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Rookie-Report: Immer nur Arbeit und Training – macht das wirklich glücklich?

03. Juni 2022



„Train. Eat. Sleep. Repeat.“ – ein Credo, das im Triathlon durchaus als erstrebenswert gilt. Aber ist es wirklich so erfüllend? Brauchen wir nicht doch etwas mehr? Und was tun, wenn du feststellst, dass dir bei all dem Training das Privatleben flöten geht?

Es gab eine Zeit, da war die Antwort auf die Frage nach meinem größten Wunsch klar: „Ich möchte einfach mal in Ruhe trainieren können – ohne morgens ein Schulbrot schmieren zu müssen oder für jede lange Radausfahrt Beziehungsstress zu riskieren.“ Zahlreiche Schulbrote, eine Beziehung und einige Trainingsstunden später ist meine Sicht der Dinge jedoch eine andere.

Denn obwohl ich dank Homeoffice, einem beeindruckend selbstständigen Kind und neuer Unabhängigkeit mein Training einigermaßen gut zur vollen Arbeitswoche durchziehen kann, treibt mich seit einigen Tagen ein Gedanke um: Erfüllt mich dieses Wechselspiel aus Arbeit und Training wirklich so sehr, wie ich immer dachte?

Eskalation im Hamsterrad

Dass Triathlon und das dazugehörige Training vereinnahmend sein können, ist kein Geheimnis. Das stellt spätestens fest, wer einige Wochen in diesem Modus unterwegs ist. Fazit: drei Sportarten, drei Optimierungsbereiche und damit drei Möglichkeiten, völlig im Hamsterrad durchzudrehen. Spaß macht es trotzdem, sich diesem großartigen Sport und der noch großartigeren Szene hinzugeben. Sonst würden wir es schließlich nicht machen und der Club der Triathleten würde nicht stetig wachsen. Genau darin liegt allerdings die Crux.

Denn an ebendieser Club-Mitgliedschaft sind schon Beziehungen und Freundschaften zerbrochen. Das ist kein Mythos, sondern die logische Konsequenz, wenn man als Agegrouper mit begrenztem Zeitkontingent in einen derart zeitaufwendigen Sport eintaucht. Plötzlich dreht sich alles nur noch darum, weil man für anderes ohnehin keine freie Zeit mehr hat. Für Mitmenschen wird es umso schwerer, die Begeisterung dafür mit wohlwollend interessiertem Nachfragen zu füttern. Anders ausgedrückt: Plötzlich verstehen nur noch Triathleten, wovon Triathleten eigentlich die ganze Zeit labern. Und es kann ganz schön erschreckend sein, genau das selbst festzustellen. Da bleibt man doch lieber unter Seinesgleichen. Der Club wird somit noch exklusiver, als er ohnehin schon ist. Schwierig.

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Triathlon ist nicht alles – aber ein guter Anfang!

Dass das nicht glücklich macht, erklärt sich von selbst. Der Mensch – ja, auch der Triathlet – ist schließlich ein soziales Wesen. Umso mehr frage ich mich allerdings, woher dieses „Work. Train. Eat. Sleep. Repeat.“-Ding kommt? Und vor allem: Warum es sich über Generationen, offensichtlich bis hin zu meiner, so wacker halten kann? Denn wenn es doch gar nicht glücklich macht, warum sehnen wir uns so danach?

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Triathlon und das vorangehende Training machen durchaus glücklich. Ein paar Stunden auf dem Rad, lange Züge durch das kühle Nass oder ein Lauf genügen und der Kopf ist frei, die Stimmung besser, der Blick aufs Leben ein anderer. Ein Hoch auf Endorphine, Adrenalin & Co. – lieb’s! Aber ist das wirklich nachhaltig? Der ewiggesuchte Schlüssel zur Zufriedenheit, die auch dann anhält, wenn man gerade nicht auf dem Rad, im Wasser oder in den Laufschuhen unterwegs sein kann …? Leider nein!

Balance is key!

Dass das vermeintliche Ideal gar nicht so ideal ist, fiel mir kürzlich auf, als ich abends gefragt wurde, wie mein Tag eigentlich so gewesen sei. Ich antwortete „War unspektakulär … Arbeit, Training und Kind halt.“ – und bemerkte, dass ich das Gleiche vermutlich auch am nächsten, übernächsten und überübernächsten Tag antworten würde. Klar, ein ganz solider Tagesverlauf, aber: laaangweiliiig! Außer Spesen, ähm, Pacen nichts gewesen?

