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Echtzeit-Aerodynamik-Optimierung als Performancefaktor der Zukunft?

28. September 2017


Der Swiss Side Aero Pod misst Aerodynamik

Bei einem Facebook-Posting von Swiss Side vor ein paar Wochen wurde ich besonders hellhörig. Es ging um ein kleines Stück Technologie, welches sich AeroPod nennt. Dahinter verbirgt sich ein Sensor, der die Geschwindigkeit relativ zur Umgebungsluft und den dazugehörigen Anströmwinkel misst. Schön und gut mag man denken, aber was bringt das Teil denn überhaupt und was für ein Potential steckt dahinter?

Was ist der AeroPod und was kann er messen?

Um das herauszufinden hab ich mich mit Jean-Paul Ballard von Swiss Side kurzgeschlossen. Wir haben lange gequatscht und auch viel über zukünftige Potentiale der Technologie phantasiert.

Kurz erklärt: Der AeroPod verfügt über zwei wichtige Sensoren. Mit dem ersten Sensor wird die Geschwindigkeit relativ zur Umgebungsluft gemessen. Wieso das? Was wir alle von unseren GPS-Radcomputern kennen, ist die Geschwindigkeit in km/h in Relation zum Untergrund auf dem wir uns bewegen, also relativ zur Straße. Was der Sensor aber misst, ist die Geschwindigkeit in Relation zur Umgebungsluft. Das bedeutet, dass diese Geschwindigkeit zum Beispiel deutlich geringer ausfällt, wenn ich Rückenwind habe oder ich im Windschatten hinter jemanden her fahre.

Der zweite Sensor misst den Winkel der auftreffenden Umgebungsluft. Das heißt beispielsweise von wo der Gegenwind oder Rückenwind genau kommt.

Den AeroPod kann ich also nicht veräppeln, er weiß immer gegen wie viel Luftwiderstand ich gerade wirklich arbeite.

Der Clou: Mit Hilfe dieser Daten ist es nun möglich Leistungsmessungen unter Berücksichtigung der Windverhältnisse durchzuführen. Bisher sind verlässliche Aerodynamikmessungen auf dem Fahrrad nur bei Windstille, z.B. auf der Radrennbahn, wirklich präzise durchführbar.

Erstens brauche ich für solche Tests natürlich überhaupt erst einmal die Möglichkeit auf eine Radrennbahn zu gelangen und zweitens sind unter den windstillen Bedingungen auf der Bahn einige Effekte, wie z.B. der Segeleffekt von Laufrädern, gar nicht messbar, da diese ihre großen Vorteile so richtig erst bei schräg auftreffendem Wind ausspielen.

Der AeroPod macht es nun möglich, genau solche Messungen draußen unter realen Bedingungen zu messen. Ganz schön geil!

Entscheidend ist am Ende natürlich nicht die schlichte Messung dieser Werte, sondern genauso das, was man mit diesen Werten und der richtigen Auswertung anstellen kann. Für mich besonders interessant ist, dass man somit jede kleinste Veränderung an der Aerodynamik des Fahrer-Bike-Pakets in Echtzeit ermitteln kann. Greifen nach der Trinkflasche – Verändern der Sitzposition – Kurvenfahrten – Kopfpositionen – soooo viele Ideen.

Der Status-Quo: Was ist der erste Schritt von Swiss Side?

Bis mit Hilfe des AeroPods mein kühnsten Aerodynamik-Phantasien befriedigt werden können wird noch ein wenig Zeit ins Land gehen, denn Swiss Side steht schließlich auch noch ganz am Anfang der Entwicklung.

Das bisherige Setup sieht so aus, dass in Kona die ersten Tests mit einigen Profi-Athleten durchgeführt werden. Dafür wird der AeroPod an den Bikes montiert und es werden diverse Tests in freier Wildbahn gefahren. Zusätzlich zum AeroPod wird eine Kamera an jedem Bike montiert, die durchgängig den Fahrer filmt. Es geht darum zu sehen wie er sich bewegt, wie er sitzt und einfach generell was er tut.

Die Software hinter dem Swiss Side Aero Pod
Die Software für den Prototypen ist in den letzten Zügen der Entwicklung. Foto: Swiss Side

Die Auswertung erfolgt im Anschluss der Testrides durch die Swiss Side Experten selber. Die Daten des AeroPods werden dann abgeglichen mit den Kameraaufnahmen und den Daten aus den Radcomputern.

Anhand der AeroPod Daten können nun sämtliche „Einbrüche“ in der Aerodynamik über einen Zeitraum erkannt werden. Ziel ist es, gemeinsam mit dem Fahrer, diese „Einbrüche“ durch Anpassungen des Gesamtsetups auf Fahrer und Equipment zu minimieren. Denn jede Sekunde in einer aerodynamisch schlechteren Position kostet schließlich Zeit. Solche Einbrüche können sein: Greifen nach der Trinkflasche, aus dem Sattel gehen am Anstieg, Verschlechterung der Sitzposition auf Grund von Ermüdung des Rückens etc. Alles ist denkbar und all das will Swiss Side über den Abgleich mit dem Kamerabild messbar machen.

Bei den Profis sprechen wir hier natürlich eher über marginale Zeitgewinne… aber da spielt halt bei den Profis die Musik!

Roadmap für 2018: Pro Tour Teams und weitere Miniaturisierung

Anfang des nächsten Jahres wird Swiss Side diese Tests auf das ein oder andere UCI-Pro-Tour-Team ausweiten, um weiter am System zu feilen.

