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Wettkampf: So gelingt der Triathlon-Wiedereinstieg

18. Mai 2021


Triathlon Wettkampf Neustart

Klingt verrückt, aber vielleicht finden dieses Jahr tatsächlich noch ein paar Triathlons für den Breiten- und Amateursport statt. Wer dann an der Startlinie steht, hat eine ziemlich lange Wettkampfpause hinter sich. Wir haben Coaches gefragt, wie ihr am besten wieder reinkommt ins Renngeschehen: So gelingt der Wettkampf Wiedereinstieg!

Auch wenn die großen Rennen wie der Ironman Frankfurt und die Challenge Roth in den Spätsommer und Herbst verschoben wurden: spätestens seit der Challenge Gran Canaria am 23. April glüht der Hoffnungsfunke bei vielen Triathleten vermutlich wieder ein bisschen stärker, dass 2021 doch noch ein paar Wettkämpfe stattfinden.

Keine selbstorganisierten, so nett die auch mal sein mögen, sondern „echte“: mit Zeitnahme, mit anderen Athletinnen und Athleten und mit der Pre-Race-Nervosität, dem Kribbeln, dem Schmerz und mit dem Freudentaumel beim Überqueren der Ziellinie.

Emotionen und Situationen, die bei den meisten schon gut eineinhalb Jahre zurückliegen, rechnet man Off-Season 2019 und pandemiebedingte Rennabsagen 2020/2021 zusammen. Da ist es gut möglich, dass unbändiger Rennwille auf eine Wettkampfroutine trifft, die etwas eingerostet ist.

Wie ging nochmal dieser Triathlon?

Wann hat man das letzte Mal mit vor Aufregung zitternden Fingern versucht, den Kinnriemen des Fahrradhelms zu schließen? War erst linke Socke, linker Schuh oder erst beide Socken und dann die Schuhe die schnellere Wechselvariante beim Laufen? Und kriegt man das Losschwimmen im Pulk überhaupt noch hin, ohne in Panik zu geraten?

Es ist durchaus wahrscheinlich, dass die Anspannung bei einigen trotz der Vorfreude größer ist als sonst. Es gibt sogar einen Begriff für eine besonders ausgeprägte Form: „Wettkampfangst“.

Dazu erklärt ein Beitrag auf der Webseite des Instituts für Sportwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, dass die meisten Leistungssportlerinnen und -sportler sie empfinden. Immerhin. Aber natürlich ist es auch eine Persönlichkeitsfrage, wie aufgeregt eine Athletin oder ein Athlet an den ersten Wettkampf nach der Zwangspause, oder an den ersten Triathlon überhaupt, herangeht.

Nervenbündel vs. Rampensau

Eher ängstliche Menschen werden nervöser sein und sich mehr Gedanken darüber machen, was alles schiefgehen kann. „Wettkampf-Rampensäue“ sind vielleicht so heiß darauf, sich endlich wieder bei tickender Race-Uhr mit anderen zu messen, dass sie das Rennen viel zu schnell angehen oder vor lauter Eifer Leichtsinnsfehler machen, die ihnen das letzte Mal als Rookie passiert sind.

Erfahrene Sportler liegen gegebenenfalls der (Fehl-)Annahme auf, dass sie die Abläufe eines Triathlonwettkampfs dermaßen intus haben, dass sie auch nach Monaten noch Wechsel und Abläufe wie im Schlaf können und die verbleibende Zeit bis zum Start lieber für ein paar mehr Trainingskilometer nutzen.

Wieder andere wollen beim ersten Wettkampf nach so langer Zeit unbedingt gut abschneiden, ein perfektes Rennen hinlegen und machen sich deswegen riesigen Druck. Eines haben sie alle gemeinsam: wenn’s dumm läuft, stehen sie sich ganz schön selbst im Weg und können nicht in dem Maße genießen, wieder zu racen, wie es der Anlass eigentlich verdient.

Frust statt Freude? Bloß nicht! Deshalb haben wir einige Coaches gebeten, uns ihre besten Tipps für den Wettkampf-Wiedereinstieg zu verraten.

Erwartungen: hoch, runter, relativieren?

Nehmen wir an, es zeichnet sich ab, dass das gemeldete Rennen tatsächlich stattfindet. Der Countdown läuft, das Gedankenkarussell beginnt, sich umso mehr zu beschleunigen, je näher der große Tag rückt. Was kann man erwarten, sollte man überhaupt etwas erwarten?