Und apropos „Work“ und „Train“: Wie sehen das eigentlich diejenigen, bei denen das Training tatsächlich die Arbeit ist? Ich frage bei der vierfachen Ironman-Siegerin Daniela Bleymehl nach: „Natürlich ist es toll, sich beispielsweise in einem Trainingslager voll und ganz aufs Training konzentrieren zu können – also, ausschließlich auf ‚Work‘ und ‚Train‘. Aber eben auch nur phasenweise. Dauerhaft ohne Privat- oder Familienleben wäre für mich keine Option!“ Ist das Geheimnis von Top-Leistungen im Triathlon also schlichtweg, die Balance gefunden zu haben – und eben auch noch andere Lebensinhalte als Triathlon zu haben?

Ich lasse die Frage mal so stehen. Fakt ist, beantwortet habe ich sie für mich persönlich noch nicht. Aber vielleicht kommt mir die Antwort ja demnächst – zum Beispiel beim Schwimmen, Radfahren oder Laufen. Dabei hat man als Triathlet nämlich endlich mal Zeit, genau darüber ausgiebig nachzudenken …

In diesem Sinne: Stay balanced!

Lena

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7 Kommentare

  1. Großartig dein Beitrag. Ich kann deine Gedanken gut nachvollziehen, da mein eben genau so aussieht und ich nach 2 Jahren LD Training mein Sozialleben und auch das klassische nichts-tun wirklich vermisse. Nicht das ich faul wäre, aber die Seele streicheln gehört eben auch zum Leben. Schreibvorgänge weiter!

  2. Kann ich alles sehr gut nachvollziehen. Zumal es für viele wahrscheinlich eher „train-work-train-eat-sleep-repeat“ bedeutet. Ich habe schon öfter zu Freunden gesagt: Ja, der Trainingsplan geht ja nur noch bis Tag X. Danach…. ja, danach fängt dann meist der neue Plan an. Verdammt. Mal sehen wie lange noch.

  3. Es gibt als Agegrouper im Rentenalter, also in der selbstbestimmten Zeit jenseits der Arbeit, noch einen weiteren Aspekt. Einerseits ist es doch wunderbar, ein riesiges Reservoir an Lebenszeit für den geliebten Sport zur Verfügung zu haben.

    Natürlich gibt es ebenfalls die geliebte Familie, die sozialen Kontakte und evtl. weitere selbstbestimmte Verpflichtungen (z. B. ehrenamtliche Tätigkeit), aber die Berufstätigkeit mit ihren körperlichen und mentalen Auswirkungen – bis in die Freizeit hinein – fällt weg.

    Ein fast wunderbarer Zustand.

    Stattdessen rücken „altersgemäß“ gesundheitliche Themen etwas mehr in den Vordergrund und das weiterhin verbunden mit dem Leistungsgedanken, der im Triathlonsport – jedenfalls in der Langdistanz sehr ausgeprägt – sicherlich zur DNA gehört. Finishen ist ja schon eine enorme Leistung.

    Der Leistungsgedanke ist – wie bei mir – noch vorhanden und hat mich natürlich auch seit meiner Kindheit über Schule, Ausbildung, Studium und Berufstätigkeit geprägt. Warum möchte ich diese Leistung erbringen? Was sind meine inneren Antreiber, die meine Balance beeinflussen?

    Ich gehöre doch noch nicht zum „alten Eisen“; ich will kein „Old-Ironman“ sein, zumal ich ja schon gefinisht habe. Mein triathlonspezifischer Ansatz, der „Weg ist das Ziel“ kulminiert auch im Alter im eigenen Anspruch, ich will es mir noch einmal beweisen und in der Langdistanz finishen, denn nur das zählt doch, oder? Natürlich quatsch.

    Ja, die „Balance ist der key“ und dies bedeutet auch evtl. loslassen zu können um die Liebe zum Sport nicht zu verlieren, um wieder in die Balance zu kommen, den wie gesagt “Der Weg ist das Ziel“ und der Wettkampf ist das Sahnehäubchen, (jedenfalls für mich).

    Des Weiteren weiß ich: Der Kuchen schmeckt auch ohne Sahne.
    Wenn es denn so einfach wäre!

