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Den Zyklus nutzen, um sinnvoll zu trainieren

29. April 2020



Habt ihr euch schon einmal gefragt, warum ihr in bestimmten Phasen eures Zyklus unterschiedlich auf Trainingsreize reagiert? Warum euch ein und dieselbe Trainingseinheit an einigen Tagen sehr leicht, und an anderen Tagen sehr schwerfällt? Oder warum ihr manchmal mehr Hunger und Durst habt?

Eine Antwort darauf können die hormonellen Schwankungen sein, die den weiblichen Menstruationszyklus bestimmen. Viele von uns haben diesem Thema bislang noch nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt. Dennoch kann ich mittlerweile sagen, dass wir uns im Ausdauersporttraining genau diese Schwankungen zu Nutzen machen können und sollten.

Wir können Trainingsinhalte und Ernährungsstrategien so planen, dass die hormonellen Wirkmechanismen den Sinn und das Ziel unserer Trainingseinheiten sowie die Regeneration unterstützen. Um dies jedoch zu schaffen, müssen wir verstehen wie der Menstruationszyklus abläuft und welche Funktionen die beteiligten Hormone haben.

Der gesamte Menstruationszyklus wird durch ein Zusammenspiel von Gehirn und Geschlechtsorganen gesteuert. Fünf Hormone spielen dabei eine wichtige Rolle: Das Gonadotropine Releasing Hormone (GnRH), das Luteinisierendes Hormon (LH), Follikelstimulierendes Hormon (FSH), Östrogen und Progesteron. Sogenannte Kisspeptine bewirken im Hypothalamus die Ausschüttung von GnRH, welches der Hypophyse das Signal gibt die beiden Hormone FSH und LH in das Blut auszuschütten.

Die Phasen des Menstruationszyklus

Die erste Phase des Menstruationszyklus wird als die frühe Follikelphase bezeichnet und beginnt mit dem ersten Tag der Blutung. Das Hormonlevel an FSH, LH, Östrogen und Progesteron ist in dieser Phase am niedrigsten.

Kurz nachdem die Blutungen aufhören (Tag 4-6) beginnt die zweite Phase, die späte Follikelphase. In dieser Phase wird durch FSH die Bildung einer neuen Eizelle in einem sogenannten Follikel angeregt. In den Wänden dieser Follikel wird das Hormon Östrogen gebildet. Durch das Anwachsen des Follikels bis zum Eisprung (Ovulation) steigt auch der Östrogenspiegel stark an. Dieser erhöhte Östrogenspiegel gilt für die Hirnanhangsdrüse als Signal, LH auszuschütten, welche dann die Ovulation einleitet. In dieser Phase wird die Gebärmutterschleimhaut schon leicht aufgebaut.

Die dritte Phase, die frühe Lutealphase beginnt direkt nach dem Eisprung. Der Follikel wird in eine Drüse umgewandelt, die aufgrund ihrer Farbe Gelbkörper genannt wird. In diesem Gelbkörper wird das Hormon Progesteron gebildet. Die frühe Lutealphase ist geprägt durch einen Anstieg der Progesteron-Werte und einem ersten Abfall an Östrogen, auf den dann wieder ein leichtes Ansteigen folgt.

Nun kommt es auch zu einem weiteren Aufbau der Gebärmutterschleimhaut. Sie wird gut mit Blutgefäßen ausgestattet und mit einem glykogenreichen Sekret versorgt. So ist sie optimal für eine befruchtete Eizelle vorbereitet. Hier wird vom Körper also Gewebe aufgebaut und genau dieser Prozess kostet Energie.

Die vierte Phase, die späte Lutealphase, beginnt mit der Degeneration des Gelbkörpers, wenn es nicht zu einer Befruchtung kam. Progesteron und Östrogen können nun nicht mehr gebildet werden und fallen stark ab. Dann beginnt der Zyklus erneut mit dem Abstoßen der Gebärmutterschleimhaut (Blutung).

Laut Lehrbuch dauert der gesamte Zyklus im Durchschnitt 28 Tage. Mittlerweile weiß man jedoch, dass es Frauen gibt, die einen Zyklus von nur 21 Tagen haben und andere – sogar ein Großteil der Frauen – liegen eher bei 35 oder 40 Tagen.

Leistungsphysiologische Auswirkungen

Die Hormone Östrogen und Progesteron befinden sich nicht nur im Fortpflanzungssystem, sondern wandern durch den ganzen Körper und entfachen auf unterschiedlichste Weise ihre Wirkung. Sie bestimmen wie gut wir auf bestimmte Trainingsreize reagieren, wie wir adaptieren und uns erholen. Sie haben Einfluss auf unseren Stoffwechsel und die Art und Weise, wie wir Nährstoffe nutzen können.

