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Rookie-Report – Saisonplanung für Agegrouper: Ist mein Triathlon-Ziel noch realistisch?

27. Januar 2022


Planung von Wettkämpfen Triathlon

Manchmal muss man ehrlich zu sich sein. Das gilt auch bei der Saisonplanung im Triathlon – und vor allem dann, wenn es nicht so läuft wie gedacht. Lenas Abrechnung mit den eigenen Plänen und warum genau darin die größte Chance für Agegrouper steckt.

Triathleten sind Meister der Flexibilität. Zumindest müssen sie es sein, insbesondere als Altersklassen-Sportler. Denn Hand aufs Herz: Mit 40-Stunden-Plus-Job im Nacken und so etwas wie Familienpflichten oder (ach, ja!) Partnerschaft muss man ein Hobby wie Triathlon flexibel gestalten und auch ein flexibles Verhältnis dazu entwickeln. Oder wie es so schön heißt: das Training dem Leben anpassen, statt das Leben dem Training. Soweit die Theorie.

Ich gebe zu, dass ich diesbezüglich in der Praxis in den letzten Wochen versagt habe. Setzen, Sechs – meine Tochter würde für so etwas einen Eintrag ins Hausaufgabenheft bekommen. Mit Unterschrift!

Ohne Training kein Triathlon

Denn dass ich fit genug für meine geplante erste Mitteldistanz sein werde, ist so unwahrscheinlich wie Jan Frodeno bei Burger King. Lustige Vorstellung, wird aber nicht passieren.

Man könnte auch sagen: Dafür, dass ich in 22 Wochen meine erste Mitteldistanz machen wollte, bin ich fünf Homeoffice-Kilos zu schwer, trainiere fünf Stunden pro Woche zu wenig, musste mindestens fünfmal zu häufig im Training in den letzten Monaten wieder von vorne anfangen und habe bei meiner Saisonplanung mindestens fünf Fehler zu viel gemacht. Welche genau? Hier eine kleine Auswahl:

  1. Ich habe mich zu früh für ein Rennen entschieden: Oder sagen wir es mal so, ich habe erst das Rennen gewählt, dann das Training geplant/ansatzweise umgesetzt. Umgekehrt wäre vermutlich besser gewesen.
  2. Ich habe unterschätzt, wie viel (und manchmal unmöglich) zehn Stunden Training pro Woche wirklich sind: Vernebelter Blick auf die Tatsachen aufgrund von maximaler Motivation – kann passieren.
  3. Ich habe „in einer perfekten Welt“ geplant: Und dabei kaum Spielraum für das Leben und den Job gelassen, der manchmal (wenn nicht sogar immer) eben Vorrang hat.

Saisonplanung, die erste

Auch wenn ich persönlich kein Fan vom Pochen auf derartige Weisheiten oder Theorien bin: Würde man meine Saisonplanung auf die Zielsetzung nach dem SMART-Prinzip (heißt: Ein Ziel muss spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert sein!) herunterbrechen, hätte ich beim R versagt. Auch wenn ich das beim Aufstellen des Ziels nicht ahnen konnte. Ich schwöre!

Denn eigentlich schien mir die Sache ja total realistisch – damals, im August 2021. Sonst hätte ich dafür ja nun auch nicht das Kärtchen gezückt. Kurz vor dem Start beim Allgäu Triathlon hatte ich mich noch schnell für die Challenge Kaiserwinkl-Walchsee angemeldet. Vor allem, um diese lähmende Frage „Was mache ich eigentlich nach Allgäu und Davos?“ für mich zu beantworten. So weit, so sinnvoll.

Dann explodierte das Leben – und zwar an allen Fronten, die so gar nichts mit Sport zu tun hatten. Die Folge: Der Fokus war weg und hatte die Motivation, die die Anmeldung für Walchsee in mir ausgelöst hatte, gleich mitgenommen. Ein neues Ziel musste her und so blechte ich 380 Euro für ein weiteres Ziel, nämlich die Premiere des Ironman 70.3 in Dresden. Ich hatte (und habe immer noch!) Bock. Echt. Und Premiere ist Premiere.

