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Der 10-Kilometer-Lauf: Drama in zehn Akten

04. Januar 2020


Niclas Bock Laufen Straßenlauf

Ein Straßenlauf ist jedes Mal wieder eine harte Nummer. Ich selbst stand zwar nun schon länger nicht mehr bei einem 10er am Start, dennoch liebe ich diese Rennen. Morgen ist es bei mir endlich mal wieder so weit, es wird also Zeit sich mal wieder ein paar gute alte Erinnerungen in den Sinn zu rufen. Mein innerer Dialog sieht jedenfalls immer gleich aus…

Warm-Up, noch 30 Minuten bis zum Start. Leichtfüßig schwebe ich dahin. In den letzten Tagen hat das Trainingspensum abgenommen, die Muskeln haben sich gut erholt. Die finale Laufeinheit gestern hat sich nochmal schön scheiße angefühlt, ein gutes Zeichen. 15 Minuten später kommen die langen Klamotten runter. Außentemperatur unter 8 Grad? Egal, gelaufen wird in kurz!

Startaufstellung. Natürlich so weit vorne wie möglich. Wie immer wundere ich mich über den Typen in Jogginganzug und Turnschuhen, die man früher beim Sportunterricht in der Halle anziehen musste. Egal wo, bei jedem Lauf steht so einer in der ersten Reihe. Und natürlich führt er die ersten 500 Meter das Feld an. Und jedes Mal frage ich mich: Warum?

Getting ready: Nix gelernt

Der Countdown läuft. 10,9, 8, alle zählen mit. 6,5, eine Hand am Startknopf der Uhr, den Oberkörper leicht nach vorne gebäugt. 4,3, der Plan ist klar: Bloß nicht zu schnell loslaufen, cool bleiben, erstmal alle ziehen lassen und den eignen Rhythmus finden. 2, 1, Los! Das Tempo: halsbrecherisch. Mit dem Schritt über die Startlinie sind alle Vorsätze über Bord geschmissen. Alter, renn!

Der erste Kilometer kommt zügiger als gedacht. Und so einfach! Im Kopf vermerke ich die Sekunden, die ich schneller gelaufen bin als meine gesteckte Pace, auf der Haben-Seite. Ab jetzt beginnt der innere Monolog: „Du hast X Sekunden Puffer. Du hast X Sekunden Puffer. Du hast X Sekunden Puffer.“ So geht das weiter bis Kilometer 2. Oh Gott, fühle ich mich heute gut!

Kilometer drei ist erreicht. Ich liege im zweistelligen Sekundenbereich vor meiner gesteckten Zielzeit, das wird mein Tag. Ungewollt zieht die Gruppe um mich herum davon. Allerdings nicht, weil die Jungs das Tempo anziehen, ich werde ungewollt langsamer. Das checke ich jedoch erst bei Kilometer vier, mein Gefühl bestätigt sich bei Kilometer fünf.

Ich bin am Break Even Point angekommen: Vorher war das Tempo schneller als gedacht und die Anstrengung weniger als erwartet. Nun ist das Tempo langsamer als geplant und die Anstrengung schlimmer als gewollt.

Kilometer sechs: „Du hast noch 1 Sekunde Puffer. Du hast noch 1 Sekunde Puffer. Du hast noch 1 Sekunde Puffer.“ Ich passiere Kilometer sieben und mein Zeitkonto rutscht ins Minus. „Du bist so dumm. Du bist so dumm. Du bist so dumm.“ So geht das weiter bis Kilometer neun. Noch 1.000 Meter, 990, 980, ich fliege wieder! Halleluja, ein Wunder. Nachdem sich die vorherigen drei Kilometer angefühlt haben wie ein Börsencrash, befinde ich mich jetzt wieder auf einem Aufwärtstrend.

Noch 750 Meter, hui. Mir hängt Sabber in der Fresse, sollte ich wegwischen, bekomme es aber erst hinter der Ziellinie mit. 500, 400, 300, meine Lunge brennt, jegliche Koordination hat sich aus meinem Laufstil verabschiedet. Herr Gott bin ich froh, dass das vorbei ist. Mein gestecktes Ziel habe ich natürlich denkbar knapp verfehlt. Aber ich weiß ja woran es lag, beim nächsten Mal mache ich es bestimmt besser!

Das, meine lieben Sportsfreunde, nennt man Selbstbetrug. Wir wissen doch alle, dass es beim nächsten 10er exakt wieder so läuft. In diesem Sinne, viel Spaß beim nächsten Straßenlauf!

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16 Kommentare

  1. Stimmt mit mir fast 100%ig überein – einzig der Sabber hängt nicht erst bei Kilometer 9 im Gesicht 😉

  2. Habe von Zeile eins bis zum Ende mit dir fiebert und gelitten. Ein Drama das jeder versteht! Sau lustig!

  3. … großartig Sportsfreund!
    Du hast mir an diesem trüben Tag ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Bitte mehr davon!!!

  4. Genau so läuft’s. Aber wenn man dranbleibt, verändern sich die Abschnitte und irgendwann kommt auch Mal ein Tag an dem dann die persönliche Post abgeht..Habe aber schön gelacht über deinen Blog.😁

  5. 😂😂
    Genau so! Gerade beim Silvesterlauf so wieder passiert, 4:09er pace war der Plan.
    Bei mir kommt zusätzlich immer noch der Zweifel an der Streckenauszeichnung: 1.km 3:45 „Alter, das Schild kann nicht richtig stehen“, 2.km 4:02 „Na sag ich doch!“ 3.km 4:20 und die beschriebene Gruppe zieht davon – „Irgendwas stimmt hier absolut nicht, und der soll DLV vermessen sein?“ Die nächste Runde zeigt jedoch, stimmt schon alles so. 😄 Am Ende 4:10er Schnitt, Ziel um 12sec verpasst, alles wie beschrieben. 👍😜

    Und ja, im Training lauf ich 20km wie ein Uhrwerk mit maximal 3sec Abweichung pro km.
    Über 100 10km-Wettkämpfe und immer noch ein Anfänger…

  6. Gehe jetzt gleich die Laufschuhe anziehen, der nächste 10er kommt schneller als man glaubt, leiwander Artikel…

  7. Top Artikel und voll aus der Seele geschrieben … aber ich glaube es gibt 2 Philosophien zu solchen Läufen:
    A) ich lauf schnell los ohne zu sprinten und schau wie lang das gut geht -> klappt es bis zum Ende = „geiler Lauf“
    B) ich starte defensiv nach Plan und versuche hinten raus bei kürzer werdender Strecke schneller zu werden -> vermutlich gut und im Plan oder auch mal schneller als der Plan, aber „war der Plan das Best Mögliche Ergebnis?“

    Ich tendiere zu A) Von Anfang an durchziehen und schauen ob die PB fällt, sonst halt mehr trainieren bis es klappt 😂🤷‍♂️ Ist ja immer noch Spaß und kein Beruf

  8. Danke 🤩, war sehr schön zu lesen. Klar lauf ich auch viel zu schnell los . Stimmt es eigentlich das nur Männer so laufen . Kenne einige Frauen die genau , andersrum die Taktik wählen. Langsam los und schnell ankommen . Viel Spaß beim laufen