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Faszination IRONMAN – Zwischen Mythos und Kommerz

24. September 2018


IRONMAN World Championship - Previews

Als sich vor 40 Jahren ein paar Bekloppte zum Kräftemessen über 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer auf Honolulu getroffen haben, hätten sie wahrscheinlich auch nicht geglaubt, dass aus diesem Ausdauer-Dreikampf mal ein millionenschweres Business wird. Wurde es aber. Längst nicht alle Triathleten finden das gut und fühlen sich um „ihren“ Sport betrogen. Wie viel Platz bleibt zwischen Gewinnmaximierung und Business Development noch für Herzblut und Leidenschaft?

  • Titelbild: Getty Images / Ironman

Eines muss uns Triathleten und Triathlon-Fans klar sein: Unser Sport ist wie gemacht fürs Geld verdienen. Die Triathlon-Zielgruppe ist extrem kaufkräftig, springt unheimlich schnell auf neue Trends an, ist offen für Innovationen und strebt ständig nach Verbesserung und Optimierung. Meistens wird erst gekauft und dann überlegt.

Auch für Marketing großer Firmen finden sich viele gute Gründe. Die äußerst positiven Eigenschaften, die uns auszeichnen – oder die uns mindestens nachgesagt werden: Wir sind umweltbewusst und modern, ernähren uns gesund, sind Vorbilder im privaten Umkreis, technikaffin, trendbewusst und eigentlich sowieso ganz toll.

Es ist doch nett, wenn die Sportart, die man selbst betreibt, einen solch guten Stand innehat. Aber viele Triathleten finden das gar nicht so toll. Und das hat seine Gründe.

Interessant ist die rasante Entwicklung der Sportart auf jeden Fall. Und daran hat Ironman wesentlichen Anteil. Nicht nur, dass es mittlerweile weit über 200 Triathlon-Veranstaltungen gibt, die unter dem IM-Label ausgetragen werden, sondern auch an der Professionalisierung und Außendarstellung wird kräftig getüftelt.

Chronologie des IRONMAN Business

  • 1989 – Die World Triathlon Corporation (WTC) wird gegründet und ist fortan Rechteinhaber der Marke IRONMAN.
  • 2005 – Die Marke IRONMAN 70.3 wird gegründet. Rechteinhaber ist auch hier die WTC.
  • 2008 – Die WTC wird von der Investmentgesellschaft Providence Equity Partner gekauft.
  • 2012-2016 – Die WTC kauft insgesamt sieben Rennen der Challenge Family, darunter unter anderem die bekannten Events im Kraichgau, Vichy, Kopenhagen und Barcelona. Alle werden seitdem unter dem IRONMAN- oder IRONMAN 70.3-Label ausgetragen.
  • 2015 – Die chinesische Dalian Wanda Group kauft die WTC für rund 650 Millionen Dollar von Providence Equity ab. Wenige Monate zuvor wurde auch der Sportrechte-Vermarkter INFRONT von Dalian Wanda übernommen.
  • 2016 – Übernahme von Lagardére Sports and Entertainment, die unter anderem die World Triathlon Serien (WTS) Events in Hamburg, Abu Dhabi, Kapstadt, Leeds und Stockholm organisieren.
  • 2019 – Die WSG (Wanda Sports Group) geht als Ironman-Mutter an die Börse. Der Börsengang floppte.

IRONMAN: Erlebnis vs. Dienstleistung

Kann man Erlebnisse verkaufen? Man kann. Ironman beweist das eindrucksvoll. Kaum ein Rennen unter der M-Dot-Flagge ist nicht ausverkauft, was gleichbedeutend mit mehr als 2.000 Teilnehmern bei den meisten dieser Events ist. Mittlerweile ist zwar zu beobachten, dass es bei dem ein oder anderen Ironman etwas länger dauert, bis alle Startplätze vergriffen sind. Aber am Ende heißt es dann doch meistens: Sold out!

Der Trend – vor allem auf der Breitensport tauglichen Ironman 70.3-Distanz – ist weiter steigend. Obwohl die Teilnahmegebühren ein saftiges Niveau erreicht haben.

Allerdings wäre es etwas oberflächlich, einen Ironman (oder Ironman 70.3) als „nur“ ein Erlebnis für den Athleten zu bezeichnen. Es ist eine – mitunter hoch verantwortungsvolle – Dienstleistung, die Ironman als Triathlon-Veranstalter den Athleten (also seinen Kunden) anbietet. Dass Leistung ihren Preis hat ist kein hausgemachtes Ironman „Problem“, sondern ganz normal. Mittlerweile liegen die Startgebühren für einen vollen Ironman bei rund 500 Euro. Für die halbe Distanz, den Ironman 70.3, werden weit über 200 Euro fällig.

