Der Traum vom Extrem-Triathlon – warum eigentlich (nicht)?
20. April 2021
Dass Triathleten Extreme lieben, ist klar. Wie sonst kann man erklären, dass sie in gleich drei Sportarten absurde Strecken zurücklegen und daran auch noch Spaß haben …? Eben! Doch woher kommt dieses Faible für den Extrem-Triathlon? Und geht’s dabei noch um Schwimmen, Radfahren, Laufen oder um etwas anderes? Ein Blick auf die extreme Seite unseres Sports.
Ob es die Kulisse des Extrem-Triathlon Norseman in Norwegen, die rauhe Berglandschaft des Swissman Xtreme Triathlon im schweizerischen Brisagne-Ascona oder allein der Name „The Brutal“ eines Events in Wales ist: Vielen Triathleten kann beim Gedanken an all das ein „Geil!“ über die Lippen huschen. Bei anderen dürfte maximal ein Kopfschütteln drin sein. Da drängt sich (mit einem Augenzwinkern) die Frage auf: Was stimmt bei uns Triathleten eigentlich nicht?
Woher kommt der extreme Reiz im Triathlon?
Wer die Antwort auf diese Frage sucht, wird schon bei der Ikone unter den Events fündig. Hier beginnt die Faszination der Extreme: Der Ironman auf Hawaii ist schließlich nicht nur extrem schwer erreichbar, er ist auch ein extremer Wettkampf – zwischen unberechenbaren „Mumuku“-Winden und beißender Hitze im „Energy Lab“. Trotzdem ist er für Triathleten so ziemlich das erstrebenswerteste Event. Ein Mythos eben. Und ein Hype, den man erst versteht, wenn man in die Fänge des Sports geraten ist.
Man muss aber nicht erst über den großen Teich schauen, um das Fundament des Extremen zu finden. Machen wir uns nichts vor: Dieser Sport ist auch als Kleinstadt-Veranstaltung im Badeweiher um die Ecke ’ne extreme Nummer. Extreme Ausdauerleistung, extremer Trainingsaufwand, extremer Equipmentbedarf – Triathlon ist per se eben was für Extremliebhaber.
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Faszination Extrem-Triathlon – oder: Härter geht immer!
Wenn all das nicht mehr reizt, wird das Extreme in den Wettkampf-Designs gesucht. In herausfordernden Routen, unbewohnbaren Vegetationen, knallharten Wetterkapriolen. Willkommen in Norwegen, der Schweiz, Wales und Hawaii!
Halten wir also schon mal fest, dass es ein natürlicher Verlauf der Dinge sein kann, sich als Triathlet – egal ob Anfänger oder Erfahrener – vom Extrem-Triathlon angesprochen zu fühlen. Mag sein, dass nicht jeder mal einen finishen will, aber die Bilder davon ziehen wir uns schon mit maximaler Freude rein. Ha, erwischt!
Apropos Triathleten: Bocki hat da so seine ganz eigene Theorie zur Spezies Triathlet …
Tipps: Die extremsten (und härtesten) Triathlons der Welt
Der Reiz kann aber auch damit begründet werden, dass der Spirit der Events ein anderer ist. Bestzeiten zählen nicht, die Teilnahme ist glorreich genug. „Ich habe das Gefühl, dass die Essenz des Triathlons verloren gegangen ist“, schreibt Triathlon-Trainer Richard Laidlow auf der Veranstaltungspage des Bearman. Der Extrem-Triathlon ist für ihn der Gegenentwurf zu „Langstreckenveranstaltungen, deren Teilnahme Hunderte oder sogar Tausende Euro kostet, bei denen alle paar Meter Hilfsstationen warten, die Rad- und Laufstrecken möglichst einfach, schnell und zuschauerfreundlich gehalten sind“.
Übrigens: Extreme Events sind nicht immer gleich Ultra-Events. Während es bei letzteren per definitionem um das mehrfache Absolvieren der üblichen (Lang-)Distanz geht, sind Extrem-Triathlons nur bezüglich der Streckengestaltung auffällig. Zwar werden in der Regel maximal die obligatorischen 3,8 Kilometer geschwommen, 180 Kilometer Fahrrad gefahren und ein Marathon gelaufen. Das geschieht allerdings unter herausfordernden Bedingungen, mit absurden Höhenmetern oder auf gefährlichen Gipfeltrails.