Sogar der Schlaf, die Thermoregulation und das Immunsystem unterliegen hormonellen Schwankungen.

Folgende Auswirkungen von Östrogen und Progesteron beeinflussen die Leistungsfähigkeit:

  • Östrogen:

  • Speicherung von Flüssigkeit, was wir oft als Wassereinlagerungen wahrnehmen
  • Das Blutplasma nimmt ab
  • Insulin-Sensitivität wird erhöht
  • Die Speicherung von Kohlenhydraten wird unterstützt
  • Die Glukoneogenese (Neusynthese von Glukose aus Nicht-Kohlenhydraten) wird unterdrückt
  • Freie Fettsäuren werden vermehrt freigesetzt
  • Muskelproteinbiosynthese wird unterstützt (anabole – aufbauende – Wirkung)
  • IGF-1 (Insulin-like growth factor 1, ein Wachstumsfaktor) wird stimuliert
  • Die Knochendichte wird verbessert
  • Der Serotoninspiegel im Gehirn im beeinflusst
  • Progesteron:

  • Die Körpertemperatur steigt an
  • Vermehrtes, aber später einsetzendes, Schwitzen
  • Aldosteron-Rezeptoren in der Niere werde blockiert, sodass mehr Natrium ausgeschieden wird
  • Die Muskelproteinbiosynthese wird beeinträchtigt (katabole – abbauende -Wirkung)
  • Die Atemfrequenz erhöht sich
  • Das Knochengewebe wird gestärkt
  • Insulin-Sensitivität nimmt ab
  • Glykogen kann schwer gespeichert werden
  • Die Glukoneogenese (Neusynthese von Glukose aus Nicht-Kohlenhydraten) wird unterdrückt

Bei einem gesunden und natürlichen Menstruationszyklus agieren Östrogen und Progestern nie isoliert. Sie arbeiten zum Teil zusammen, aber auch gegeneinander. Wie zum Beispiel anabole vs. katabole Wirkung. Wichtig ist hier immer das Östrogen/Progesteron Verhältnis.

Keine Angst, ihr müsst nun nicht euren Rennkalender umstellen oder auf euren Zyklus abstimmen.

Allerdings macht es Sinn, sich dieser Wirkungsweise der Hormone bewusst zu sein, denn vielen der ungewünschten Nebenwirkungen von Östrogen und Progesteron können durch eine gezielte Ernährungsstrategie und ein spezifisches Timing der Protein-, Kohlenhydrat- und der Flüssigkeitszufuhr entgegengewirkt werden. Dementsprechend sind auch hartes Training und Wettkämpfe während dieser zunächst ungünstig erscheinenden Phase gut möglich.

Ableitung auf die Trainingsplanung

Was bedeutet das alles nun aber für das Training, wenn dieses nicht mehr nur durch Wettkämpfe strukturiert wird, sondern auch der Zyklus berücksichtigt werden soll? Von welchen Trainingsschwerpunkten können wir in den bestimmten Phasen am meisten profitieren?

  • Ausdauertraining

  • Phase 1: HIIT 3-5 min, VO2Max

  • Phase 2: Longer, top end intervals
  • Phase 3: Up-tempo/Steady State, base training
  • Phase 4: Skill/technique, deload
  • Krafttraining

  • Phase 1: Heavy Weight, Low reps

  • Phase 2: Heavy weight, EMOM
  • Phase 3: Plyometrics, descending weight sets
  • Phase 4: Functional Movement Training

In der frühen und späten Follikelphase (erste und zweite Phase) sind die hormonellen Einflüsse auf unsere Leistungsfähigkeit noch relativ gering bis eher positiv in Bezug auf intensives Training. Da in dieser Phase der Muskelaufbau besser stattfinden kann, wir uns besser und schneller erholen und auch Kohlenhydrate besser für die Energiebereitstellung nutzen können, kann hier hoch intensiv trainiert werden; sowohl im Ausdauer-, als auch im Kraftbereich. In dieser Phase können die besten Leistungssteigerungen in hochintensiven Bereichen erreicht werden!

In der frühen Lutealphase (dritte Phase) können wir freie Fettsäuren gut für die Energiebereitstellung nutzen und somit im Training sehr gut längere Trainingseinheiten bei submaximalen Intensitäten umsetzen. Im Krafttraining können wir hier mit descending Sets und plyometrischen Übungen arbeiten. In dieser Phase ist eine gute Versorgung mit Kohlenhydraten und genügend Flüssigkeit während des Trainings und eine gute Versorgung mit Proteinen nach dem Training essenziell!

