Ironman Südafrika Absage: So gehen die deutschen Profis damit um
14. März 2020
Es ist eine ungewohnte Situation für Triathleten und Ausdauersportler, wenn Veranstaltungen abgesagt werden. Natürlich sind es genau die richtigen Entscheidungen, die aktuell zur Eindämmung des Coronavirus getroffen werden. Dennoch müssen die Athleten einen Weg finden, um damit umzugehen. Ich habe das Telefon in die Hand genommen und bei Laura Philipp, Sebi Kienle und Nils Frommhold nachgefragt.
Laura, Sebi und Nils haben zu den großen Favoriten des Ironman Südafrika gezählt. Während es für Laura und Sebi der erste Ausflug zum traditionsreichen Ironman nach Südafrika gewesen wäre, kennt Nils das Rennen bereits wie aus seiner Westentasche: 2014 konnte er dort gewinnen und landete 2017 und 2019 jeweils auf dem zweiten Platz.
Für diese drei – und natürlich viele ihrer Profi- und Age Group-Kollegen – hätte es auch ein wichtiges Rennen für die Quali zum Ironman Hawaii werden sollen. Laura und Nils hätten um einen Slot gekämpft, Sebi hätte seinen Startplatz mit einem Finish validieren und dann entspannt in den Langdistanz -Sommer Richtung Challenge Roth blicken können.
Laura Philipp: Erstmal locker machen, alles andere wäre respektlos
Laura meldet sich aus dem Auto. Sie ist auf dem Weg zurück von ihrem Trainingslager in Girona nach Hause: „Ich habe nach den letzten Tagen schon damit gerechnet, dass der Ironman in Südafrika abgesagt werden könnte“, erzählt Laura und ergänzt: „Wir hatten unabhängig davon aber auch schon für uns selbst überlegt, eine Entscheidung herbei zu führen. Für mich war es eine ziemliche Herausforderungen die Einheiten, die jetzt besonders spezifisch für den Ironman waren, noch voll durch zu pushen, ohne zu wissen, ob das Rennen stattfindet.“
Laura und ihr Mann und Coach Philipp hatten darüber hinaus aber noch ganze andere Gedanken, mit denen sie sich in den letzten Tagen auseinander gesetzt haben: „Es wäre extrem rücksichtslos, wenn wir in der jetzigen Situation in ein Land gereist wären, um dort ein Sportevent durchzuziehen, obwohl dort die Risiken und Probleme viel größer werden würden, wenn sich das Virus verbreiten würde. Daher hatten wir für uns bereits überlegt, das Rennen auszulassen.“
„Natürlich ist es extrem schade, auch weil ich heiß drauf war, das Rennen zu machen“, erklärt Laura. „Ich wollte mir im besten Fall den Kona-Slot sichern und ich mich auch einfach fit fühle. Deshalb, aber auch weil wir als Profi-Sportler aktuell nicht wissen, wie es weitergeht, ist die Situation schwierig. Wir beratschlagen natürlich auch, wie wir trainingstechnisch am besten damit umgehen. Aber Stand jetzt werden wir uns erstmal locker machen, nach Hause fahren und die Form erstmal nicht zum Einsatz kommen lassen – außer bei Zwift. Jedenfalls wird das Training definitiv umgestellt.“
Philipp gibt aus seiner Perspektive noch einen weiteren Impuls: „Wir können die Situation einfach nicht wirklich einschätzen. Es ist eine Gefahr, die sehr subtil daher kommt, bei der wir uns auf Expertenmeinungen verlassen müssen. Wir sind wahrscheinlich gar nicht die leidtragende Zielgruppe, höchstens, dass wir alle es vielleicht irgendwann im Geldbeutel merken. Wir harren der Dinge, schauen die Nachrichten und spüren persönlich erstmal weniger.“
Interessiert blickt Laura jedenfalls auf die möglichen Reaktionen zu kommenden Rennabsagen: „Ich hätte kein Verständnis dafür, wenn sich Athleten nun darüber aufregen, wenn Rennen abgesagt werden. Natürlich bleiben wir im Fall von Südafrika nun auf Reisekosten sitzen, aber es geht darum, dass wir nicht ein Land belasten, das viel ärmer und mit einem schlechteren Gesundheitssystem ausgestattet ist, als wir es vielleicht sind. Wir müssen ganz einfach auch an all die Helfer und Freiwilligen denken. Ich hoffe, dass die kommenden Entscheidungen auf Verständnis stoßen!“
Nils Frommhold: Eine ungewisse Situation, die wir alle nicht kennen
Auch Nils hat vorzeitig seine Koffer gepackt und macht sich auf den Heimweg. Sein ursprüngliches Camp auf Mallorca war noch bis nächste Woche Freitag geplant, die Rennabsage und die Gesamtsituation haben ihn nun aber dazu bewegt, nach Hause zu fliegen: „Bis vor ein paar Tagen hat sich alles ums Training und Trainingsergebnisse gedreht und darum, dass ich fit werde. Die Vorbereitung war so gut wie abgeschlossen und in zwei, drei Tagen hätte das Tapering für Südafrika angefangen“, beschreibt Nils seinen Leistungsstand.
