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Golo Röhrken bloggt: Mein Windtunnel-Test im Specialized Headquarter

18. Juli 2018


Golo-Röhrken-Specialized-Zwift-Windtunnel

Eine super coole und interessante Woche mit dem Specialized Zwift Triathlon Academy Team im Specialized HQ ist Geschichte. Neben der Betreuung durch das ganze Team und dem Trainingsinput von Tim Don (dazu in einem nächsten Blog Eintrag mehr), war für mich wohl der interessanteste Teil der Test des neuen Materials im Windtunnel.

Windtunnel erinnert einen Triathleten ja eher an Formel 1, NASA oder Flugzeugtests. Daher war ich ganz besonders gespannt, ob ich Informationen aus dem Windtunnel als Athlet für mein eigenes Training und als Coach für meine Athleten gebrauchen kann.

Was wird im Windtunnel denn überhaupt gemessen?

Grob gesagt wird gemessen wie viel Widerstand dem Wind aus Material und Athlet entgegen gesetzt wird. Das Ergebnis wird dann als sogenannter Luftwiderstandswert (kurz: CdA-Wert) ausgespuckt.

Dabei verhält es sich beim CdA genau umgekehrt zu den Watt-Werten: Je geringer der CdA, desto aerodynamischer sitzt Du auf Deiner Maschine und desto schneller bist Du bei gleicher Leistung auf dem Rad im Triathlon. Viele der Triathlon Profis, die schon einmal im Windtunnel waren oder anders ihre Werte berechnet haben, hüten ihre CdA-Werte wie den Pincode ihrer Girokarte.

Als ich Tim Don einmal scherzhaft nach seinen Werten fragte, gab es dann auch keine konkrete Antwort oder gar Werte, sondern ein verschmitztes: It’s under 0,2, but I’m not going to say any more.

Golo-Röhrken-Specialized-Zwift-Tim-Don

Der CdA-Wert ist maßgeblich davon abhängig wie viel Fläche man in der Gesamtkonstruktion aus Rad, Helm, Aerosuit und Körperposition dem Wind entgegensetzt. Die Position auf dem Rad ist dabei der größte Faktor. Kleinere und leichtere Athleten bieten dabei dem Wind tendenziell weniger Fläche. Breitere, große Athleten müssen mit höheren Werten rechnen.

Die Definition von Weltklasse

Der Wert von Tim mit unter 0,2 entspricht schon absoluten Weltklasse-Werten. Zum Vergleich: Bradley Wiggins und Rohan Dennis, die vor zwei Jahren den Stundenweltrekord im Radfahren mit über 52km/h aufstellten, haben laut Experten Werte von 0,21-0,22. Jedoch haben Rohan Dennis mit 1,83 Meter und Bradley Wiggins jenseits der 1,90 Meter Körpergröße eine deutlich größere Statur als Tim Don, der eine Körpergröße von unter 1,70 Meter aufweist.

Bei Triathleten mit meist breiten Schultern (Tim hat die auch nicht, ich weiß auch nicht warum der so schnell schwimmt!)  und meist deutlich mehr Körpergewicht als Radprofis sollten daher also Werte um die 0,22-0,3 realistisch sein, abhängig von Sitzposition und Material versteht sich.

Das Testverfahren: Ganz schön anstrengend!

Bei meiner ersten Messung ging es erstmal darum sogenannte Baseline-Werte zu erheben und so probierte ich möglichst meine Position auf dem alten Rad zu kopieren. Diese Baseline-Position habe ich in diversen Aero-Tests auf geraden Strecken mit unterschiedlichen Positionen als „meine schnellste“ ermittelt. Hier im Windkanal wurden nun 5×30 Sekunden lang gemessen und wieder gestoppt.

Golo-Röhrlen-Specialized-Zwift-Triathlon

Im Anschluss haben wir bestimmt zwölf verschiedene Sitz- und Kopfpositionen, Helme und mehr oder weniger Spacer bei den Extensions ausprobiert und immer mal wieder gegen die Baseline verglichen. Ganz schön anstrengend kann ich Euch sagen!

Aerosuits haben wird nicht getestet, das wäre dann in einem nächsten Finetuning zu wiederholen. Auffällig war jedoch dass Jesse, der Meister des Windtunnels von Specialized, mir immer wieder eintrichterte dass ich mal meine Schulter zusammenquetschen sollte und überhaupt einfach viel zu breit sei.

Er meinte: „Golo, you need to shrunk yourself, drop your head and try to narrow your shoulders!“  Aero sein ist mal gar nicht so einfach.

„Shrunk“ war nach meinem Testlauf auf jeden Fall der Running Gag im Camp.  Insgesamt war ich sowieso total überrascht, dass ich hier richtig arbeiten musste. Der Wahoo Kickr im Windtunnel war auf 300 Watt eingestellt und jede Messung dauerte ca. 4-6 Minuten. Bei 12 Messungen bedeutet das etwa anderthalb Stunden reine Fahrzeit bei 300 Watt.

