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Das Gravel-Bike: Besonderheiten und Unterschiede zum Rennrad

17. Februar 2020


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Kies, Schotter, Dreck – hier fühlt sich ein Gravel-Bike am wohlsten. Für uns Triathleten ein ungewohntes Terrain, schließlich fährt es sich mit Rennrad und TT-Bike auf asphaltierten Straßen ja viel angenehmer. Die Unterschiede liegen allerdings nicht nur im Untergrund des Einsatzgebiets, sondern verstecken sich vor allem in vielen kleinen – mal mehr, mal weniger sichtbaren – Details. Schauen wir uns das doch mal genauer an…

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass ein Gravel-Bike ein Rennrad mit dicken Reifen sei. Ganz so einfach ist es aber natürlich nicht. Um der ganzen Sache auf die Schliche zu kommen, möchte ich es ein bisschen strukturiert angehen: Wofür wird ein Gravel-Bike genutzt? Wodurch zeichnet es sich aus? Wo liegen die Unterschiede zum klassischen Rennrad? Und ist Gravel-Bike gleich Cross-Bike?

Einsatzgebiet des Gravel-Bikes

Das Gravel-Bike ist ein sportliches und gleichzeitig komfortables Fahrrad. Es kann problemlos auf der Straße, aber eben auch abseits davon gefahren werden – und dafür ist es auch gedacht. Sicherlich hat ein Gravel-Bike noch nicht so eine lange Geschichte und Tradition, wie die Räder für den Straßenradsport, aber vereinfacht könnte man sagen, dass es sich dabei um ein Rennrad handelt, das einfach ein bisschen mehr kann, als sein direkter Verwandter.

Das Gravel-Bike macht sich die angenehmen Eigenschaften eines Rennrads – zum Beispiel die Agilität, das Sportive und natürlich das Fahrvergnügen – zu Nutze und packt noch ein paar extra Skills hinzu: Größere Flexibilität bei der Routenauswahl, mehr Grip auf unbefestigtem Untergrund oder unbedenklicher Allwettereinsatz, um nur ein paar Stichpunkte zu nennen. So ein Bike kann also ziemlich vielseitig eingesetzt werden: Sei es für den Weg zu Arbeit, zur gemütlichen Tour mit der Family oder aber auch problem- und bedenkenlos zu Trainingszwecken – Abstriche? Erstmal Fehlanzeige.

Gravel-Bike: Unterschiede zum Rennrad

Interessant ist natürlich die Frage, was denn die eigentlichen Unterschiede zwischen Gravel-Bike und Rennrad sind und wie es sich als solches auszeichnet. Neben dem Gravel-Bike gibt es ja auch noch das Cross-Bike – eine besondere Variante, zu der ihr ganz am Ende des Beitrags einen kleinen Exkurs bekommt. Wir bleiben hier nämlich jetzt beim Gravel.

Die Reifen

Knüpfen wir uns zuerst das Augenscheinlich vor: Die Reifen. Vom Straßenrad kennen wir schmale, kaum profilierte Reifen – fürs Training gerne möglichst pannensicher, für den Wettkampf mit geringem Rollwiderstand. Klassischerweise liegt die Reifenbreite bei 23-25 Millimetern. Die Schlappen am Gravel-Bike sind anders, aber keineswegs unbrauchbar, wenn man auf der Straße unterwegs ist: Durch die breiten, profilierten Reifen ergibt sich auf Asphalt ein enormer Komfort mit angenehmer Laufruhe. Der typische Gravel-Reifen misst 40 Millimeter.

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Mit den dünnen, oftmals glatten Rennradreifen würde man in solch einem Terrain schnell an die Grenzen stoßen – oder auf die Nase fliegen.

Auf unbefestigten Wegen – im Wald, auf Schotter, im Matsch oder Sand, also im „Gravel-Wohlfühlgelände“ sozusagen  – verliert man Dank der breiteren Auflagefläche und des Profils selten die Kontrolle über das Bike, außerdem nehmen Fahrsicherheit und -stabilität spürbar zu. Auch einer dieser Punkt, die wir als Triathleten nicht ganz vergessen sollten: Das Fahren abseits der Straße stellt neue Anforderungen in Sachen Radbeherrschung, Koordination und Fahrtechnik. Kein schlechter Reiz, vor allem für diejenigen, die bei Wettkämpfen gerne auf technisch anspruchsvollen Strecken unterwegs sind.

