Nach was suchst du?

Race-Gedanken – oder: Selbstgespräche unter Zwift-Racern

26. Januar 2021


Blick eines Radfahrers beim Indoor-Training auf einen Bildschirm mit Zwift

Ein „positives Selbstgespräch“ zu führen, wirkt in anderen Lebensbereichen irritierend, im Triathlon gilt es als entscheidend. Fragt sich nur: Was bespricht man denn nun während so einem Rennen mit sich selbst? Ein Protokoll …

Nicht ihr Körper, sondern ihr Kopf soll im Triathlon schon Weltmeister gemacht haben. Das klingt verrückt, wenn man bedenkt, dass es in unserer liebsten Sportart um maximale körperliche Leistungen geht – nämlich bis zu 3,8 Kilometer schwimmen, 180 Kilometer fahrradfahren und 42 Kilometer laufen. Das alles teilweise unter extremen Bedingungen: Von stehender Hitze bis klirrende Kälte ist bei der Auswahl an Wettbewerben schließlich alles dabei.

Und doch gibt es kaum eine Sportart, in der so viel auf das sogenannte „positive Selbstgespräch“ gegeben wird. Oder um es mit den Worten von Jan Frodeno zu sagen: „Ist der Kopf platt, gewinnt ein fitter Körper auch keinen Blumentopf.“ Und wenn „Frodo“ das sagt, dann muss ja was dran sein …

Was denken Triathleten wirklich während eines Rennens?

Nun könnte man ja meinen, dass Triathleten grundsätzlich „fit im Kopf“ seien. Aber wenn wir mal ganz ehrlich sind, ist es mit dem Thema „mentale Fitness“ – worunter ganz grob auch das Vermögen fällt, ein positives Selbstgespräch führen zu können – ein bisschen so wie mit den Stabi-Einheiten: Wir wissen, dass sie wichtig sind, trotzdem sind es die ersten Blöcke im Trainingsplan, die aus (mehr oder weniger überzeugenden) Gründen gerne mal geschoben werden. Oder ganz ausfallen. Schade eigentlich.

Wer deswegen nun meint, an der Startlinie eines Rennens würden nur Gedankenlose stehen, der liegt aber glücklicherweise falsch. Im Gegenteil: Die Stille vor dem Startschuss ist trügerisch. Könnte man Gedanken hören, wäre es vermutlich ziemlich laut. Ein Wort-Cocktail aus quäkenden Selbstzweifeln, stumpfen Parolen der Selbstüberschätzung und ewiggleichen Mantras des Selbstbetrugs wäre zu hören. Darunter würde sich schätzungsweise Staunen über die körperliche Verfassung der Mitstreiter, Nervosität und ein wenig Resignation mischen. Vielleicht auch Neid. Kurzum: spannendere Inhalte, als jede „Clubhouse“-Diskussionsrunde jemals wird bieten können.

Race-Gedanken: Ein gesprächiger Selbstversuch

Das gilt übrigens nicht nur beim Start, sondern im gesamten Rennen und darüber hinaus. Still wird es gedanklich nie – weder bei Rookies, noch bei Profis. Und wenn man ein solches Selbstgespräch mal zu Papier bringt, kann das ein ganz neues Licht auf die eigene Leistung werfen.

Das Pushing Limits TT-Race auf Zwift bot dazu die perfekte Gelegenheit: Es folgt ein Race-Bericht der anderen Art.

„370 Watt zum Einfahren – im Ernst, Boris Stein?“

„Egal, ich fahr einfach mal los. Geht ja um nichts. Nur um den Spaß.“

„Ich hätte mir das Streckenprofil vielleicht anschauen sollen.“

„Obwohl alle anderen die Strecke studiert haben?“

„Geht ja um nichts. Nur um den Spaß.“

„Unter die ersten 100 zu kommen, wäre vielleicht nicht schlecht. So als grobes Ziel.“

„Wobei: Besser klingt ja ‚Ich war unter den besten 90‘ … von 118.“

„Hauptsache nicht Letzte werden!“

„Geht ja um nichts. Nur um den Spaß.“

„Ich sag ja immer: Wer unterschätzt wird, kann nur überzeugen!“

„Ich sollte solche Zwift-Rennen häufiger mitmachen – eigentlich ganz geil. Läuft.“

„Wie, bei Kilometer 21 kommt ein Berg?“

„Das wirkt auf dem Display bestimmt nur schlimmer, als es ist. Verzerrte Darstellung oder so.“

„Nein, es sind wirklich 13 Prozent Steigung.“

„Jetzt bloß nicht zu krass reintreten.“

„Ich wusste gar nicht, dass ich 300 Watt treten kann.“

„Yeah, ‚Gotta catch them all‘ – da gab’s doch mal diese Serie …“

„Nice, nur 5 Prozent Steigung. Ist ja wie Erholung.“

„War schon mein Ernst, dass ich mal den Großglockner fahren wollte, ne?“

„Vielleicht ganz gut, dass das Rennen letztes Jahr ausgefallen ist.“

„Krass, auf Platz 91 am Berg vorgekämpft. Top-80 wäre dann aber schon cool …“

„Geht ja um nichts. Nur um den Spaß.“

„Noch zehn Kilometer. Gleich geschafft.“

„Woher kommt denn jetzt bitte dieser Anstieg? Wie unnötig!“

„Wer entwirft solche Strecken eigentlich? Ich meine, was sind das für Menschen …?“

„Warum?“

„Nie! Wieder!“

„Wirkt das jetzt frech, wenn ich die am Berg überhole? Nicht, dass ich dann hinterher einbreche … wäre schon peinlich.“

„Okay, jetzt muss ich durchziehen.“

„Ganz vergessen, was zu trinken. Naja, jetzt ist auch egal.“

„Geht ja um nichts. Nur um den Spaß.“

„Die letzten fünf Kilometer hätte man sich aber auch sparen können.“

„Ich kann nicht mehr.“

„Da geht noch was.“

„Nur noch ein Kilometer …“

„Wie lang kann ein Kilometer bitte sein?“

„Aua!“

„Geil, Platz 86 – 20 Plätze im Rennen gutgemacht.“

„Ach, ging ja um nichts. Nur um den Spaß.“

Und welche Gespräche führt ihr so mit euch selbst? Im Training, im Race? Lasst mal hören. Den Austausch mit anderen kann schließlich kein Selbstgespräch ersetzen …

 

  • Trainingspläne, Rezepte, Analysen: Komm in den Club!Anzeige

    Bock auf strukturiertes Training rund um Schwimmen, Radfahren, Laufen und Triathlon? Auf der Suche nach Rezepten für sportgerechte Ernährung und nach Auswertungstools, die dich wirklich weiterbringen? Dann sagen wir: Willkommen im Pushing Limits Club! Ob Triathlon oder (Rad-)Marathon, ob Einsteiger:in oder Fortgeschritene:r, ob PB oder Party-Pace: Join the club und nutze alle Funktionen die ersten 14 Tage kostenlos!

    blankHier geht’s direkt zum Pushing Limits Club!

    Der Club als App immer griffbereit auf Deinem Smartphone:

1 Kommentare

  1. *Schmunzel* *Lächeln* *Kicher*
    Cooler Monolog. Muß ich mit meinem Ego demnächst mal besprechen… 😉