessehnenentzündung ist ein klassisches Überlastungssyndrom. Ähnlich wie beim Läuferknie sollte man hier die Fußstellung und Beinachse anschauen, vielleicht überreizt eine Fehlstellung die Sehne“, erläutert Jan Schneider. Oft treten Probleme auch dann auf, wenn Sportlerinnen und Sportler Laufumfänge und -intensitäten sprunghaft steigern.

Was tun bei Verletzung

Eine Achillessehnenentzündung kann sehr langwierig sein, deshalb sollte man die Beschwerden ernst nehmen. „Lieber bei den ersten Symptomen schon zum Spezialisten gehen und frühzeitig eine Behandlung beginnen“, rät der Sportmediziner. Die kann mit exzentrischem Krafttraining und Physiotherapie beginnen und bei chronisch entzündetem Gewebe ergänzend eine Stoßwellen- oder Blutplasma-Spritzentherapie notwendig machen.

Treten die Symptome an der Achillessehne akut und nur leicht auf, ist es ratsam, eine Pause zu machen, den betroffenen Bereich zu kühlen oder eine Salbe aufzutragen. „Aber wenn das schon seit Monaten geht, hilft das nichts mehr“, so der Arzt.

So lässt sich vorbeugen

Die Achillessehne zu dehnen und mit der Faszienrolle zu arbeiten, sollte laut Jan Schneider fester Bestandteil des Athletiktrainings sein: „Es gibt einige gute Übungen dafür, zum Beispiel Heben und Senken an einer Treppenstufe. Da braucht man aber eine Expertenanleitung, damit Technik und Frequenz stimmen.“

Zudem spielt der Laufschuh bei Achillessehnenbeschwerden mitunter eine Rolle: „Vermutlich belastet ein Schuh mit wenig Sprengung, also einem geringen Höhenunterschied zwischen Ballen und Ferse, die Achillessehne mehr als einer mit größerer Sprengung“, sagt der Sportmediziner und ergänzt: „Eventuell kann der Schuh auch die Beinachse stützen, indem er ein zu starkes nach Innen- oder Außenknicken verhindert.“ Eine Laufanalyse beim Fachmann kann also auch deshalb sinnvoll sein.

 

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3 Kommentare

  1. Ich bin Physiotherapeut und arbeite seit über 10 Jahren mit Athleten aller Leistungsklassen. U.a. auch schon mit HHT im Playitas 🙂
    Vielen Dank für die tolle Zusammenfassung die Ich in allen Punkten außer der Kortison Infiltration bestätigen kann.

  2. Hey – SUPER Zusammenfassung.
    In der Regel sprechen wir hier immer über motvierende Aspekte.
    Das ist auch gut so.
    Dennoch ist es m.M. nach auch wichtig, daß es zu solchen Problemen gängige & funktionierende Lösungen gibt.
    Sonst denkt manals Betroffender gleich: „Oh Shit – Jetzt ist es aus mit dem Laufen… 🙁 “
    Und das ist soooo frustierend …

    Macht weiter so bei PL 🙂

    Saluti
    Salvatore