Lenker und Griffe

Es gibt drei Kontaktpunkte zwischen Fahrer und Material: Sattel, Pedale und Lenker. Also der Reihe nach. Beim Lenker fallen die auffälligen Brems-Schaltgriffe ins Auge. Es macht übrigens keinen Unterschied, ob diese aus dem Hause Shimano oder SRAM kommen, besonders viel Grip liefern beide Hersteller durch eine spezielle Profilierung. Schließlich sollte trotz Schlamm, Wasser oder sonstigen Einflüssen gewährleistet sein, dass einem nicht plötzlich der Lenker durch die Finger flutscht. Eine Garantie gibt es logischerweise nicht, aber geriffelte oder gemaserte Griffe sind am Gravel-Bike quasi Standard.

Ein weiteres Unterscheidungs-Merkmal zum Rennrad ist der Lenker: Beim Gravel-Bike ist dieser etwas breiter, als wir es vom Straßenrad gewohnt sind. Das ist deshalb so, weil dadurch eine breitere Griffposition ermöglicht wird, wodurch wiederum die Kontrolle des Bikes verbessert wird. Auch spielt der Komfort eine wichtige Rolle – so verteilen sich Schläge oder Vibrationen in rauem Gelände etwas besser und das Fahren wird angenehmer.

Auffällig ist außerdem, dass die Unterlenker beim Gravel-Bike leicht nach außen gewinkelt sind. Auf dem Foto erkennt ihr auch, dass die Bremsgriffe leicht von oben-innen nach unten-außen stehen. Nicht etwa, weil der Mechaniker schief geschaut hat, sondern weil dadurch das Handling besser und einfacher wird.

Spezieller Look: Das Lenker des Canyon Grail CF SL ist ein ziemlicher Hingucker, viel diskutiert und mitunter belächelt. Sinn und Zweck soll sein, dass der Fahrkomfort bei längeren Touren, bei denen man gerne am Oberlenker anfasst, spürbar zunimmt.

Komponenten

Es gibt spezielle Komponenten fürs Gravel-Bike, ja. So zum Beispiel die GRX Serie von Shimano. Sollte ich es kurz und knackig auf den Punkt bringen, dann würde ich vermutlich leichtfertig sagen, dass es sich dabei um eine Kreuzung von Mountainbike- und Rennrad-Komponenten handelt. Ich habe zum Beispiel hinten eine 11/34-Kasette montiert – 34 Zähne brauche ich auf dem Rennrad wahrscheinlich nie, mit dem Mountainbike hingegen ziemlich sicher. Mein großes Kettenblatt vorne hat 48 Zähne, das kleine 31 – beim Rennrad würde ich sagen, dass das eine Kindergarnitur ist, am Gravel-Bike ist es in der Kombi mit 11/34 hinten für mich aber eine perfekte Kombi.

Ich persönlich fahre die elektronische Di2-Variante, die mittlerweile ja auch am Rennrad und TT-Bike weit verbreitet ist. Ich liebe die Präzision und möchte darauf ehrlicherweise nicht mehr verzichten. Aber – und das gilt nicht nur bei der Frage ob mechanische oder elektronische Schaltung – am Ende ist am Gravel-Bike wirklich alles möglich. Wer zum Beispiel eine andere Abstufung bei der Kassette braucht, feel free! Wer vorne lieber mit nur einem Kettenblatt, anstelle von zwei Blättern fährt, do it!

Und kurz noch ein Blick auf die Bremsen: Fast schon logisch, dass sich am Gravel-Bike Scheibenbremsen finden lassen. Die Zuverlässigkeit dieser Bremsen ist schlicht und einfach unschlagbar, wenn man mit dem Rad durch den Dreck fährt, Pfützen mitnimmt und/oder bei wechselnden Witterungsbedingungen unterwegs ist. Viel zu sagen gibt es an dieser Stelle eigentlich nicht.