Nehmen wir mal an, dass diese Startgebühr in dieser Größenordnung gerechtfertigt ist. Schließlich bekommt man dafür ein Top-Event: (meistens komplett) gesperrte Straßen, gute Verpflegung in ausreichendem Abstand, hochprofessionelle Moderation, eine schöne Finishline und sicher noch ein paar Sachen mehr. Aber all das gibt es bei anderen Veranstaltungen auch. Manchmal sogar besser. Und für weniger Geld.

Allerdings bekommt man bei Ironman und Ironman 70.3 auch: Ziemlich volle Strecken; einen Rollingstart als notgedrungene Alternative zum klassischen Start; (unfassbar) lange Wechselzonen; wenig anspruchsvolle Radstrecken (Ausnahmen bestätigen die Regel); einen Teilnehmer-Rucksack unterster Qualität; kaum „Geschenke“ im Teilnehmer-Rucksack. Diese Dinge sind mir jedenfalls spontan eingefallen.

Wo ist das Ende der Fahnenstange?

Es wurde schon immer kräftig gepoltert, wenn es um Ironman und Startgebühren ging. Außer ein paar Fundamentalisten – denen das alles irgendwann zu bunt oder besser gesagt zu teuer wurde und die daher Ironman mittlerweile boykottieren und keine Chance auslassen es öffentlich zu verkünden – gibt es offensichtlich noch genug Menschen, die sich einen Startplatz für so viel Geld bei einem Ironman-Event kaufen und leisten wollen.

Allerdings sieht man an anderer Stelle, dass längst nicht alle Beteiligten im Ironman-Business mitspielen. Vor Jahren gehörte es quasi dazu, dass die Athleten vor dem Wettkampf ein paar Stunden auf der dazugehörigen Triathlon-Messe verbringen.

Räder gucken, neustes Material auschecken, sehen und gesehen werden.

Die sogenannte „SportExpo“, die Triathlon-Messe von Ironman, ist ein verkommenes Überbleibsel schöner Triathlon-Kultur. Ein Opfer von Reglementierung und übereifriger Geldmacherei. Kaum eine „SportExpo“ lädt zum kurzweiligen Zeitvertreib ein. Außer dem hauseigenen Ironman-Merchandising, einem Laufschuh-Hersteller und einem Nährungsergänzungs-Lieferanten (die übrigens beide große Sponsoren der IRONMAN-Serie sind), finden sich bei den meisten Ironman-Wettkämpfen kaum weitere Marken, die sich einen Ausstellerplatz leisten wollen. Selbst beim Ironman Frankfurt, dem eisernen Flaggschiff, ist die „SportExpo“ längst nicht mehr das, was sie einmal war. Irgendwann ist nämlich mal gut.

Spannend ist folgender Gedanke: Die Entwicklung von Ironman haben bisher vor allem solche Athleten mitbekommen, die schon seit Jahren tief in der aktiven Triathlon-Szene stecken. Allerdings war das Wachstum in den letzten Jahren gewaltig, die Sportart boomt. Immer mehr Menschen wollen sich im Dreikampf ausprobieren, erstmal über die kurzen Strecken. Aber irgendwann auch über die Ironman 70.3- und dann die Ironman-Distanz.

Und diese Leute kennen das nicht anders: Plötzlich sind Stargebühren von mehreren hundert Euro normal, ein Rollingstart logisch, volle Radstrecken der Standard, lieblose SportExpos unwichtig und auseinanderfallende Teilnehmer-Rucksäcke keine Besonderheit. Schließlich kennen sie es nicht anders. Der Sport entwickelt sich – und damit müssen auch die alten Hasen im Triathlon leben. Und das Schöne: Alternativen gibt es immer. Auch zu Ironman.

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3 Kommentare

  1. Hey Bocki – da hab ich dich aber schon mal mit schärferer Zunge sprechen hören. 🙂
    Hau mal wieder ordentlich rein und schreib was du denkst. Das waren immer die
    geilsten Artikel.

  2. Mh.. zu Tobi H.: Immer das Gleiche zu erwarten ist definitiv Stillstand. Guter Artikel und vollkommen richtig. Um Triathlon zu erleben und die Faszination am Sport gibt es genügend sogenannte „Wald und Wiesen Triathlon“ die genau das verkörpern.

    Ich muss aber auch sagen dass es immer Diskussion über Geld gibt. Es ist vollkommen okay Geld mit Triathlon zu verdienen, wer das nicht will startet eben nicht dort.
    Ich warte auf die ersten Kienle Aktionfigur 😁