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Triathlon im Umbruch? 5 Erkenntnisse der Saison 2022

22. November 2022


Hawaii

Ganz schön was los im Triathlon! Während einige Profis bei den nächsten Ironman-Races bereits an der Quali für Hawaii 2023 arbeiten, bietet es sich quasi an, noch einmal Revue passieren zu lassen, was die (fast) abgeschlossene Saison 2022 so gezeigt hat. Persönlich und unzensiert. (Bild: Tom Schlegel; Text: Lena)

Die Wahrheit ist: Den nun folgenden Artikel will ich eigentlich schon seit Wochen schreiben. Um genau zu sein, seit dem letzten Race-Weekend der Super League Triathlon (SLT) in Neom. Aber irgendwie kam immer etwas dazwischen. Mal waren es Races, mal Orga, Kind, Leben halt. Und dennoch ist es mir persönlich immer ein Bedürfnis, eine Bilanz zu ziehen, bevor man sich in ein nächstes Abenteuer stürzt – zum Beispiel in die nächste Triathlon-Saison, die ihre Schatten längst vorauswirft.

Triathlon im Auf- und Umbruch – und wir mittendrin

Dabei muss ich zugeben, dass ich die alte so richtig noch gar nicht verdaut hab. Es gab so viele Themen – ziemlich große, grundsätzliche sogar. Ich hatte das Gefühl, über den Sommer kamen ständig neue Diskussionspunkte hinzu. Und oftmals war der Tonus „Wir müssen reden, denn so, wie es jetzt ist, kann’s nicht weitergehen!“. Empörung fand sich an vielen Stellen – und ja, ich gebe zu, spätestens beim Dresden-Debakel auch bei mir. Dazu stehe ich.

Gut möglich, dass ich mit diesem Eindruck allein dastehe. Aber was wohl niemand von der Hand weisen kann, ist: Manche der einst so wichtigen Themen sind schon wieder in Vergessenheit geraten. Und das ist fatal. Vielleicht hatte es also doch einen Grund, ja gar tieferen Sinn, dass ich erst jetzt, so kurz vor dem Race-Weekend in Abu Dhabi (WTCS) und Israel (Ironman) noch einmal dazu komme, ein paar Themen wieder auf die Agenda zu holen. Vor allem, um es eben nicht über den Winter unter den (Schnee-)Teppich zu kehren …

1. Generationen, Technik, Nachhaltigkeit: Triathlon ist im Wandel.

Triathlon ist im Agegrouper-Bereich ein herrlich altersfreundlicher Sport – im Profi-Bereich aber spätestens seit dieser Saison keiner mehr nur für die „alte“ Riege. Im Gegenteil: Wir werden gerade Zeugen eines Generationenwandels. Und ich persönlich liebe es, es live mitzuerleben, wie die „jungen Wilden“ das Ruder übernehmen und beachtliche Performances aufs Race-Parkett zaubern.

Von Mika Noodt (22) über Sam Laidlow (23) und Jan Stratmann (27) bis hin zu Fred Funk (der es mit seinen 25 Jahren ja sogar bis zum CEO geschafft hat! #pushinglimitsinsider): Wir reden hier über Athleten aus den späten 1990er- und frühen 2000er-Jahrgängen, die derart für Furore sorgen, dass Elite-Herren in ihren besten Triathlonjahren mit den Ohren schlackern. Und mit Gustav Iden (26) und Kristian Blummenfelt (28) haben wir auf der Lang- und Mitteldistanz amtierende Weltmeister zu vermerken, bei denen letzterer mit seinem Geburtsjahr 1994 schon der „Senior“ ist. Die alte Regel, Ausdauer käme erst mit dem Alter, scheint zu wackeln – und sie ist längst nicht die einzige.

Denn tatsächlich steht auch das Regelwerk im Triathlon im Fokus, wenn wir über Wandel sprechen. Die Buzzwords der Saison dazu: Drafting, Penalty-Box, Race-Ranger. Letztere Technik könnte eine Möglichkeit sein, um im Profibereich für faire Wettkämpfe zu sorgen (Bocki und Nick hatten dazu ausführlich im Podcast gesprochen). Ob sie sich durchsetzt, ist mit Blick auf Kosten, Testing und irgendwie auch Offenheit für dieses Novum noch fraglich. Aber: Sie ist da.

Genauso wie Konzepte, dank denen der Triathlon nachhaltiger werden kann und muss. Dazu in Kürze mehr, aber so viel sei gesagt: Ich persönlich habe den Eindruck, es ist einiges im Wandel. Jetzt gilt es nur noch, dranzubleiben und durchzuziehen.

2. Kleinere Veranstaltungen haben an Reiz gewonnen – und brauchen auch 2023 Support.

Von Helfermangel bis hin zu unerwartetem Zulauf: Kleinere Veranstaltungen, auf denen eben keine große Triathlon-Brand prangt, wurden 2022 auffallend häufig diskutiert und als spannende Alternativen ausgemacht. Gerade jetzt, wenn der eine oder andere an der Saisonplanung für 2023 sitzt, ist es also umso wichtiger, sie noch einmal zurück auf die Agenda zu bringen.