- Norseman, Norwegen
Der Tag beginnt mit dem Sprung ins kalte Wasser – sodass gleich die bekannten Fährenbilder in der norwegischen Morgenidylle entstehen. Es folgt eine Radstrecke mit 3.000 Höhenmetern vorbei an einem Gletscher und der Zeitdruck, den strengen Cutoff kurz vor den letzten 10 Kilometern der Laufstrecke zu schaffen. An deren Ende erhalten nur die Härtesten die Trophäe des Norseman, ein schwarzes Finisher-Shirt.
Aktueller Termin: 7. August 2021
- Austria Extreme, Österreich
Weit muss man nicht fahren, um extreme Race-Bedingungen vorzufinden. Österreich genügt: Beim Austria eXtreme Triathlon warten unter dem Motto „Change Your Limits!“ 5.800 Höhenmeter.
Aktueller Termin: 26. Juni 2021
- Bearman, Frankreich
„Bearman ist ein wahrhaft authentischer und naturverbundener Triathlon, der dich zurück zu den Wurzeln des menschlichen Ausdauersports bringen soll.“ – so beschreiben die Veranstalter das verhältnismäßig junge Extrem-Event in den französischen Pyrenäen. Absolviert werden kann die Lang- und die Mitteldistanz. Auf der Laufstrecke dürften die 2.000 Höhenmeter dafür sorgen, dass man zwischenzeitlich dann doch vergisst, wo die persönlichen Wurzeln noch gleich lagen …
Aktueller Termin: 18. September 2021
- Israman, Israel
Auch der Israman taucht in den Top-Lists zu Extrem-Events auf. Hier rauben zwar keine wahnsinnigen Höhenmeter die Kräfte, dafür fiese Winde und Sandstürme. Die können auch mal bis zu 60 km/h Power haben.
Aktueller Termin: 28. Januar 2022
Extremsport Triathlon: Zwischen Macht und Menschlichkeit
Abgesehen von irren Streckenprofilen, Trainingskilometern und Materialschlachten, ist der Hang zum Extremen vielleicht auch ein Wesenszug des gemeinen Triathleten. Das Spiel mit den Grenzen des eigenen Körpers fordert und fördert Selbstbewusstsein sowie Selbstwirksamkeit. Und um nochmal auf den Kleinstadt-Triathlon rund um den örtlichen Weiher zu kommen: Auch hier findet für so manchen die erste Berührung mit dem Extremen statt.
Höher, schneller, weiter: Das altbekannte Prinzip kommt in Triathlon in vielfältiger Ausprägung zum Tragen. Da überrascht es kaum, dass irgendwann Extreme auf dem Plan stehen. Wir steigern unsere Trainingsumfänge in Sphären, die wir selbst nicht für möglich gehalten hätten. Wir pushen unsere Pace stets mit dem Ziel, schneller werden zu wollen. Wir erobern immer weitere Distanzen: von der Sprint- über die Olympische zur Mitteldistanz, bis schließlich vielleicht sogar die Langdistanz ansteht.
Und mit jeder Steigerung behalten wir irgendwie die Macht. Über uns, unseren Körper, eventuell die Altersklasse, vor allem über unsere mentale Leistung. Nicht zufällig ist mentale Stärke laut Autor Daniel Meier (Buch: Go hard or go home: Faszination Ultratriathlon) der Erfolgsfaktor beim Extrem-Triathlon.
Extrem, aber geil!
Kurzum: Es geht beim Triathlon also immer um das Erreichen der nächsten Stufe. Klar, dass am Ende dann nur noch das Extreme wartet – und man bereit dazu ist, es mit dem Endgegner, nämlich der Natur, aufzunehmen. Denn auch das eint die krassesten Triathlons der Welt: Ihr extremes Moment macht sich meist an den Naturgegebenheiten des Austragungsortes fest.
Schlimm ist das alles übrigens nicht. Macht ja sogar Spaß. Nicht umsonst schwärmen Ausdauersportler vom befreienden Flow-Zustand. Der ist zwar nichts anderes als eine körpereigene Reaktion, nämlich das Herunterfahren der Aktivität des präfrontalen Cortex, wie unter anderem Forscher der Universität Ulm belegen konnten. Aber er macht auch extreme Leistungen möglich, die – rational betrachtet – abgefahren sind.