„Hier auf Mallorca haben wir eher wenig von dem mitbekommen, was gerade so in Deutschland abgeht. Wir stecken in einem Hotel voll mit Sportlern, in einer eigenen, kleinen Welt sozusagen. Insgesamt eine surreale Situation“, fasst Nils kurz zusammen. „Stand jetzt gehe ich davon, dass wir bis Ende April keine Triathlonrennen auf der Welt sehen werden und auch der Mai ist sich noch ziemlich unklar. Das heißt, dass die Saison vielleicht erst im Juni startet und dann stellen sich ganz viele Fragen. Erstmal ist es jetzt aber wichtig, dass diese Krise in den Griff kommt und alles andere kommt danach.“
Zum Thema Motivation meint Nils: „Na klar ist das frustrierend. Man verfolgt wochen- und monatelang ein Ziel, das immer näher rückt und dann fällt dieses Ziel, zwei Wochen bevor es losgehen sollte, weg. Das ist schon schwierig damit umzugehen. Es ist zwar keine Überraschung, dass es jetzt so gekommen ist und wie gesagt gibt es jetzt auch wichtigeres als Triathlon. Aber als Profisportler steht man plötzlich auch ein bisschen vor der Frage der Daseinsberechtigung. Hinzukommt, dass die Bedingungen in den kommenden Wochen sicher nicht einfacher werden, um unseren Job auszuüben, zum Beispiel weil Schwimmbäder schließen.“
Mit Blick aufs Training sucht Nils aktuell selbst noch nach dem passenden Ansatz: „Erstmal hängt man jetzt in der Luft. Wie soll das Training nun gesteuert werden, wenn sich die Rahmenbedingungen verändern oder man kein genaues Ziel definieren kann? Wenn das Training auf ein Ziel ausgerichtet werden kann, ist natürlich auch die Motivation deutlich höher – zumindest ist es bei mir so. Aber es muss schon weiterlaufen und möglichst schnell in geregelte Bahnen geführt werden. Es ist eine ungewisse Situation, wir alle kennen so etwas gar nicht, daher gilt es locker zu bleiben, sich an alle Regeln und Vorschriften zu halten und am Ball zu bleiben. Auch wenn es sicher keinen Sinn macht jetzt im Training voll auf den Putz zu hauen.“
Sebastian Kienle: Mir war die Option einer Absage bereits früh bewusst
Sebi wird vorerst auf Fuerteventura bleiben und die Bedingungen dort nutzen, um möglichst das Beste aus der Situation zu machen. „Wir sollten uns vor Augen führen, dass, je drastischer die Maßnahmen gegen den Virus sind, desto eher bekommt man die Situation wieder in den Griff“, so sachlich fasst Sebi die aktuelle Lage rund um die Rennabsagen zusammen. „Wir alle sitzen im gleichen Boot und es ist nicht wie bei einer Verletzung, bei der ich als Einzelner zu hadern habe.“ Die Triathlonszene steht also als Kollektiv vor einer spannenden Zeit, bei der sicher noch nicht alle Folgen des Coronasvirus abzusehen sind.
„Ich habe entschieden, erstmal auf Fuerte zu bleiben und die Zeit und Bedingungen hier vor Ort zu nutzen, um weiter an meinen Schwächen zu arbeiten. Ich habe schon vor dem Trainingslager zu Philipp gesagt, dass ich die Chancen bei 30 Prozent sehe, dass Südafrika abgesagt wird. Von daher war diese Option schon entsprechend lange im Hinterkopf und wir sind den Aufbau und die Formzuspitzung bewusst langsam angegangen.“ Was man als Profi jetzt mit der erreichten Form anstellt? Sebi meint mit einem Augenzwinkern: „Zwift-Rennen fahren.“ Letztendlich steht er der ganzen Situation so entgegen, wie seine Profi-Kollegen: Ausgeglichen, ruhig und mit der nötigen Weitsicht.
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