Denn Fakt ist auch, dass beispielsweise nach dem verschobenen Ironman 70.3 Dresden einige in der Szene zum Müritz Triathlon wechselten – und danach vollends begeistert waren. Von der Strecke, der Orga, der Atmosphäre. Learning: Es muss nicht immer das Rennen mit Rucksack-Garantie sein. Die Finishlines bei unabhängigen Events können genauso schön, wenn nicht sogar noch schöner sein.

3. Die Kurzdistanz hat mehr Aufmerksamkeit verdient.

Ich mach’s mal transparent: Dieser Appell geht ganz klar in unsere eigene Richtung. Denn wenn ich ehrlich bin, hatte ich zuweilen den Eindruck, wir würden die Geschehnisse auf den kurzen Distanzen fast schon stiefmütterlich behandeln. Und das ist aus meiner Sicht wirklich schade – denn genau hier beginnen in der Regel alle Triathlon-Geschichten. Und wenn wir nicht anfangen, sie zu erzählen, hat der Triathlon irgendwann ein Zulaufproblem. Punkt.

Ob European Championships oder Super League: Die erstaunten, zugleich auch maximal begeisterten Gesichter des Publikums haben es allemal gezeigt, dass Triathlon außerhalb der Bubble ein durchaus verzogenes Image hat. Denn: Triathlon ist nicht nur Langdistanz. Dieser Sport ist mehr als Ironman, Challenge und Hawaii. Und er hat entsprechend Potenzial, für mehr Menschen zum Gamechanger zu werden. Eintrag ins eigene Hausaufgabenheft ist gemacht. Stay tuned!

4. Mythos bleibt Mythos.

Zwei Langdistanz-Weltmeisterschaften gab es in 2022 zu verfolgen – und nennt mich romantisch, aber: Hawaii ist eben doch etwas Besonderes. Der Vibe kam irgendwie anders an als beim Rennen in St. George im Frühjahr. Zumindest bei mir.

Lag vielleicht auch einfach am Termin, am Starterfeld, an der Off-Season. Aber meine Faszination, irgendwann zum Zuschauen (!) nach Hawaii zu reisen, kam dadurch definitiv zurück. Sicher, das ist sehr individuell – und wenn wir über Nachhaltigkeit in Punkt 1, kostengünstigere, regionalere Veranstaltungen in Punkt 2 und Faszination auf allen Distanzen in Punkt 3 sprechen, steht Punkt 4 auf wackligen Beinen. Aber Mythos bleibt Mythos.

5. Das Bild der Frau als Triathletin ändert sich.

Jaja, schon klar: Kaum tippt hier eine Frau in die Tasten, wird den Frauen gar ein eigener Punkt auf der Ereignis-Liste gewidmet. Aber es lässt sich eben nicht leugnen, dass die starken Leistungen so mancher Top-Athletin die Saison bestimmt und geprägt haben.

Mit der Auskopplung des Frauen-EM-Rennens in Hamburg und der gesonderten Übertragung der Profi-Races auf Hawaii und in St. George wurden die Frauenrennen neu inszeniert. Klar, eine Übertragung des Frauenrennens in der Donnerstagnacht bleibt meines Erachtens auch 2023 – trotz der Euphorie nach der diesjährigen Übertragung – eher schwierig für den europäischen Markt. Aber es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass auch in diesem Punkt (nicht erst, aber eben auch) seit diesem Jahr einiges im Umbruch ist.

Das gilt ebenso, wie eingangs erwähnt, mit Blick auf die Athletinnen selbst. Beispiel: Weltmeisterin Chelsea Sodaro, die mit Kleinkind im Gepäck einen echten Hawaii-Knaller brachte. Aber auch Daniela Bleymehl, die weniger als neun Monate nach der Geburt ihrer Tochter beim Ironman Südafrika triumphierte, darf in der Auflistung nicht fehlen. Denn: Diese Geschichten zeigen, dass viel mehr möglich ist als gedacht. Und ist es nicht ebendieser Gedanke, der uns alle am und im Triathlon nach wie vor am meisten fasziniert …?!

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2 Kommentare

  1. Dem kann man nun aber entgegenhalten, dass das Maß der Dinge Frodeno bald 42 ist, Ryf 35 Haug 39 und Leute wie Sanders oder Currie auch bereits in der Mitte der Dreißiger angekommen sind und in St George Vizeweltmeister bzw Dritter wurden. Da gehen die erbrachten Leistungen weiterhin bergauf, also scheint Alter durchaus vorteilhaft zu sein im Ausdauersport. Wer weiß, wie gut ein Iden in 10 Jahren ist…

  2. Yes, stimmt! Halten wir fest: Es bleibt auf jeden Fall auch mit der neuen Generation spannend.

    Liebe Grüße
    Lena