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Daniel Unger im Interview: „Wir haben Athleten, die auch im Wasser richtig Gas geben können“

26. Januar 2023


Interview Daniel Unger Schwimmen

Unter kanarischer Sonne an der Form feilen – was Agegrouper zum Start ins Jahr in Johanns Schwimmcamp auf Fuerte genossen, stand für die DTU-Profis unter der Leitung von Bundesstützpunkt-Trainer Daniel Unger auf dem Programm. Doch wie steht’s im deutschen Team um die Chance aufs Mitmischen in der Weltspitze? Johann hat nachgefragt …

Deutschland hat mit sieben Frauen unter den Top 30 sowie acht Männern in den Top 80 der Welt das klare Ziel, sich unter den besten Nationen zu behaupten. Dafür ist Daniel Unger mit der Gruppe um Lasse Priester, Lasse Lührs und Annika Koch nach Fuerteventura ins Playitas Resort gereist – natürlich, um hier kurz vor dem Auftakt der World Triathlon Championship Series (WTCS) in Abu Dhabi im Februar an der Top-Form zu arbeiten.

Schwimmexperte Johann wollte von Daniel wissen, für wie wichtig er die erste Disziplin im Triathlon hält, um weiter in die Spitze vorzurücken. Und insbesondere, wie er seine Athleten als Stützpunkttrainer in Saarbrücken auf die kommende Saison vorbereitet.

Johann: Danke für deine Zeit, Daniel! Ich habe hier zurzeit ein Schwimmcamp mit 25 Altersklassen-Athleten, die immer bewundernd auf die Bahnen der DTU herüberschauen. Während wir in einer Stunde zwei Kilometer schaffen, könnt ihr in derselben Zeit bereits das Doppelte vorweisen. Ich erzähle meinen Athleten immer, dass eine saubere Technik elementar für Geschwindigkeit ist und verweise unter anderem auf euch. Wie siehst du das?
Daniel Unger:
Absolut richtig! Ohne die richtige Technik ist ein schnelles Vorankommen im Wasser kaum vorstellbar. Deshalb besteht unser Training in fast jeder Einheit aus mindestens 200 bis 600 Metern reinem Techniktraining. Vor allem das einarmige Schwimmen zählt zu meinen Lieblingsübungen. Um eine saubere Zugphase auszubilden, halte ich diese Übung für sehr geeignet.

Johann: Wie viel trainiert ihr das Jahr über? Und setzt ihr während der Saison unterschiedliche Schwerpunkte?
Daniel Unger:
Wir trainieren am Stützpunkt fünf- bis sechsmal pro Woche im Wasser und legen dabei Strecken von 40 bis 45 Kilometern in Schwerpunktwochen und 25 bis 30 Kilometern in „normalen“ Trainingswochen zurück. Im Winter steht vor allem bipolares Training im Vordergrund, also: viel ruhiges Training in einer sauberen Grundlagengeschwindigkeit sowie Grundschnelligkeitstempo. In Richtung Sommer trainieren die Athleten wettkampfspezifischer und auch vermehrt im Bereich Kraftausdauer.

In Deutschland fehlen die Sportlerinnen und Sportler, die bereits in sehr jungen Jahren die Grundausbildung im Schwimmen erhalten haben.

Johann: Für wie wichtig erachtest du Beintraining? Trainiert ihr die Beine regelmäßig?
Daniel Unger:
Beintraining ist beim Schwimmen im Triathlon natürlich auf der einen Seite wichtig, um die Stabilität im Wasser zu halten. Auf der anderen Seite kostet es aber auch eine Menge Energie. Im Wettkampf sollte der Beinschlag vor allem taktisch eingesetzt werden. Zum Beispiel nach den Bojen oder auch, um nach dem Start schnell wegzukommen. Das sieht man an Sportlern wie Vincent Luis, der nach dem Anschwimmen seinen Beinschlag auf ein Minimum herunterfährt.

Johann: Wie siehst du das schwimmerische Können der deutschen Athletinnen und Athleten im Vergleich zur Weltspitze?
Daniel Unger:
Wir haben definitiv sehr gute Triathleten, die auch im Wasser richtig Gas geben können. Ich sehe am Stützpunkt aber auch Athleten wie Andreas Waschburger, der ein Weltklasse-Langstreckenschwimmer war und ist. Unsere Athletinnen und Athleten können im Training teilweise über die fünf Kilometer gut mit ihm mithalten. Waschi schwimmt das Tempo dann aber zehn Kilometer durch. Wenn ich zu unseren Nachbarn, den Franzosen, schaue, sehe ich Athleten wie den eben genannten Vincent Luis, der als 15-jähriger Schwimmer bereits 4:04 Min. geschwommen ist – und dann erst zum Triathlon kam.

Uns fehlen, meiner Meinung nach, teilweise die Sportler, die bereits in sehr jungen Jahren die Grundausbildung im Schwimmen erhalten haben. Sie sind zwar häufig nicht viel schneller, aber dieser kleine Unterschied entscheidet im Triathlon mittlerweile darüber, ob man vorne mitschwimmt oder mit der zweiten Gruppe aus dem Wasser steigt.

Johann: Was müssen die Athletinnen und Athleten denn können, um in der WTCS in der ersten Gruppe aus dem Wasser zu steigen?
Daniel Unger:
1500 Meter auf der Langbahn müssen im Männerbereich schon in 17 Minuten bis leicht darunter geschwommen werden. Gute Beckenschwimmer wie Richard Varga und Javier Gomez schaffen sogar Zeiten unter 16 Minuten. Das ist, meiner Meinung nach, aber gar nicht erforderlich. Schließlich schaffen es diese Athleten auch nicht, dem Hauptfeld wegzuschwimmen, sondern führen das Feld nur an.