Die kalifornische Temperatur von 36 Grad Celsius im Windtunnel tat dann ihr übriges. Ich war immer wieder froh, wenn Umbauten am Rad fertig waren und der Windtunnel die Temperaturen, mit einer anströmenden Windgeschwindigkeit von 40-50 km/h, gefühlt etwas drosselte. Trotzdem: Nach den ganzen Tests hatte sich ein kleiner See unter mir gebildet und mein Kreislauf war ziemlich im Eimer. Nun folgte der Moment auf den ich schon so lange gewartet hatte, die Auswertung und Analyse der unterschiedlichen Positionen.

Fazit und Ergebnisse: Es hat sich gelohnt!

Am schnellsten war für mich eine relativ „klassische“ Zeitfahrposition im „Shrunk“-Modus mit Aerohelm und keinem Spacer auf dem Turm. Der Unterschied zu einem 2cm-Spacer betrug allerdings nur 2-3 Watt, sodass wir aus Komfortgründen wieder einen Spacer hinzu gefügt haben.

Generell ist jede Position auf dem Zeitfahrrad immer ein Kompromiss aus Komfort und Aerodynamik. Falls es zu starken Leistungseinbussen durch geringen Komfort kommt, dafür aber vielleicht zu besseren Aerodynamik-Werten, sollte man die Position überdenken. Jede Aeroposition ist nur so gut, solange man in der Position bleiben und sie gut fahren kann.

Gerade auf der Langstrecke fällt es doch immer wieder auf, dass einige Athleten gerne mal ihre Aeroposition verlassen und mit den Händen am Oberlenker fahren. Fahren am Oberlenker hat einen CdA-Wert von ca. 0,4,-0,5 und macht damit, selbst wenn man nur kurze Abschnitte am Oberlenker fährt, viel zuvor eingesparte Zeit zunichte.

Maßgerecht: Komfort schlägt Aerodynamik

Daher sollte man im Zweifel lieber die komfortable Position bevorzugen. Hinzu kommt außerdem, dass man im Triathlon ja noch laufen muss – im längsten Fall sogar einen Marathon zu bewältigen hat. Ist die Position zu aggressiv kann es sein, dass Du im Laufen Probleme bekommst.

Der Test im Windtunnel hat sich für mich definitiv gelohnt. Ich habemeinen Cda Wert, im Vergleich zur Baseline-Position, um ca. 0,015 verbessert bei ähnlichem Komfort. Bei 40 km/h bedeutet die Verbesserung eine ungefähre Wattersparnis von 15 Watt und somit eine Zeitersparniss von ca. 4:30 Minuten auf 180 Kilometern.

Zudem habe ich eine ganze Menge gelernt. Beeindruckend war für mich die Expertise, das Know-How und die Leidenschaft, die das ganze Team an den Tag gelegt hat. In dem Windtunnel waren schon ziemlich schnelle Jungs und Mädels, wie etliche Pro-Tour Rad-Teams, Peter Sagan und auch Triathleten wie Jan Frodeno, Tim Don, Jesse Thomas, Javier Gomez, Flora Duffy, Gwen Jorgensen, Lucy Charles und viele andere. Aus dieser Erfahrung heraus wusste das Team relativ schnell an welchen Stellschrauben man bei meinem Körper drehen kann.

Golo-Röhrken-Specialized-Zwift-Triathlon-Team

Für mich haben sich durch den Windtunnel-Test folgende Punkte als die größten Aero-Potentiale ergeben (Achtung: NERD STUFF):

  1. Körperposition auf dem Rad ist das A und O, wichtiger als Laufräder, Zeitfahranzug, Helm und co.
  2. Veränderungen zur Baseline Position:// 12 cm Drop zwischen Sattel und Armauflieger (vorher -14cm), -7cm zurück zur Tretlager-Linie (vorher -5cm)
    • // möglichst schmale Haltung der beiden Ellenbogen auf dem Armauflieger (vorher 8cm, jetzt 5cm zwischen den Ellenbogen)// Kopf leicht in das Dreieck aus Schultern und Ellenbogen sinken lassen, dabei jedoch Kopfposition nach vorne gerichtet, nicht wie vorher Kopf nach unten gerichtet
  3. „Shrunk“ your Shoulders, Probiere möglichst Deine Schultern so schmal wie möglich zu machen, ziehe dafür deine Schultern Richtung Ohren und lasse den Kopf sinken, jedoch nicht ganz fallen. Du musst das trainieren!
  4. Unterschied zwischen Evade (normaler Aero-Helm) und TT S-Works Aero lag bei Baseline-Position bei 12 Watt.

In drei Wochen geht es für mich beim IRONMAN Maastricht an den Start. Noch etwas Zeit die neue Position zu testen und dann hoffentlich auf dem Rad den Grundstein für einen erfolgreichen IRONMAN zu legen!

Cheers und bis bald,

Euer Golo

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