Nach so langer Zeit ohne Wettkampf ist es verdammt schwer einzuschätzen, wie der Körper auf die Ausnahmesituation in einem Rennen und die damit verbundenen Stressoren reagieren wird.

„Aufregung und Respekt sind absolut verständlich“, räumt die selbstständige Triathlontrainerin Laura-Sophie Usinger ein, die unter anderem Anna-Lena Best-Pohl, die siebt- und damit bestplatzierte Deutsche der Challenge Gran Canaria 2021 coacht.

„Aber“, so gibt sie zu bedenken, „es gibt in jeder Saison einen ersten Wettkampf; und der liegt immer einige Monate, und damit eine lange Zeit, zurück.“ Es könne beim Wiedereinstieg helfen, sich daran zu erinnern, dass man das „Comeback“ in den Saisons davor auch schon gemeistert hat.

Der Hamburger Ex-Profi und Coach Nils Goerke setzt zum einen auf das Adrenalin, das „sich bei vielen schon am Tag vor dem Rennen einstellt und euch am Raceday Kraft verleiht.“ Da der erste Saisonwettkampf ohnehin immer die größte Ungewissheit, aber auch das meiste Lernpotenzial bietet, empfiehlt er zum anderen, die Dinge nicht zu verbissen zu sehen und jeden Moment, „den ihr am Wettkampftag als negativ bewertet oder der einen negativen Gedanken auslöst, mit einem fetten Grinsen zu quittieren. Ihr habt schließlich lang genug gewartet, dass ihr endlich wieder ran dürft!“

Das sehen Astrid Stienen und Chris Decker von Triworx Coaching genauso, sie sagen: „Wir waren und sind aufgrund der Pandemie in vielen Bereichen eingeschränkt. Wenn wir endlich wieder etwas machen dürfen und mehr bzw. neu gewonnene Freiheit haben, dann genießt den Wettkampf, habt Spaß und freut euch, wieder etwas mit anderen Menschen teilen zu können. Ergebnisse sind jetzt zweitrangig, es geht um unsere Leidenschaft. Versucht, loszulassen.“

Damit Ergebnisfrust von vornherein keine Chance hat, hat Trainerin Manuela Dierkes von Manusports einen Tipp: „Das erste Rennen sollte nicht der Saisonhöhepunkt sein. Es ist dafür da, entspannt zurück ins Renngeschehen zu finden. Nehmt Abstand davon, dass das erste Rennen nach so langer Pause gleich ,PB-Day‘, also Bestzeittag, sein muss. Nehmt den Druck raus.“

Mentales: was wäre, wenn – und was, wenn nicht?

Ja, es ist sinnvoll, mit einer gewissen Planung in den Wettkampf zu starten: „Geht vor dem Rennen die Abläufe mental genau durch“, rät zum Beispiel Nils Goerke. „Wo steht mein Rad, wie sind die Wege aus der Wechselzone zum Radfahren und Laufen, wo positioniere ich mich beim Start, mit welcher Intensität schwimme ich an und wie fühlt es sich an, wenn ich ein paar Schläge abbekomme und Wasser schlucke, wie sind die Abläufe beim Neoausziehen … bis hin zum Zieleinlauf. Je genauer das Drehbuch schon vor dem Rennen geschrieben wird, desto vertrauter wird sich das Rennen anfühlen.“

Überanalysieren sollte man aber nicht. Das führt im Extremfall nur dazu, dass man sich Lösungen für Probleme überlegt, die es gar nicht gibt. Dann lieber ein bisschen Raum für das wohlige Kribbeln lassen, das heißt: neugierig bleiben, auf das, was da kommt. Flexibel reagieren, wenn etwas kommt, das so nicht geplant war. Und locker bleiben.

Denn, so wirft Manuela Dierkes ein: „Wir sitzen doch alle in einem Boot. Richtig Schwimmen konnten wir in den letzten Monaten alle nicht trainieren, alle hatten zwischendrin mal Motivationsprobleme und alle mussten den Alltag neu sortieren.“ Jeder hatte sein Päckchen zu tragen, jetzt ist es an der Zeit, es für ein paar Stunden abzuwerfen und zu genießen, dass man den schönsten Sport der Welt wieder in seiner reinsten Form ausüben darf.

Wettkampf: davor, währenddessen, danach

Nach einer so langen Durststrecke ohne Rennen, ist es wahrscheinlich, dass man spätestens auf dem Wettkampfgelände, beim Anblick all der anderen Athletinnen und Athleten, dem scheinbar endlosen Weg zur ersten Boje und dem ganzen Trubel um einen herum, unsicher wird und beginnt, sich einzureden, „dass das doch gar nicht gut werden kann“.

