Nach was suchst du?

Lionel Sanders im Interview: „Triathlon hat mir das Leben gerettet“

20. Juli 2021


Lionel Sanders Tri Battle Royale

Okay, okay, den Weltrekord konnte nur einer knacken. Dennoch hat das Tri Battle Royale zwei Sieger. Denn Lionel Sanders hinterließ nicht nur Eindruck mit seiner Performance, sondern sammelte auch ordentlich Sympathiepunkte. Chapeau! Und als der Trubel vorbei war, erwischte Lena den Kanadier noch zum schnellen Interview …

Mit schmerzverzerrtem Gesicht schleppt er sich über den schwarzen Teppich, leidet unübersehbar, Meter für Meter. Jeder Schritt tut weh – und das seit mindestens zehn der insgesamt 42 Lauf-Kilometer, die in wenigen Augenblicken hinter ihm liegen. Und trotzdem (oder gerade deswegen) hängt an diesem Sonntag vor allem eines in der feuchten Luft auf dem Event-Gelände mitten im Allgäu: purer Respekt vor der Leistung, dem Mut und der Willenskraft dieses Top-Athleten. Denn auch wenn Lionel Sanders beim Tri Battle Royale nicht als Gewinner über die Ziellinie geht, ist er für viele hier ein Sieger – nicht nur im Herzen. Was ein Typ!

  • Streaming-Tipp
    In der ersten Folge der PTO-Doku „Beyond Human“ anlässlich des Collins Cups wird mehr über den holprigen Weg von Lionel Sanders in die Triathlon-Weltspitze erzählt – vom Mann ohne Lebensperspektive zum Athleten, der Tausenden eine Perspektive gibt. Sehenswert!

Umso schöner, dass die Zuschauer an diesem Sonntag, dem 18. Juli 2021, an dem im verregneten Allgäu mit der neuen Weltrekord-Zeit 7:27:56 von Jan Frodeno Triathlon-Geschichte geschrieben wird, nach dem Zieleinlauf keinen traurigen Verlierer erleben. Im Gegenteil: Nach kurzem Berappeln zeigt sich der Kanadier mit breitem Grinsen, durchweg positiv und überhaupt nicht enttäuscht. War ja auch ‘ne mega Leistung, die er da aufs Parkett gezaubert hat: 7:43:30 steht am Ende auf der Uhr – inklusive einer neuen persönlichen Schwimmbestzeit, für die er unter dem Motto „Stop Sucking at Swimming“ wirklich hart gearbeitet hat.

Ich glaube, dass da noch mehr in mir schlummert.

Lionel, bist du dir eigentlich darüber bewusst, dass du sehr viele Menschen inspirierst?

Lionel Sanders: Danke! Der Sport hat mir selbst so viel gegeben: Triathlon hat mir das Leben gerettet. Gerade deswegen konzentriere ich mich tatsächlich immer darauf, an mir zu arbeiten – und dranzubleiben. Denn wenn du gegen einen Ausnahme-Athleten wie Jan antrittst, dann darfst du nicht aufgeben. Vielleicht wird es nie wieder jemanden wie ihn geben. Dennoch ist es natürlich ätzend, wenn man als Athlet ausgerechnet in seiner Generation unterwegs ist (lacht). Dann muss man immer an die eigenen Grenzen gehen. Umso mehr inspiriert es wiederum mich, genau das auch zu tun …

Jetzt ist das ganze Ding hier vorbei. Fazit?

L.S.: Ich glaube, dass da noch mehr in mir schlummert. Und darauf möchte ich mich weiterhin fokussieren. Ich bin keinesfalls enttäuscht über meine Leistung – denn ich habe mein Bestes gegeben. Das kann ich guten Gewissens sagen. Ich hatte die beste Schwimmzeit meines Lebens und habe generell meine schnellste Zeit abgeliefert.

Hand aufs Herz: Was war dein persönliches Ziel?

L. S.: Meine Prämisse lautete: Ich wollte hier auf gar keinen Fall gehen – unter gar keinen Umständen. In den letzten fünf Ironmans ist mir genau das passiert. Hier aber nicht: Ich bin durchgelaufen, nicht gegangen.

Was lief diesmal besser als in Coeur d’Alene?

