Pro:blog #5 – Heißdüse auf Sparflamme – 29 Wochen bis Roth
08. Dezember 2021
Nach vier perfekten Monaten gab es vor drei Wochen den ersten Schuss vor den Bug. Das Signal: Es kann nicht immer rund laufen. Die Aufgabe: Den richtigen Umgang damit finden. Das gilt zwar auch fürs Training, vor allem aber mental. Ist mir die Sache mit dem PRO:ject und Profisein doch wichtiger als gedacht? Ein Blog darüber, wenn es mal nicht so läuft wie man es gerne hätte – und was man daraus lernen kann.
Bekannterweise ist es ja so: Die eigenen Probleme sind immer die größten. Ich weiß natürlich, dass das Quatsch ist und dass jeder mal mit größeren oder kleineren Unwägbarkeiten zu kämpfen hat. Es geht dann auch gar nicht darum, sich darüber zu beschweren oder das Jammern anzufangen. Aber sind wir doch ehrlich: Wenn es nicht so läuft, wie wir es gerne hätten, dann wurmt einen das.
Bei mir führen solche Situationen gerne dazu, dass ich manche Dinge viel zu schnell komplett in Frage stelle. Vor lauter – nennen wir es mal Frust – verliere ich im ersten Moment nicht nur das große Ziel aus den Augen, sondern auch die generelle Orientierung. Ich komme erstmal überhaupt nicht auf die Idee, dass es Alternativen oder andere Wege und Möglichkeiten gibt, als das, was ich bisher gemacht habe. Eine Eigenschaft, die bis zu einem gewissen Punkt sicher hilfreich ist – die aber durchaus zum Problem werden kann, wenn man es nicht schafft, richtig damit umzugehen. Denn dann steht man sich nämlich ziemlich schnell selbst im Weg.
Die schöne Utopie des PRO:jects hat den ersten Kratzer
Ich muss die Sache vielleicht kurz einordnen, damit keine falschen Annahmen entstehen. Mir macht weder eine Verletzung zu schaffen, noch gibt es irgendwelche anderen körperlichen Signale, die es verlangen würden, vom Gas zu gehen. Mit Family, Kind und Kegel war es allerdings nur eine Frage der Zeit, bis die schöne Utopie des PRO:jects mit den perfekten Rahmenbedingungen fürs Profisein die ersten Kratzer abbekommt.
Und auch das klingt fast ein bisschen zu dramatisch. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das: anstatt meines „normalen“ Pensums von 20 bis 22 Stunden Training pro Woche, kam ich zuletzt auf 7:15 Stunden (inkl. Booster-Impfung), 11 Stunden und bin diese Woche bei 12:30 Stunden, wenn alle Einheiten absolviert werden. Kommende Woche soll dann wieder auf Normalbetrieb umgestellt werden. Also nüchtern betrachtet alles halb so wild.
Nichts als die Realität
Daher versteht mich bitte auch nicht falsch: Ich möchte mich keinesfalls beschweren und ich suhle mich auch nicht in Selbstmitleid, weil ich gerade im Training nicht so kann wie ich will. Das wäre vollkommen vermessen und dazu noch unangebracht, schließlich ist das PRO:ject per se schon viel mehr, als ich mir je zu träumen gewagt hätte. Dem möchte ich nun aber auch gerecht werden. Für mich bedeutet das, dass ich nicht nur von den schönen und einfachen Dingen berichten will, sondern auch in die Bereiche blicken lasse, die mich beschäftigen, Nerven kosten, anstrengend sind – und wie ich damit umgehe. Am Ende ist es schließlich nichts anderes als die Realität.
Zugegeben: Ich hatte mir bisher keine ausreichend realitätsnahe Vorstellung davon gemacht, wie es ist Profisportler zu sein und gleichzeitig Verantwortung für mehr als sich selbst zu tragen. Diese Seite des Profiseins kannte ich auch aus früheren Zeiten, in denen man befreit tun und lassen konnte, was man wollte, nicht. Ist das Training und der Sport zu einer ernsteren Angelegenheit für mich geworden? Zu 100 Prozent ja.
Der eigene Anspruch ist da: Immer besser werden!