Dann hilft es, sich in Erinnerung rufen zu können, dass es ein Gerüst gibt, an dem man sich entlanghangeln kann, das heißt: „Für den Wettkampf selbst sollte man einen Rennplan mit realistischen Watt- und Pace-Vorgaben, inklusive Verpflegungsmenge und -timing, haben“, so Laura-Sophie Usinger, also einen Plan mit und für möglichst alle Faktoren, die man selbst beeinflussen kann.

„Außerdem sollte man verinnerlicht haben, wie die Wechsel funktionieren“, raten Astrid Stienen und Chris Decker. Da die Routine über die Monate bei den meisten gelitten haben dürfte, empfehlen sie, „zu Hause einfach mal eine Wechselzone aufzubauen und einen Mini-Triathlon durchzuführen, bevor es endlich wieder ernst wird.“

Für einen geschmeidigen Wechsel kann es auch hilfreich sein, zusätzlich die einzelnen Schritte in ihrer Reihenfolge aufzuschreiben und zu visualisieren. „Zusammen mit dem Wechseltraining lassen sie sich für den Wettkampf dann fast automatisieren“, so die Triworx-Coaches.

Darüber hinaus sollte man mit genügend Vorlauf das Material nochmal durchschauen beziehungsweise anprobieren. Schließlich ist vieles lange nicht im Einsatz gewesen, und was man direkt vor dem Wettkampf überhaupt nicht brauchen kann, ist ein Neo, der nicht mehr zugeht, eine Brille, deren Kopfband spröde geworden ist, oder Gels, die letzten Winter bereits abgelaufen sind.

„Und mal ganz ehrlich: eine saubere, surrende Kette hört sich doch auch viel genialer an, oder?“, finden Astrid und Chris, die übrigens auch der Meinung sind, dass für den ersten Wettkampf nach so langer Zeit das beste Equipment gerade gut genug ist:

„Egal ob Quali-Wettkampf oder Wald- und Wiesenrennen – packt endlich mal wieder die Scheibe aufs Rad und freut euch über das Wummern. Tut so als wäre es das größte Rennen, das es für euch je geben wird. Zelebriert den Triathlon! Das macht zum einen unglaublich Freude, zum anderen sammelt ihr die Praxis, die notwendig ist, um mit dem Material wieder vertraut zu sein, wenn es darauf ankommt.“

Im Anschluss an den ersten Wettkampf geht es dann an die Analyse. „Vermutlich habt ihr in den letzten Wochen und Monaten der Vorbereitung viel improvisiert und seid deswegen sicher nicht zu hundert Prozent top vorbereitet gewesen – wenn man das überhaupt jemals ist“, erklärt Nils Goerke und empfiehlt, deshalb umso genauer hinzugucken, was gut funktioniert hat, was weniger gut, und welche Zusammenhänge zu den Trainingsleistungen der Vorwochen und -monate bestehen.

„Habt dabei das große Ganze im Blick und versucht so, Rückschlüsse fürs Training und für die kommenden Rennen zu ziehen; in der großen Hoffnung, dass bald wieder eine gewisse Routine und Konstanz in eurem individuellen Rennkalender herrschen wird“, sagt er und seine Coach-Kollegin Laura-Sophie Usinger ergänzt:

„Spürt die Dankbarkeit dafür, dass der Wettkampf stattfindet und dass ihr gesund am Start stehen könnt – das erdet.“ Und wer geerdet ist und bleibt, den werfen kleine Pannen nicht aus der Bahn. Nicht nach einer mehrmonatigen Zwangspause, und auch nicht, wenn (hoffentlich bald) wieder normaler Rennbetrieb herrscht.

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1 Kommentare

  1. Bei uns fand am Wochenende das erste Rennen seit gefühlt zwei Jahren statt, ein Sprint mit verkürztem Schwimmen. War richtig spannend, vor allem die Szenen in der Wechselzone, dachte zu Beginn nur mir ist es so gegangen aber nach dem Rennen hat sich herausgestellt, das viele die ähnlichen Erlebnisse hatten; Neo ging nicht runter, Neo auf Laufschuhe oder Radschuhe gelegt (alles nass) , beim Reinlaufen zum Platz mal unabsichtlich Schuhe auf die Seite gekickt, Helm nicht auf den Kopf gebracht bis man draufgekommen ist das Schwimmkappe und Brille noch auf sind … usw. 🙂
    Aber hat richtig viel Spaß und Lust auf mehr gemacht 😀

    Liebe Grüße aus Österreich