Und dann wäre da noch etwas: Ausgerechnet das Extreme kann ironischerweise zum Exit aus dem Hamsterrad der Ambitionen werden. Beim Kleinstadt-Triathlon geht es im Wettkampf mit dem Nachbarn vielleicht noch um die schnellste Zielzeit. Dagegen ist es für die meisten Teilnehmer bei einem Extrem-Triathlon wie Norseman, Hawaii & Co. eine Ehre, überhaupt teilzunehmen. Extrem hart, aber eben auch extrem geil, so ein Race ins Ziel zu bringen. Und darum sollte es beim Triathlon doch eigentlich immer gehen, oder?
Zum Thema Triathlon: Diese Wahrheiten über den Sport sollten Einsteiger kennen!
7 Fragen an Extremsportler Jonas Deichmann
Extremer als der Typ kann man vermutlich nicht schwimmend, radfahrend und laufend unterwegs sein: Bei seinem „Triathlon um die Welt“ legt Abenteurer, Ausdauerwunder und Extremsportler Jonas Deichmann 120 Langdistanzen zurück – und toppt damit sogar das, was man ansonsten unter Ultratriathlon versteht.
Allein das ist extrem. Hinzu kommen die Extreme der Landschaften, die er dabei durchkreuzt. Von sibirischer Kälte bis Steppenhitze ist alles dabei. Die Frage, ob das nun wirklich noch Triathlon oder einfach nur absurd ist, spaltet die Szene. Denn mal ehrlich: Was soll das eigentlich? Ein Gespräch über die Faszination des Extremen, wozu man eine Weltumrundung allemal zählen darf.
Brutal ist es nur für den Kopf.
Jonas, wird es nicht irgendwann langweilig, immer nur unterwegs zu sein?
Jonas Deichmann: Für mich steht fest, dass ich diesen Lebensstil nicht mehr mit 50 führen werde. Aktuell genieße ich die Freiheit umso mehr. Aber natürlich denke auch ich darüber nach, eine Homebase haben zu wollen. Die Reisen werden immer Teil meines Lebens sein. Was ich allerdings merke: Ich bin jetzt seit drei Jahren 90 Prozent der Zeit in wahnsinnig geilen Landschaften und Kulturen unterwegs gewesen, sodass es immer schwieriger wird, dass mich eine Umgebung sprachlos macht.
Natürlich kann ich nach wie vor die Aussicht in den Bayerischen Alpen genießen. Aber ich könnte inzwischen nicht mehr ein halbes Jahr irgendwohin eine Radreise machen – das würde mich langweilen. Ich brauche mindestens ein- oder zweimal im Jahr eine Herausforderung. Das ist auch der Grund, warum ich in Form eines Triathlons um die Welt reise: Ich weiß, dass ich es auf dem Fahrrad schaffen würde, beim Triathlon gab und gibt es hingegen einige Unbekannte. Das fing schon mit dem Schwimmen an.
Wenn wir schon beim Schwimmen sind: Viele Triathleten kennen das Phänomen der Hassliebe zur ersten Disziplin und sind je nach Distanz nach maximal 3,8 Kilometern bedient. Aber wie bleibt man dann bitte 450 Kilometer dran?
Jonas Deichmann: Tatsächlich habe ich relativ wenig dafür trainiert. Mit 16 hatte ich einmal pro Woche Schwimmen, aber das ist ja eine Weile her. In der Vorbereitung auf den Triathlon um Die Welt kam hinzu, dass Corona jegliches Schwimmtraining erschwert hat. Ich war vielleicht 15-mal im Sommer in Schweden schwimmen und dann kurz vor Start einmal durch den Bodensee geschwommen – mehr war nicht drin. Das Geheimnis war dann letztendlich Beständigkeit: jeden Tag sechs Stunden mit grundsätzlich vorhandener Technik in moderatem Tempo schwimmen. So kommen gut 12 Kilometer jeden Tag zusammen und dann bist du irgendwann in Dubrovnik – eigentlich ganz einfach. Brutal ist es nur für den Kopf.
Woher kommt bitte diese Faszination, „einmal um die Welt“ zu sporteln?
Jonas Deichmann: Die Faszination der Weltumrundung kam ab dem ersten Abenteuer auf. Während des Studiums hatte ich schon einmal eine Weltumrundung als Radreise gemacht, für die ich rund eineinhalb Jahre unterwegs war. Und seitdem schwingt bei allen Projekten der Gedanke der Weltumrundung mit – ist ja auch irgendwie logisch, wenn man Abenteurer ist. In den letzten Jahren habe ich immer wieder mit dem Gedanken gespielt, den Weltrekord für die Weltumrundung mit dem Fahrrad anzugehen, aber das reizt mich überhaupt nicht.