Ich will ganz ehrlich sein: Im allerersten Moment habe ich es als Nachteil empfunden, als so eine Art Chancenungleichheit. Die Frommholds, Clavels, Böcherers, Steins und Bleymehls dieser Welt lachen sich jetzt wahrscheinlich kaputt, schließlich kennen sie das seit Jahren und betreiben den Sport dazu noch auf einem ganz anderen Niveau (darauf komme ich aber gleich noch kurz zu sprechen). Es hat ein paar Gespräche mit meiner Trainerin und dem ein oder anderen befreundeten Profi gebraucht, bis ich das ganz Normale daran gesehen habe. Ich habe für mich jedenfalls drei Dinge mitgenommen, in denen ich im Zuge des PRO:jects besser werden muss: Beharrlichkeit, Kompromissbereitschaft, Flexibilität.
Noch eine andere Sache ist mir in den letzten Tagen klar geworden: Anfangs habe ich mich mit diesem „wir machen jetzt einen auf Profi“ schwer getan, sogar eher unwohl damit gefühlt und mich nicht wie einer von den „echten Profis“ gesehen. Allerdings nehme ich die Sache spürbar ernst, messe den entscheidenden Dingen Wichtigkeit zu, handle konsequent und bin sowohl fokussierter, als auch leistungsorientierter als gedacht. Ich persönlich will mich nicht nur am produzierten Content messen lassen, sondern auch an der sportlichen Wertigkeit des Profitums. Bin ich also „ein echter Profi“? Absolut.
Bis in Kürze, euer Bocki
Nichts verpassen: Alle bisherigen PRO:blogs auf einen Blick
- #1 – Sportlicher Status Quo, Wiedereinstieg und Trainingsumfang
- #2 – Wochenstruktur für mein Profileben – 33 Wochen bis Roth
- #3 – Trainingsschwerpunkte und Leistungsbereiche – 32 Wochen bis Roth
- #4 – Vergleichswerte und erste Leistungsentwicklung – 31 Wochen bis Roth
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Hm, drei Informationen fehlen jetzt aber noch, damit dieser Artikel Sinn für mich als unwissenden Leser macht: 1. Was war das Problem? Zwischen den Zeilen lesend, könnte man vermuten, die Familie war unzufrieden. 2. Ist tatsächlich eine praktikable und zufriedenstellende Lösung aktiv von dir dafür gefunden worden oder 3. machst du jetzt einfach weiter (du = beharrlich) und die Lösung müssen andere, sprich familiäres Umfeld realisieren (andere = kompromissbreit und flexibel)? Oder werden z.B. jetzt andere Pushing-Limits-Aufgaben extern bewältigt, sodass du Zeit und Kraft für Familie und Profitraining hast? Dass es ständig zu Schwierigkeiten kommt, ist ja normal, wie du auch schreibst. Die Frage ist letztlich ja, was ist passiert, wie sieht die Lösung aus, damit du jetzt zu 100% mit dem Pro:ject weitermachen kannst?
Servus Stephan! Fragen sollen natürlich nicht offen bleiben. Also zu deinem 1. Punkt: Es gibt keinen Grund für Vermutungen oder um zwischen den Zeilen zu lesen. Hier stehen alle hinter dem Profi-Projekt und haben Bock (haha). Es gab lediglich ein paar zusätzliche Aufgaben für mich, die ich übernehmen musste, weil wir es nicht anders organisiert bekommen haben. Zu 2.: Ja, wir haben das Training angepasst und den Schwerpunkt auf VO2max-Einheiten gelegt, sodass der Umfang runtergefahren werden konnte, wir durch höhere Intensitäten aber dennoch einen sinnvollen Reiz setzen konnten. Zu 3.: Unser Ziel hier zuhause ist, dass wir zu den Abläufen, wie wir sie in den ersten vier Monaten gut organisiert und geregelt hatten, zurückkommen und gleichzeitig (dankenswerterweise) noch mehr Oma und Opa-Support nutzen können. Auch das zeigt wiederum, was für ein Kraftakt das Ganze nicht nur für den Sportler (in dem Fall mich) ist, sondern auch für das familiäre Umfeld. Ich hoffe, deine Fragen wurden beantwortet! Beste Grüße, Bocki
Hi Bocki,
So schade es ist von Deinen Problemen zu lesen, so interessanter und beruhigender ist es auch diesen Aspekt zu lesen, der für mich als Amateur auch wieder aufkommt, weil viele Verpflichtungen gleichzeitig zu bewältigen sind. Freue mich auch über weitere Einblicke darüber, wenn es nochmal vorkommt.
