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Weihnachtsgruß: Über soziale Verantwortung von Triathleten und Sportlern

23. Dezember 2019


Niclas-Bock-Blog-Geduld

Ich möchte mein Pushing Limits-Jahr mit einem Blog beenden, der nicht das alltägliche Triathlontralala als Thema hat. Rund um Weihnachten ist oftmals Zeit, sich in Ruhe und weniger getrieben mit Dingen auseinander zu setzen, die sonst keinen Platz finden – bei Pushing Limits ist das nicht anders. Diese ruhige Zeit möchte ich dieses Jahr nutzen: Meine Gedanken darüber, welche soziale Verantwortung wir Sportler eigentlich tragen.

Im September habe ich für den Verein, in dem ich meine gesamte Kindheit und Jugendzeit verbachte habe, einen offenen Brief geschrieben – nicht weil es dazu einen Anlass gegeben hätte, sondern weil mir danach war. Diesen Brief möchte ich nun auch mit euch teilen. Vorher aber noch ein paar Worte zum Warum.

Seit ich diesen Brief geschrieben habe, beschäftigen mich einige der Aspekte deutlich mehr als zuvor. In Zeiten, in denen Hinz und Kunz ungefiltert ihre Meinung in den sozialen Medien hinausposaunen können, Unwahrheiten bewusst oder unwissend verbreitet werden und eine rechtspopulistische Partei, wie die AFD, tatsächlich Zuspruch erfährt, sollte jeder von uns ein Stück Verantwortung übernehmen.

Oder sich zumindest seiner Rolle in der Gesellschaft und der Verantwortung seinen Mitmenschen gegenüber bewusst sein.

Durch den Sport geprägt: Mein Verständnis von Werten und Normen

Und nun zu meinem Schreiben, das sich hoffentlich auf viele Vereine übertragen lässt. Vielleicht findet ihr euch ja selbst wieder. In diesem Sinne wünsche ich euch, euren Familien, Freunden und Trainingskollegen frohe Weihnachten und eine besinnliche Zeit.

Bis bald, euer Bocki

Liebe Sportsfreunde,

ein ungewöhnlicher Text, bei dem ich euch dennoch um eure Aufmerksamkeit bitte. Es geht um den TuS Breitscheid, der für die meisten nicht nur eine sportliche Heimat bietet. Der TuS steht auch für Gemeinschaft, Zusammenhalt, Offenheit, Integration, Hilfsbereitschaft und viele weitere Werte und Normen.

Vor 23 Jahren habe ich beim TuS, unter Anleitung von Trainerlegende Peter Versondert, das Fußballspielen gelernt. Mit sechs Jahren stand ich mit ein paar anderen Jungs auf dem (damals noch) Ascheplatz und keiner von uns wusste so richtig, was er da tut. Mit Fußball hatte das alles nichts zu tun. Aber Peter hat uns vermittelt, worum es im Sport geht: Fairness, Teamplay, gemeinsam Erfolge feiern, gemeinsam Niederlagen verkraften. Geschafft hat er das mit den richtigen Worten, Einfühlungsvermögen und einem guten Draht zu uns.

Ein paar Jahre später stand ich selbst als Trainer auf’m Platz. Mit einem älteren Sportskollegen habe ich eine Bambini-Truppe bis zur E-Jugend begleitet. Uns ging es stets darum, dass die Jungs verstehen, worauf es im Sport ankommt: Fairness, Teamplay, gemeinsam Erfolge feiern, gemeinsam Niederlagen verkraften. Geschafft haben wir das mit den richtigen Worten, Einfühlungsvermögen und einem guten Draht zu den Jungs und auch dem ständigen und respektvollen Austausch mit den Eltern.