Wir richten unser Training für viele unserer Sportlerinnen und Sportler so aus, dass sie dahinter im Hauptfeld mitschwimmen können. Wichtig ist vor allem, dass die Performance aus dem Becken im Freiwasser auch umgesetzt werden kann. Im Freiwasser gibt es immer wieder Situationen – wie zum Beispiel beim Anschwimmen und an den Bojen – an denen sich die Sportlerinnen und Sportler gegen ihre Konkurrenten behaupten müssen. Dafür trainieren wir das regelmäßig auch mit mehreren Leuten auf der Bahn: Es geht darum, sich in einer 1:1- Situation gegen anderen Schwimmer durchsetzen zu können und sich davon nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.

Entscheidend können schon die ersten Meter sein, denn: Bis zur ersten Boje muss man sich positioniert haben.

Johann: Was ist wichtig, um sich in einem Rennen der WTCS zu behaupten?
Daniel Unger:
Entscheidend können schon die ersten Meter sein, denn bis zur ersten Boje muss man sich positioniert haben. Ist man dort nicht vorne mit dabei, ist es umso schwieriger, sich danach noch in Schlagdistanz zu bringen. Bis zur ersten Boje sind es meist nur 200 bis 300 Meter, deshalb ist es so wichtig, eine gute Grundschnelligkeit zu besitzen. Mein Credo ist die kontrollierte Offensive, also: schnell und hart anschwimmen, aber nicht zu hart, um im Anschluss bloß nicht übersäuert zu sein.

Trifft der Athlet diesen Bereich, bewegt er sich nicht zu stark in den hohen Laktatbereichen und kann so weiter mit Power schwimmen. Schwimmerinnen und Schwimmer, die beispielsweise in der Lage sind, zwei Minuten auf 200 Meter zu schwimmen, sollten es schon circa acht bis zehn Sekunden langsamer angehen. Das ist immer noch ein Höllentempo, lässt den Sportler aber nicht völlig auseinanderfliegen. Es ist schließlich erst der Beginn des Rennens …

Es gibt aber auch Athletinnen und Athleten, wie beispielsweise Johannes Vogel, die regelmäßig in der zweiten Hälfte der Auftaktdisziplin viele Positionen gutmachen können. Und damit sind wir bei Renneinteilung, Tempohärte und Orientierung: Wer mit „Auge“ schwimmt und die Orientierung auf der Strecke und im Feld gut beherrscht, hat noch einen großen Joker zur Verfügung. Mittlerweile werden die Athleteninnen und Athleten bei den Wettkämpfen mit GPS-Sensoren „getrackt“. So lassen sich extrem wertvolle Insights herausfiltern. Letztlich schauen wir, was wir im Rennen brauchen, was der Athlet, die Athletin gut kann, wo Stärken sowie Schwächen liegen und steuern das Training entsprechend.

Wer immer nur allein trainiert, wird nicht sein volles Potential ausschöpfen können.

Johann: Trainierst du deine Athleten darauf? Wenn ja: Wie?
Daniel Unger:
Absolut! Wir versuchen, das im Training zu simulieren, um wettkampforientiert unterwegs zu sein. Das Ziel ist immer, unsere Wettkampfleistung zu optimieren.

Eine Beispiel-Serie dafür sind 200- bis 400-Meter-Intervalle, die wir in Vorbereitung auf die Rennen regelmäßig trainieren. Dabei starten die Athleten mit einem Startsprung vom Startblock und müssen 100 Meter im nahezu maximalen Geschwindigkeitsbereich angehen – und direkt im Anschluss ohne Pause 100 bis 300 Meter in einem weiterhin hohen Tempo (Wettkampfgeschwindigkeit) schwimmen. Das Ziel ist es, innerhalb der immer noch hohen Geschwindigkeit den Bereich zu treffen, in dem die Schwellenleistung liegt, und möglichst entspannt anzukommen.

Johann: Trainieren deine Athleten nach einem individuellen Plan oder hast du ein Konzept, das auf alle anwendbar ist?
Daniel Unger:
Schwimmen in der Gruppe ist immens wichtig, um sich weiterzuentwickeln. Wer immer nur allein trainiert, wird nicht sein volles Potential ausschöpfen können. Deshalb trainieren wir gemeinsam, was aber nicht automatisch bedeutet, dass jeder das Gleiche macht. Im Trainer-Team mit Steffen Justus und Andreas Klütsch unterscheiden wir natürlich nach Typ und Leistungsniveau.

Manche Athleten sind eher unten heraus sehr schnell: sogenannte Sprintertypen. Andere wiederum können nicht so gut sprinten, sind aber auf den längeren Distanzen stark. Wir überlegen uns am Stützpunkt zu Beginn der Saison einen Masterplan und wenden diesen dann auf die jeweiligen Schwimmer- beziehungsweise Athletentypen an. Dementsprechend differenzieren wir das Training. So wird jeder in der Gruppe besser und kann gleichzeitig an seinen Potentialen arbeiten. Zudem achten wir auch auf begleitende Trainingsmaßnahmen an Land in den Bereichen Beweglichkeit, Athletik und Kraft.

Johann: Vielen Dank für die Insights, Daniel! Wir wünschen dir viel Erfolg für die kommende Saison und drücken allen deutschen Athletinnen und Athleten beim WTCS-Auftakt in Abu Dhabi die Daumen!

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