Viele Grüße
VO2 Max Einheiten sind sicher eine gute Lösung, wenn die Zeit knapp ist. Denk mit dem Ansatz seid ihr auf einem guten Weg, viel Glück euch!
Wenn die VO2max durch die Decke geht, sind alle glücklich!
Hey Bocki, genau diese Themen interessieren mich mit am meisten an eurem PRO:ject. Schließlich stehen viele von euren Followern (mich eingeschlossen) vermutlich vor der Herausforderung Beruf, Familie und sportliche Ambitionen unter einen Hut zu bekommen. Und gerade weil ich das am spannendsten finde, kommt mir deine Antwort noch immer etwas kryptisch vor. Ein paar mehr Aufgaben zu Hause übernehmen, im Podcast meintest du du weißt nicht ob 3 Woche oder länger, und du wolltest fast das PRO:ject abblasen, das ist entweder sehr übertrieben, oder die private Herausforderung ist doch gravierender. Aber natürlich hast auch du private Angelegenheiten die privat bleiben sollen. Ich kann verstehen dass manchmal ein Gefühl von „Neid“ aufkommt, wenn man als Familienvater / -mutter seine zeitlichen Möglichkeiten mit jenen von kinderlosen Leuten vergleicht. Aber diese Diskussion kann man dann bis hin zum Sinn des Lebens führen und was man hinterlässt, wenn man den Löffel abgibt. Ob da die Top Platzierung im Wettkampf oder die eigenen Kinder mehr Gewicht in Sachen Vermächtnis haben 😉 Greetz aus Österreich
Ciao Bocki,
ich mache zwar kein Pro-ject Projekt, aber ich kann sehr gut verstehen was es bedeutet als ambitionierter Hobby-Sportler im Spannungsfeld Beruf-Familie-Hobby zu stehen. … und alle zerren an einem.
Das ist auch so ein Lern-/Reifeprozess für einen selber UND dem Umfeld.
Hier lernt man auch Chancen zu nutzen, gut & flexibel zu organisieren und auch demütig zu sein.
Am Ende bringt einem eine sehr gute Triathlon-Plazierung/-Zeit nichts, wenn sich die Family von einem getrennt hat…
Das wird wieder, wenn … und das ist wichtige Voraussetzung… man miteinender offen und ehrlicht spricht und wirklich kommuniziert.
Dann finden sich plötzlich Verständnis und Möglichkeiten. Ohne schlechtem Gewissen. Und jeder weiß Bescheid
Und wenn nicht mehr Zeit da ist, ist nicht mehr Zeit da – BASTA.
Muß man schauen wie man clever damit umgeht.
Aber Ihr seid ja auch nicht doof. Das macht Ihr schon. 🙂
Und ich finde es sehr repektabel, daß Ihr auch diese Aspekte teilt.
Es gibt noch viele andere die das genauso durchmachen….
Danke euch für die Ehrlichkeit und…
… „Ride on“ … with a smile 😉
Saluti
Salvatore
Servus Bocki,
vielen Dank für die doch sehr privaten Einblicke. Ich denke die meisten hier verstehen den „Struggle“ zumindest die die wie du schon geschrieben hast „mehr Verantwortung als nur für sich selbst“ übernehmen müssen. Klingt zwar komisch aber es ist schön, dass es auch anderen Athleten so geht und du es hier teilst. Das macht euer Pro-Ject wie angekündigt sehr transparent und noch sympathischer 🙂 Klar sind Leistungsdiagnostik, der Einblick ins Training, Sponsoring und der Beitrag zu Nachhaltigkeit Mega interessant ABER für Familienmütter und Väter die noch einen 40h Job nachgehen oder Zuhause alles schmeißen ist dieses Thema sicherlich eines, mit dem man oft am meisten zu „strugglen“ hat 😉 Ganz nach dem Motto: If your Relationship is still working then you didn´t train hard enough 😀
Danke für eueren Content der unheimlich motiviert 😉 macht weiter so
ein Familienvater und Mann von einer „noch“ glücklichen Frau xD