Das liegt unter anderem an den Regeln: Die Distanz ist zwar etwas länger, du kannst dir aber regelkonform eine Strecke mit viel Rückenwind aussuchen. Insofern ist allein Cape-to-Cape sicherlich schwieriger, als die Weltumrundung zu schaffen. Da letztere aber so oft gemacht wurde, ist es inzwischen fast lebensgefährlich, sich daran zu wagen. Es zählt jede Stunde, sodass du im Grunde über die gefährlichsten Straßen fahren musst, um das zu schaffen. Dann habe ich überlegt und kam auf Triathlon. Beim Blick auf die möglichen Strecken stand dann fest: Das könnte klappen. Ich habe hohen Respekt vor den Leistungen, die da auf die Strecken gebracht werden.
Aber Triathlon allgemein ist eben ein extremer Leistungssport und kein Abenteuer.
Kannst du verstehen, dass es gegenüber deinem Projekt „Triathlon um die Welt“ Skepsis gibt?
Jonas Deichmann: Ich verstehe die Kritik, die mein Projekt gerade in Corona-Zeiten hervorruft, muss aber sagen, dass sie mich nicht berührt. Der Grund dafür: Die meisten verstehen meine Situation nicht, wenn sie Kritik äußern. Corona ist kein Argument, denn ich lebe in meinem Zelt, habe zu praktisch niemandem Kontakt und bin kein Gesundheitsrisiko. Zudem ist es schlichtweg mein Job.
Mehr als um die Welt geht ja fast nicht. Reizt dich überhaupt so ein „kleines“ Projekt wie eine Langdistanz?
Jonas Deichmann: Im Sommer 2020 hatte ich in Vorbereitung auf das Projekt meinen eigenen Ironman in Schweden gemacht. Ich habe hohen Respekt vor den Leistungen, die da auf die Strecken gebracht werden. Aber Triathlon allgemein ist eben ein extremer Leistungssport und kein Abenteuer. Klar, ich bin sowohl Extremsportler, als auch Abenteurer. Aber wenn ich mich entscheiden müsste, wäre ich immer eher Abenteurer – und damit fällt professioneller Triathlon raus.
Deine Haltung ist grundsätzlich, eher positiv zu bleiben – und immer weiterzufahren, auch wenn alles dagegenspricht. Wie viele Radkilometer in deinem Leben hat es gedauert, diese positive Grundhaltung zu entwickeln?
Jonas Deichmann: Ich war schon immer Optimist. Das hat sich beispielsweise im Studium ausgezahlt: Ich habe in Schweden studiert, war aber im dritten Semester für ein Auslandssemester in Singapur. Dort hat es mir überhaupt nicht gefallen. Nach ein paar Tagen in der Stadt war klar, dass ich da raus muss – und bin dann nach Malaysia gezogen, in eine günstige Hütte am Strand. Von dort aus bin ich dann gependelt, da ich mir meine Vorlesungen so legen konnte, dass ich nur einmal pro Woche nach Singapur musste.
Letztendlich habe ich also im Paradies und viel günstiger als meine Kommilitonen in der Stadt gelebt, konnte in der Hängematte studieren, war total fokussiert, nicht abgelenkt und dadurch sogar noch der sehr erfolgreich im Studium. Alle hatten erklärt, das könnte nicht gehen, aber ich war davon überzeugt und sollte Recht behalten. Seitdem war es eigentlich immer so: Wenn jemand meint, mein Plan könnte nicht funktionieren, ohne dass rationale Gründe dagegensprechen, habe ich es einfach trotzdem gemacht.
Deine Einschätzung: Wie viel Zeit sollte man sich im Vorfeld für solche Extrem-Projekte geben?
Jonas Deichmann: Solange man nicht in die Antarktis, als Anfänger durch die Adria schwimmen oder im Winter nach Sibirien möchte, rate ich immer: Einfach machen. Die Leute planen immer bis ins kleinste Detail, denken über Ausrüstung, Routen und mehr nach. Dabei sollte es eigentlich darum gehen, einfach loszufahren. Vieles lernt man ohnehin unterwegs. Jeder macht am Anfang Fehler und es gibt immer Optimierungsmöglichkeiten. Aber das Zelt aufs Gravelbike zu schnallen und Freunde am anderen Ende Deutschlands zu besuchen, kann jeder schaffen – ist gar nicht schwer.
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Bin selber Extremsportler und ich ziehe vor Jonas Deichmann den Hut
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