  4. Als ich 1991 mit dem Triathlon begonnen hatte, kam ich aus dem Ausdauersport und wusste wie zeitintensiv dieser Sport ist. Der damit einhergehende „Lifestyle“ entwickelte sich seinerzeit zunehmend und wurde durch die Berichterstattung aus Hawaii jährlich genährt. Gut 18 Jahre später und um viele Wettkämpfe auf allen Distanzen reicher, wurde mir mein verarmtes Sozialleben bewußt. Mit jedem Jahr schwand meine Motivation z. B. auf Kino, Theater, Konzerte und Treffen mit den nur noch spärlichen Freunden außerhalb der Triathlon-Szene zu verzichten, weil am nächsten Tag mal wieder eine lange und/oder intensive Trainingseinheit/Wettkampf anstand. 2011 zog ich dann die Reißleine in Sachen Triathlon, für weitere 5 Jahre fuhr ich noch Radrennen und dann war endgültig Feierabend. Während meiner aktiven Zeit war ich immer ehrenamtlich in Verein und als Kampfrichterin im Verband tätig.
    Rückblickend kann ich jetzt nach 6 Jahren (und 30 kg mehr Gewicht) sagen, es gibt auch ein Leben außerhalb des Triathlons, das sehr erfüllend ist. Mein Blick hat sich für viele andere wichtige Themen geöffnet. Mein Leben ist gefüllt mit ehrenamtlichen Tätigkeiten (u.a. in der Kommunalpolitk) und ich freue mich schon sehr auf den Ruhestand in ein paar Jahren. Wer weiß, ob ich dann mit einer zweiten Triathlonzeit wieder einsteige – wenn der berufliche Part entfällt – die Motivation dafür ist zurück und der Kopf für neue Taten bereit ist.

  5. Als introvertierter Mensch sehe ich das anders: Ein Grund für meine Trainingsbegeisterung liegt genau darin, dass ich in diesen 12-15 Std pro Woche niemanden sehe und ganz für mich alleine sein kann. Das gibt mir Kraft und Energie (die ich dann bei diversen sozialen Events wieder aufbrauchen kann ;).

  6. Mein Credo ist: Schaffe dir Erinnerungen! Jeden Monat. Jede Woche. Jeden Tag. Wann immer es geht!
    Ich werde mich weder an meine harte Arbeit, an stundenlange Serien/ Filmmarathone, ewig lange und harte Trainingseinheiten etc. pp. erinnern.

    Was aber bleibt ist das Gefühl über die Ziellinie zu kommen, beim Lauf die Sonne auf dem Gipfel genießen. Länder zu bereisen. Mit der Familie gemeinsame Momente genießen. versuche achtsam und dankbar durch das Leben zu gehen und zwischendurch immer wieder aus dem Hamsterrad auszubrechen.
    Homeoffice kann man auch 4 Tage von Malle aus machen.
    Ein spontanes grillen mit Freunden geht auch immer
    Oder ein Rennen zum Spendenlauf zu erklären und sich in der Orga mit einbringen.
    Es gibt so viele tolle Dinge. Das klappt leider nicht immer und ab und zu gibt es Phasen da muss man sich durchbeißen.

    Die Frage ist doch wenn ich etwas anderes machen würde, wäre ich dann glücklicher oder erfüllter?? 🙂

  7. Ich bin jetzt zwar noch nicht so lange in diesem exklusiven Club der Triathleten, aber ich merke schon den Einfluss auf Freizeit und Freundschaft! Obwohl ich versuche einen Großteil meines Trainings in die sehr frühen Morgenstunden zu legen, so geht das eben nicht bei allen Einheiten. Lange Ausfahrten auf dem Rad, aber auch das Schwimmen sind einfach Einheiten, welche zu „normalen“ Tageszeiten durchgeführt werden und somit ins Familienleben eingreifen. Besonders stark merke ich das seit ich mich für meine erste Langdistanz in diesem Jahr in Frankfurt vorbereite. Mindestens ein Tag am Wochenende entfällt auf eine größere Trainingseinheit!
    Aber mindestens einmal will ich das wenigstens probiert haben. Und danach werden wir weitersehen…

    Und was das Hamsterrad angeht, ja da ist man irgendwie drinnen sobald man mit Triathlon einmal angefangen hat. Kommt nur drauf an welche Distanzen man absolvieren will. Diese definieren dann, glaube ich zumindest, ein Stück weit wie sehr man darin gefangen ist.

    Trotzdem ist es einfach ein toller Sport und ich ärgere mich nicht schon viel früher das erkannt zu haben als mit Ü40!