Außerdem wird der AeroPod an sich nochmals um circa ein Viertel der jetzigen Größe schrumpfen. Spätestens dann kann er problemlos und vollkommen dezent an jedes Bike montiert werden.

Die Kona Prototypen des Swiss Side Aero Pod

In meinen Gedanken tun sich unendliche, verrückte Potentiale auf

Im Moment dreht sich bei dem Thema alles noch um die Auswertung durch Experten auf dem Gebiet der Aerodynamik. Mir geht aber was ganz anderes durch den Kopf: Wie kann man das Potential dieses Gerätes für den einzelnen Athleten autark nutzbar machen? Da spielen für mich folgende Dinge eine Rolle:

  1. Kleine Hardware: Ist mit dem AeroPod grundsätzlich schon vorhanden
  2. Integration: Kompatibilität zu gängigen Bikecomputern via ANT+ & BLE
  3. Eine Idee: Ein Echtzeit-Aerodynamik-Index

Punkt 1 und 2 sind keine großen Hürden mehr

Swiss Side hat mit dem jetzigen AeroPod bereits die Hardware. Wird diese nun nochmals deutlich kleiner und beispielsweise mit einem GoPro-Mount versehen kann er an wirklich jedes Bike montiert werden.

Der Prototyp des Swiss Side Aero Pod
Das fertige Modell wird im Vergleich zu diesem Prototypen noch um ein Viertel kleiner werden .

Die Kompatibilität und Datenübermittlung mittels Bluetooth und/oder ANT+ ist absoluter Standard und stellt keinen Firmware-Entwickler mehr vor große Herausforderungen. So wäre es dann möglich, den AeroPod genau wie einen Leistungsmesser mit meinem Radcomputer zu koppeln.

Am dem Punkt hat man dann schon die Infrastruktur gelöst. Ich habe die Daten und diese werden drahtlos an meinen Radcomputer übertragen.

Punkt 3: Die Idee – Ein Realtime-Aerodynamik-Index (RAI)

Der alles entscheidenden Punkt liegt aus meiner Sicht in der Software und in einer guten Idee  zur Vereinfachung und für jeden Athleten verständlichen Präsentation der Daten.

Es muss ein Index her. Eine einfach Zahl – genau wie der Watt-Wert – die ich in Echtzeit oder in Form von diversen gemittelten Werten (3 Sek, 5 Sek, 10 Sek, NP, etc…) immer vor Augen habe. Dieser Index könnte zum Beispiel ein Vielfaches des klassischen Cw-Wertes sein, so dass man eine einfach zu erfassende größere Ganzzahl erhält. Ich nenne ihn einfach mal Realtime-Aerodynamik-Index oder kurz RAI. Der RAI würde mir also konsequent anzeigen, wie aerodynamisch ich zu jeder Zeit bin. Umso höher der RAI, umso schlechter die Aerodynamik.

Aerodynamik-Optimierung für Jedermann

Neben der Echtzeit-Darstellung während der Fahrt kann der RAI natürlich auch im Nachgang ausgewertet werden. Somit wäre ich in der Lage ganz für mich alleine Equipmentests im Training durchzuführen und die Effekte direkt in Echtzeit auf dem Radcomputer zu sehen und sie dann später nochmals im Detail in der Auswertung nachzuvollziehen.

Helme, Einteiler, Trinkflaschen… alles kein Problem. Ganz ohne Tests auf der Radbahn oder im Windtunnel. Ich kann aber auch die Auswirkungen von Positionswechseln, verschiedenen Kopfhaltungen oder Schulterpositionen testen.

Das Schöne gerade bei der Positionsoptimierung: Ich bin nicht nur auf der Rolle wie beim Bikefitting oder habe nur einen kurzen Zeitraum wie auf der Bahn. Ich kann diese Dinge im täglichen Training über längere Zeiträume beobachten und so konsequent an mir arbeiten.

Noch gar nicht richtig denken mag ich an die Möglichkeiten, die entstehen, wenn man dieses kleine Gerät auch im Rennen nutzen kann und darf.

Man darf mir jetzt gerne vorwerfen:

„Du hast doch überhaupt keine Ahnung“ –  Ja, das ist korrekt.
„Es ist unmöglich so einen Wert zu berechnen“ – Vielleicht auch das, kann ich nicht beurteilen.

Alle sagten es sei unmöglich. Dann kam einer, der wusste das nicht und hat’s einfach gemacht.

Natürlich ist das hier alles nur Wunschdenken und lediglich eine abstrakte Idee. Ich bin kein Aerodynamikexperte, sondern ein neugieriger Nutzer. Auf Grundlage meines durchaus beschränkten Basiswissens zu dem Thema schießen mir diese Gedanken durch den Kopf. Damit möchte ich die richtigen Experten einfach mal herausfordern… lasst mal sehen was ihr drauf habt!

Warum ein neuer Index? Es gibt doch den Cw- und den Ca-Wert.

Das ist korrekt. Es ist aber einfach eine Vermutung, dass in diesen Wert auch noch weitere Faktoren einfließen müssen, die über den Cw- und Ca-Wert hinausgehen. Vielleicht kommt ja auch noch das Thema Rollwiderstand ins Spiel. Wer weiß… Wenn nicht… auch ok. Wie gesagt: Versteht es als Gedankenanstoß.

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