  • Lese-Tipp
    Auch die ganz Großen müssen mal umplanen – so wie Bocki kürzlich im Blog erläutert hat.

Saisonplanung, die zweite

Aber genug der Selbstkritik, zurück zur Ausgangsfrage des Blogs: Und wie realistisch ist die ganze Nummer jetzt noch? Die Rennen stehen nach wie vor im Kalender, die Wochenangabe bei Trainingpeaks wird stetig kleiner – und das Delta zur Form immer größer. Genau jetzt ist sie gefragt: besagte Flexibilität, die man als Agegrouper mitbringen muss. In meinem Fall bedeutete das, meine Saisonplanung noch einmal zu verändern. Ich verschob mein Highlight um eben die Wochen nach hinten, die mir auf das erste Ziel aktuell schlichtweg fehlen.

Es mag also vielleicht sein, dass ich am 26. Juni 2022 nicht fit genug für eine komplette Mitteldistanz bin. Aber definitiv bin ich fit genug dafür, mein Fahrrad einzuchecken, den Neo anzuziehen, 1,9 Kilometer schwimmen zu gehen, eine, vielleicht sogar zwei Runden auf einer wunderschönen Radstrecke zu cruisen und ganz, ganz, ganz vielleicht noch ein paar (Kilo-)Meter auszulaufen. Keine Ahnung, ob schon jemals jemand mit der Absicht, ihn nicht zu beenden, an den Start eines Triathlons gegangen ist. Aber schaden kann es ja nicht. Und bezahlt ist bezahlt.

  • Lese-Tipp
    Warum macht man noch gleich Triathlon? Carola liefert dazu die passenden Studienergebnisse.

Neue Ziele? Andere Ziele!

Und, ja, es könnte auch gut möglich sein, dass ich dieses Prozedere am 30. Juli 2022 wiederhole und einfach einen wunderbaren Tag mit diesem wunderbaren Sport habe – wie auch immer er ausgeht. Aber inzwischen viel realistischer ist, dass ich am 21. August 2022 noch einmal am großen Alpsee stehe. Nicht, weil ich völlig überambitionierte Bestzeiten aufstellen will, eine Rechnung oder sonstiges zu begleichen habe, sondern weil es einfach besser zu meiner aktuellen Situation passt. Und weil eines nun einmal feststeht: KULT ist Kult.

Warum ich euch hier diesen Einblick ins Um- und Neuplanen gebe? Weil ich darin eine Chance für jeden sehe, Freude an diesem Sport zu behalten – egal, was kommt.

Auch wenn man nicht die perfekten Voraussetzungen, die krasseste VO2max, die heftigsten Wattwerte und wahnsinnige Trainingsumfänge hat, kann man Triathlon lieben und sich persönliche Ziele in diesem Sport setzen. Das ist legitim und nicht weniger wert als alles, was Triathleten machen, die vielleicht mehr Ambitionen, Erfahrung, Möglichkeiten haben.

Triathlon ist das, was du draus machst – war es nicht das, wofür wir diesen Sport an jeder Ziellinie feiern?

Bis bald von der MD-Rookie-Front!
Lena

PS: Sollen im Rookie-Report künftig mehr spezifische Themen rund ums Mitteldistanz-Training stattfinden? Falls ja, lasst es uns wissen!

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12 Kommentare

  1. 10h Trainingpri Woche für eine Mitteldistanz? Das bringe ich nicht mal für die Langdistanz auf 🤨🤔. Vielleicht das Training anpassen, effizienter gestalten und mit weniger Umfang trainieren?

    LG Markus

  2. Finde deinen Artikel wirklich toll.. ehrlich .. authentisch und aus dem Leben. Ich mache seit 15 Jahren Triathlon und habe oft Momente, wo ich Alltag und mein Leben neben dem Triathlon (alleinerziehend, Job, 3 Katzen, Haus, Garten) in gestresster Hektik abhechele und mich dann nach dem Sinn frage.. und dann sag ich mir .. hallo .. es ist mein Hobby, nicht mein Job, es soll Spaß machen.. also nimm raus und lauf eben weniger, langsamer oder lasse mal ein Training, ggfs. auch einen Wettkampf weg.. wie auch immer .. Hauptsache, wir verlieren den Spaß dabei nicht…und bleiben gesund ..nicht Bestzeit .. sondern beste Zeit !!! Alles Gute