Während meiner fußballerischen Stationen, als Spieler und als Trainer, habe ich gelernt mit Menschen umzugehen, die ganz unterschiedliche Geschichten erlebt hatten. Ich erinnere mich an Mitspieler aus einer Flüchtlingsunterkunft, die kaum ein Wort Deutsch gesprochen oder verstanden haben – der Fußball und die große Hingabe der Trainer haben aber ein funktionierendes Miteinander ermöglicht. Ich erinnere mich auch an einen Mitspieler, der zwar mit ADHS zu kämpfen hatte, der aber trotzdem ein fester Bestandteil unseres Teams war. Ausgrenzung habe ich nie erlebt und egal, wie schwierig es war einen „Spielertypen“ in die Mannschaft zu integrieren, gemeinsam haben wir es geschafft.

Meine zweite sportliche Karriere begann ebenfalls beim TuS. Vom Fußballplatz bin ich zum Triathlon gewechselt. Durch das Engagement des Vereins, und vor allem des damaligen Nachwuchscoachs Georg Mantyk, habe ich es bis zum Profisportler geschafft und durfte viele tolle Erfolge feiern. Ich werde es dem Verein nie vergessen, mir diesen Weg bereitet zu haben, der mir in meinem Leben die schönsten und unvergesslichsten Momente ermöglicht hat.

Als ich mit 16 Jahren von den Fußballern zu den Triathleten gewechselt bin, konnte ich weder vernünftig Schwimmen, noch Radfahren oder Laufen. Ich hatte keine Ahnung von dem Sport und bis zur ersten Trainingseinheit kannte ich auch keine einzige Person aus der Triathlon-Abteilung. Was habe ich erlebt? Ich wurde offen aufgenommen, Georg und all die anderen Athleten haben mir den Sport erklärt und mich von Anfang an als ein Teil von ihnen behandelt. Ein tolles Gefühl, das ich im Sport – auch in anderen Vereinen, wie dem Kölner Triathlon Team 01 und dem Team twenty.six – immer wieder erlebt habe.

Der TuS hat eine wesentliche Rolle in meiner persönlichen Entwicklung gespielt und neben den angesprochenen Werten von Teamplay, Fairness, dem gemeinsamen Erleben von Siegen und Niederlagen, habe ich beim TuS gelernt, dass wir als Sportler und Menschen eine Verantwortung gegenüber Sportskollegen und anderen Menschen haben, ihnen eine Gemeinschaft und ihnen vielleicht auch ein Stück Heimat bieten können. Wir haben allerdings auch eine gesellschaftliche Verantwortung, die zum Beispiel dann gefragt ist, wenn sich Sport und politische Gesinnung vermischen.

Und diese Verantwortung beginnt meiner Meinung nach genau dann, wenn wir mitbekommen, dass andere Menschen offenkundig Mitglieder radikaler Parteien oder Gruppierungen sind. Diese Menschen sind für ein friedliches Miteinander aus mehreren Gründen gefährlich und mit ihren Ansichten leider auch nicht mit einem TuS oder anderen Sportvereinen vereinbar, wie ich sie kenne.

Ich habe beim TuS auch gelernt, dass man Menschen und Mitglieder von Randgruppen nicht ausgrenzen oder ausschließen sollte. Es ist eine schwierige Aufgabe, der man sich aber stellen sollte: Wenn es in einem Verein Menschen gibt, die radikale Ansichten verbreiten oder teilen, dann muss mit diesen Menschen gesprochen werden. Welche Probleme hat der- oder diejenige? Welche Bedenken trägt er in sich? Wie ist seine Weltsicht? Gleichzeitig muss solchen Menschen eindeutig klar gemacht werden, dass Extremismus in jedweder Form in keinem Verein etwas zu suchen hat.

Daher meine Bitte an alle Sportler und Vereine: Bleibt offenherzig und sprecht miteinander. Radikale Ansichten passen in keinen Sport und haben keinen Platz zwischen Teamplay, Fairness und den Werten und Normen, für die wir als Sportler stehen.

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit und sportliche Grüße,
Niclas Bock

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1 Kommentare

  1. Lieber Niclas,
    als Vereinskamerad des TuS Breitscheid nehme ich mir das Recht zum „Du“ heraus. Wie wäre es, wenn wir uns einfach mal treffen um Vorurteile abzubauen? Meine Kontaktdaten sind ja bekannt.

    Mit sportlichen Grüße Bernd