L. S.: In Coeur d’Alene habe ich ab der achten Meile deutlich gemerkt, dass meine Speicher leer waren. Ich habe beispielsweise nichts mehr gehört, konnte meinen Oberkörper kaum oben halten. Ich hatte meine Kohlenhydrataufnahme reduziert und das wurde mir zum Verhängnis. Da war einfach keine Power mehr – obwohl meine Muskeln immer noch funktionierten.

Ich bin es dem Triathlon schuldig, immer alles zu geben.

Denkst du in solchen Momenten, in denen du leidest oder eigentlich aufgeben möchtest, daran, dass der Triathlon dein Leben gerettet hat? Ist das dein Antrieb?

L. S.: Ja, zu 100 Prozent! Ich bin es dem Triathlon einfach schuldig, immer alles zu geben. Zudem trage ich ja auch die Verantwortung für das Team hinter mir. Dennoch kann ich nicht leugnen, dass es manchmal ganz schön weh tut, alles zu geben. Aber es fühlt sich besser an, mit der Gewissheit, ans Maximum gegangen zu sein, über die Ziellinie zu laufen.

Hast du etwas von der Atmosphäre um dich herum wahrgenommen?

L. S.: Es war unglaublich! Das war das inspirierendste Event, das ich jemals erleben durfte. Es war einfach cool, diese Leidenschaft zu sehen, mit der das gesamte Team das hier auf die Beine gestellt hat – denn das hier war ein einziges „Passion-Project“. Jan hätte das ja nicht machen müssen. Er hatte den Weltrekord schon. Dennoch ging es ihm darum, seine eigenen Grenzen zu finden. Und ich denke, dieser neue Weltrekord wird relativ schwer zu brechen sein …

  • Trainingspläne, Rezepte, Analysen: Komm in den Club!Anzeige

    Bock auf strukturiertes Training rund um Schwimmen, Radfahren, Laufen und Triathlon? Auf der Suche nach Rezepten für sportgerechte Ernährung und nach Auswertungstools, die dich wirklich weiterbringen? Dann sagen wir: Willkommen im Pushing Limits Club! Ob Triathlon oder (Rad-)Marathon, ob Einsteiger:in oder Fortgeschritene:r, ob PB oder Party-Pace: Join the club und nutze alle Funktionen die ersten 14 Tage kostenlos!

    blankHier geht’s direkt zum Pushing Limits Club!

    Der Club als App immer griffbereit auf Deinem Smartphone:

8 Kommentare

  1. Hi Lionel.., thank you for youre fantastic Performance…, you are one of the greatest sportsman…!!!
    I wish you all the best for your future and always enough helth to do what you love…!!!
    Your big fan Ralf….!!!

  2. Ich habe mit ihm gelitten. Bin Stolz so einen Sportsmann Live erlebt zu haben. Ziehe meinen Hut.

  3. Erledigt – da hat wohl bei dem einen Zitat noch die Aufregung von Sonntag nachgewirkt 🙂

    Liebe Grüße
    Lena

  4. Ziehe den Hut vor beiden.
    Wäre schön wenn die Laufzeiten mit angegeben würden.
    Würde gerne mal sehen wenn Jan Frodeno einen Marathon auf Zeit läuft.
    Traue im eine 2:15 Std zu.

  5. Lieber Theo,

    gerne, schau mal:
    Frodenos Splitzeiten: Swim: 45:58/Bike: 3:55:22 /Run: 2:44:21/T1&T2 2:12
    Sanders Splitzeiten: Swim: 50:58/Bike: 4:00:26/Run: 2:50:29/T1&T2 1:37

    Liebe Grüße
    Lena

  6. Frodo sollte als Mentor von Sanders fungieren. Wenn er ihm zeigt, wie er das Puzzle zusammensetzt, kann Sanders alles erreichen. Vielleicht macht er es ja nach dem Ende seiner Karriere 😉

  7. Das schönste ist, dass da ein richtiger Typ am start war. Die meisten Triathleten sind viel zu geschliffen und langweilig. Triathlon sollte auch immer ein großes Abenteuer sein. Und da ist man bei L. Sanders immer an der richtigen Adresse. Aufregende Performance und aufrichtige und lebhafte Interviews!!! Bitte bleibe dem Triathlon noch lange erhalten!!!