  3. Hallo Lena, bitte mache Dich als Genuss/Freizeit-Athlet doch von den Trainingsplänen frei und erst recht einmal von der 10-Stundenmaxime! Ich bin selbst Familienvater und komme daher idR nicht über einen Maximalaufwand von 1×Rad (3Std), 1×Laufen (1,5Std) 1-2×Schwimmen (1Std) plus Stabi (1Std) hinaus, macht max 7 Stunden. Mein Tipp: Gehe einmal die Woche mit Anhang Schwimmen, der dann mal für 45 Min auf ggf Nachwuchs vor Ort aufpassen kann, verlege das Laufen in eine der Mittagspausen (bei Homeoffice ist die Dusche nicht weit) und somit bleibt nur das Radfahren, wo Du 2 Stunden (später 3) am WE mit Kindern Unterstützung brauchst. Ich habe nie nach Trainingsplänen trainiert (zu unflexibel), mich nie mit HIT oder LIT verrückt gemacht (der Triathlet muss ein zuverlässiger Diesel sein) und es trotzdem letztes Jahr mit ner 5.24 ins Mittelfeld geschafft. Und als Rule of thumb: Beim Training lieber die Radausfahrt als das Laufen ausfallen lassen – wenn Du beim Laufen müde rausnimmst, stehst /gehst Du, Beim Radfahren fährst Du noch immer ;-). Vg Chris

  4. Lieber Markus,

    also, in meinem Plan waren solche Spitzenwochen tatsächlich jetzt schon mehrmals drin, ehrlich. Aufgebracht habe ich sie allerdings auch nicht. 😀 Stimmt aber total, dass ein neues, angepasstes Trainingsplankonzept hermuss. Genau da bin ich dran und werde berichten, was und wie sich das ändert. Danke dir für das Feedback!

    Liebe Grüße
    Lena

  5. Liebe Petra,

    „Nicht Bestzeit, sondern beste Zeit!“ – mega, was für ein wundervoller Leitsatz! Danke dir sehr für dein Feedback, das freut mich extrem.
    Sinnsuche … da sagste was. 😀 Ich glaube, sich regelmäßig zu erden, ist wirklich entscheidend. Das ist zumindest eine Erkenntnis nach zwei Jahren. 😀 Aber wem sag ich das …

    Chapeau, Petra – ich feiere deine Haltung dazu!

    Liebe Grüße
    Lena

  6. Lieber Chris,

    da ist ganz viel Wahres dran (gerade die Radfahrregel ist eine gute Perspektive :D) – danke dir! Für mich persönlich ist es tatsächlich etwas hilfreicher, einen Plan an der Hand zu haben, das gibt mir persönlich etwas Sicherheit und Struktur. Aber das ist sicherlich sehr individuell und, ja, es ist kein Muss. Vielleicht war es bisher nicht der richtige Plan, aber es ist noch nichts verloren. 🙂

    Genau für solche Hinweise liebe ich es übrigens, mit euch, der Community, hier in den Austausch zu gehen. Jetzt gilt es quasi nur noch, an der „Diesel“-Form zu arbeiten. 😀

    Liebe Grüße
    Lena

  7. Hi Lena,
    Toller Blog, der vielen bestimmt aus der Seele spricht! „Das Leben explodiert“ finde ich super 🙃 als berufstätiger dreifach papa während einer Pandemie ist das schon sehr zutreffend! Ich sehe es ähnlich wie Chris, locker bleiben regelmäßig laufen schwimmen und Radfahren (fast ausschließlich Rolle in meinem Fall) führte bisher immer INS Ziel 🙂
    Viele Grüße
    Juliab

  8. Lieber Chris,
    Genauso machen WIR es auch. Mit Familie wird Triathlon zum Teamsport. Die Kinder die Fahrradfahren können begleiten mich bei den Läufen (meistens) und wenn dann alles schläft, gehts auf die Rolle und beim schwimmen handhaben wir es auch genauso wie Ihr.
    Generell hat meine Familie ja auch nix gegen Hobby vor allem wenn es so fit hält, aber Triathlon spielt eben nur die 2te oder 3te Geige bzw. der Weg zu den Rennen ist das Ziel.
    Gruß
    Julian