In der späten Lutealphase (vierte Phase) sollte dann eine deutliche Reduzierung des Gesamtvolumens stattfinden. Allerdings kann sehr gut an Technik und funktionellen Kraftübungen gearbeitet werden!

Probiert es aus!

Gerade jetzt, wo keine Rennen anstehen, wäre eine gute Zeit, um euren Zyklus und eure individuellen Reaktionen darauf kennenzulernen: Wie lange dauert euer Zyklus? Wie fühlt ihr euch konkret? Nehmt ihr besondere „Symptome“ oder andere Dinge wahr? Ihr könnt euch dazu einfach Kreuze und Notizen in einen Kalender machen oder Apps (zum Beispiel die „FITR Women App“) nutzen. Sogar die Garmin Connect App biete euch Funktionen, die das Tracken erleichtern.

Noch ein ganz wichtiger Punkt: Die Informationen, die ich gerade mit euch geteilt habe, treffen nicht zu, wenn ihr die Anti-Baby-Pille zur Verhütung nutzt. In diesem Fall werden die natürlichen Hormone unterdrückt um einen Eisprung zu verhindern. Es gibt dann also nur zwei Phasen: Drei Wochen mit synthetischen Hormonen und eine hormon-freie Woche.

Wenn ihr Fragen habt schreibt sie gern in die Kommentare und für weiterer Unterstützung meldet euch gern bei strongerlab.com.

Ich freue mich auf euer Feedback und bis bald,
Imke

  • Quellen

  • Oosthuyse, T., & Bosch, A. N. (2010). The effect of the menstrual cycle on exercise metabolism: implications for exercise performance in eumenorrhoeic women. Sports Med, 40(3), 207-227.
  • Sung, E., Han, A., Hinrichs, T., Vorgerd, M., Manchado, C., & Platen, P. (2014). Effects of follicular versus luteal phase-based strength training in young women. Springerplus, 3, 668
  • Wikström-Frisén L, Boraxbekk CJ, Henriksson-Larsén K. (2017) Effects on power, strength and lean body mass of menstrual/oral contraceptive cycle based resistance training. J Sports Med Phys Fitness 2017;57:43-52.
  • Recommendations by Dr. Stacy Sims – University of Waikato

Weiterführende Links

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5 Kommentare

  1. Hallo Imke,
    wie ist das Training auszurichten wenn man die Anti-Baby-Pille regelmäßig einnimmt?
    Viele Grüße, Lisa

  2. Super Beitrag. Er fasst das zusammen, was ich mir vor einiger Zeit mal mühsam auf verschiedenen Internetseiten zusammen suchen musste.

    Und einen Versuch ist es auf jeden Fall wert, das Training ein wenig an die weiblichen körperlichen Befindlichkeiten anzupassen 😉
    Ich kann es nur empfehlen.

  3. Danke für den Beitrag.
    Was ich auch sehr interessant finde ist, wie sich die Pille auswirkt. Nicht nur auf das Training sondern, sondern auch auf das Leben: https://www.youtube.com/watch?v=RdwLAyWHBVs (ab Minute 10:30) (Coritsolausschüttung welches für den Stressabbau notwendig ist, funktioniert nicht mehr richtig).

  4. Hey Imke,

    vielen Dank für den super Beitrag zu einem viel zu selten beleuchteten Thema!
    Ich würde mich Lisas Frage anschließen, mich würde brennend interessieren ob und wie sich die Pille auf Training und Leistung auswirkt (Kombi-Pille Östrogen-Gestagen), vor allem wenn man sie z.B. aus gesundheitlichen Gründen im Langzeitzyklus (also ohne Abbruchblutung) nehmen muss.

    Großes Merci und viele Grüße,
    Jules

  5. Halo zusammen,

    ich freue mich sehr über euer Interesse. Bei dem Thema „Pille und Training“ ist die Datenlage noch relativ dünn, es gibt aber Tendenzen. Während der drei Wochen „synthetischer Hormone“ kann man gut im 3:1 Rhythmus trainieren, während der hormon-freien Woche weniger intensiv, aber kraft-orientiert. Des Weiteren ist es sehr wichtig auf eine gute Proteinzufuhr zu achten und dem oxidativen Stress durch die Pille durch gezielte Ernährung entgegenzuwirken.
    Ein komplexes Thema und wahrscheinlich eine separaten Blog-Post wert ;-). Wenn ihr spezifische Fragen habt, gerne per E-Mail an imke@strongerlab.com.

    Viele Grüße von der Sonneninsel 🙂