Pedale

Auch hier sage ich vorweg: Es gibt keine Regel und es gibt auch keine Produktart „Gravel-Pedale“. Es gibt aber eine Empfehlung und die lautet: SPD-Pedale! In Kombination mit Mountainbike-Radschuhen macht es durchaus Sinn am Gravel-Bike auf Rennrad-Pedale und -Schuhe zu verzichten. Denn, je nach Terrain, kann es natürlich schonmal vorkommen, dass man vom Gravel-Bike steigen und ein paar Meter zu Fuß bewältigen muss. Das macht in Rennradschuhe, die meistens nur eine glatte Sohle haben, keinen Spaß und wird schnell zur gefährlichen Rutschpartie. Mountainbike-Schuhe hingegen haben eine profilierte Sohle, mit der man auch mal problemlos ein bisschen durch den Wald stapfen kann.

Geometrie und Radstand

Kommen wir zu den Dingen, die man auf den ersten Blick vielleicht nicht unbedingt sofort erkennt. Geometrie und Radstand. Der Radstand besagt simpel ausgedrückt, wie weit Vor- und Hinterrad voneinander entfernt sind. Beim Gravel-Bike ist der Radstand länger, als beim Rennrad. So entsteht mehr Laufruhe und die – fürs Gravel typische – Fahrdynamik, die sich durch das beschriebene Gefühl von Sicherheit und Komfort auszeichnet.

Obwohl es bisher so klingen mag, dass Gravel-Bike und Rennrad in allen Bereichen außer den technischen Komponenten identisch wären, so stimmt das nicht ganz: Die Geometrie eines Gravel-Bikes ist durchaus mehr auf Komfort ausgelegt, während es bei den meisten Rennrädern deutlich sportlichere Rahmendesigns zu finden gibt.

Bei vielen Gravel-Bikes erkennt man beispielsweise einen längeren Hinterbau, um den Radstand zu vergrößern – die Thematik hatten wir ja gerade bereits. Tendenziell weisen Gravel-Bikes außerdem ein längeres Steuerrohr als Rennräder auf und die Rahmen haben oftmals eine geslopte Form (in Worten beschrieben: Das Oberrohr fällt von Steurrohr in Richtung Sitzrohr leicht ab) aus Gründen von zusätzlichem Komfortgewinn.

I like! Das Gravel-Bike und ich sind auf Anhieb Freunde geworden. Jan wird sich in einem separaten Blog nochmal den Vorzügen das Gravelns widmen.

Exkurs Cyclo-Cross

Auf der einen Seite des Gravel-Bikes steht das, uns bekannte und vertraute, Rennrad. Auf der anderen Seite steht das Cross-Bike. Wie einige von euch vielleicht wissen, gibt es die sogenannten Cyclo Cross-Rennen. (Wer es noch nicht kennt: Es lohnt sich die Rennen als Zuschauer zu verfolgen!). Auch ein Cross-Bike erinnert optisch schnell ans Rennrad. Und tatsächlich kommt es ihm sogar noch etwas näher als das Gravel-Bike. Es ist deutlich stärker auf Performance getrimmt: Die Geometrie ist auf eine aggressivere, sportliche Sitzposition ausgelegt – weniger auf Komfort.

Während es beim Gravel-Bike um längere Tourenfahren geht, ist ein Cross-Bike viel eher für den Einsatz im Wettkampf – eben dem Cyclo Cross – konzipiert. Wenn ihr an solchen Rennen teilnehmen möchtet, dann „müsst“ ihr leider einen Bogen ums Gravel-Bike machen. Denn für die Teilnahme an Cyclo Cross-Wettkämpfen bedarf es einem Rad, das den Richtlinien der UCI entspricht. Bei Cross-Rädern ist das üblicherweise der Fall und kann von euch leicht anhand des entsprechenden UCI-Labels überprüft werden.

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  • Hört euch gerne mal den Podcast an, den Jan mit Daniel Heyder, Produktentwickler bei Canyon, über Philosophie, Spirit, Training und die Entwicklung des Gravel-Bikens aufgenommen hat. Hier geht es direkt zur Podcast-Episode
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