  9. Lieber Julian,

    mega, danke dir! 😀 Ich ziehe wirklich vor jedem den Hut, der es schafft, trotz all der privaten Herausforderungen/Dispositionen das mit dem Locker-Bleiben hinzubekommen. Das ist irgendwie doch oft die größte Challenge. Ich rutsche da manchmal ab – und muss mich dann wieder erden. 😀 Zum Beispiel mit Blick darauf, dass es eben einfach Spaß macht, zu schwimmen, zu radeln, zu laufen.

    Liebe Grüße von der Elternchaos-Front 🙂
    Lena

  10. Liebe Lena,
    Danke für deine ehrlichen Worte! Hab mir für dieses Jahr das Ziel gesetzt Spaß zu haben und wenn dann mal eine Einheit ausfällt, dann ist das so. Wenn keine Zeit fürs Schwimmen ist (dann Zugseiltraining mit dem Schwimmcoach – die 30min hat man immer)!
    Und der Plan mit trotzdem antreten und genießen ist super! Meine erste Halbdistanz war letztes Jahr auch am Walchsee – da kannst du die Landschaft genießen und radeln 😊!
    In diesem Sinne drücke ich dir die Daumen! Danke für deine Offenheit!

  11. Hi Lena,
    ich kann mich den VorrednerInnen nur anschließen und möchte noch ergänzen…
    Nimm dein Trainingsplan, setz dich hin mit dem Familienrat (alle Menschen, welche dein Lebentakt beeinflußen) und plane mit deinen Liebsten 1 KeyWorkout pro Woche.
    Den Rest nimmst du, brichst ihn herunter auf 5-7h.
    Wenn du die KeyWorkouts einvernehmlich planen kannst (immer umsetzbar – deine Zeit!), kannst du den Rest völlig flexibel gestalten und hast schon viel gewonnen.

    Leichter gesagt, als getan, i know 😉 Aber du schaffst das! Nimm den Druck raus und nimm nochmals Anlauf über die Kontinuität.

  12. Liebe Lena,
    ich verfolge regelmäßig Deinen blog und wollte Dir immer schon mal sagen: mach Dich nicht so sehr verrückt, klar es ist Triathlon, aber es ist auch nur das! Ich habe 2 Kinder und bin selbständig, da bleibt auch nicht viel Zeit fürs Training. Als ich vor 4 Jahren im zarten Alter von 50 vom Laufen zum Triathlon gewechselt, habe ich gedacht ich muss diesen Mangel an Zeit mit besonders intensiven Einheiten ausgleichen. Das ging dann aber nach hinten los, mit dem Ergebnis dass ich einen Bandscheibenvorfall hatte und erst mal gestoppt wurde. War aber auch gut so, den dadurch wurde mein Fokus wieder zu Recht gerückt. Seitdem trainiere ich bewusster und lass einfach auch mal eine Einheit ausfallen, wenn es gar nicht geht. Hat aber auch nicht geschadet. Jetzt bereite ich mich auch auf meine erste MD vor und schaue einfach was geht. Ich habe einen Vorteil, ich bin ein Frühaufsteher, deswegen kann ich viele Einheiten erledigen wenn meine family noch schläft. Ansonsten hat meine Frau jetzt ein cooles ebike und kann mich künftig bei meinen Radeinheiten begleiten und meine kleine Tochter ist im Schwimmverein, womit ich von ihr lernen kann und auch immer mal mit ihr eine Schwimmeinheit machen kann.
    Abschliessend würde ich mal sagen, das jeder der seinen Job und seine Familie einigermaßen ernst nimmt, realistisch gesehen niemals irgendwelche Rennen gewinnen wird oder in vordere Bereiche schwimmt, radelt und läuft. Macht aber auch nichts, weil es trotzdem geil ist und das ist das Wichtigste! Ich wünsche Dir ganz viel Glück beim Erreichen Deiner Ziele, Du wirst es schaffen!