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Rookie-Report – Trainiere ich zu wenig, zu viel oder genau richtig?

17. Februar 2021


Eine Radfahrerin fährt durch einen Wald eine Straße hinauf

Die Frage, wie viel Training genug Training ist, kann beim Triathlon eigentlich nur einer beantworten: der eigene Körper. Blöd nur, wenn man dessen Sprache erst noch lernen muss. So wie Triathlon-Anfängerin Lena.

Triathlon verändert alles – vor allem das Verhältnis zum eigenen Körper. Wenn ich eines nach wenigen Monaten Training sagen kann, dann ist es wohl das. Wer so intensiv trainiert, wie es Triathleten schon aufgrund der Tatsache tun, dass sie in drei Sportarten das Maximum aus ihrem Körper herausholen wollen, muss einfach beeindruckt sein, was der Körper leisten kann. Oder auch nicht. Denn das Verhältnis zum Körper ist nicht immer nur von Bewunderung oder gar Respekt gekennzeichnet. Im Gegenteil: Im Triathlon-Training kann der Körper auch zum Feind, weil zum limitierenden Faktor werden. Und dann ist bekanntlich Schluss mit lustig.

Das könnte übrigens auch erklären, warum die Trainingsanweisungen im Triathlon ziemlich verwirrend sind. Insbesondere für Anfänger wie mich. Überall wirst du zugeballert mit Tipps und Trainingseinheiten, dank denen du schneller, besser, fitter werden kannst und sollst. Gleichzeitig wird dir regelmäßig nahegelegt, bloß auf deinen Körper zu hören. Na, was denn nun: Powern oder Pausieren? Durchziehen oder Drosseln? Vollgas oder Vollbremsung? Leute, wer soll da noch durchblicken …?

Hinzu kommt, dass der Ruf der mentalen Motivation lauter ist als jedes Warnzeichen der physischen Leistungsfähigkeit – leider. Gerade als Anfänger hast du unendlich viel Bock, dich zu fordern. Intervalle, die für erfahrene Triathleten langweilige Routinen sind, sind für Rookies noch spannende Highlights. Da kann es schon mal vorkommen, dass man sich auf eine Einheit mit Lauf-ABC oder 80-Meter-Steigerungslauf freut. Es fühlt sich einfach zu gut an, wenn alle Einheiten im Trainingsplan auf Grün stehen. Fragt sich nur: Wie bekomme ich jetzt bitte dieses Körpergefühl, von dem hier alle reden?

Körpergefühl im Triathlon: Geht’s mir eigentlich noch gut?

Dass mein Körpergefühl noch nicht stimmte, musste ich mir nach einigen Monaten Triathlon-Training im vergangenen Jahr eingestehen. Ganz ehrlich: Ich hätte eigentlich aussehen müssen wie Hulk. Gemessen an den grünen Balken hätte ich beim Laufen Staub aufwirbeln, mein Fahrrad bei jedem Tritt quasi vom Boden abheben und jeder Aal beim Anblick meiner Gleitphase im Wasser neidisch werden müssen. Nichts davon war der Fall. Stattdessen wurde ich nach etwa fünf Monaten Training krank. So krank wie seit meiner Ersti-Woche nicht mehr. Und die ist wirklich verdammt lang her.

Rückblickend muss ich sagen: Das war ganz gut so. Außerdem kam dann eh Corona, meine Saisonplanung war für die Tonne und ich hatte Zeit, über mich, mein Training und meine Einstellung nachzudenken. Ausgerechnet das könnte allerdings mein Glück gewesen sein, wie Triathlon-Trainer und „Coaches Corner“-Stimme Mario Schmidt-Wendling mir erklärt: „Wenn du in der Lage bist, deine Fehler zu reflektieren, dann bist du auf dem besten Weg dahin, ein Körpergefühl zu entwickeln.“

Phänomen „Restless Rookie“: Der erste Schritt zum richtigen Trainingspensum
Im Ernst: Auf den eigenen Körper zu hören, klingt ja immer so easy. Aber in der Praxis ist es schwierig, sich selbst zu bremsen. So what, Coach? „Es geht darum, sich zu fragen: Wie fühle ich mich wirklich? Der ganze Datenkram, der sich in den letzten Jahren im Triathlon etabliert hat, sollte hin und wieder bei Seite gelassen werden. Du kannst die Sprache deines Körpers nur verstehen, wenn du nicht die ganze Zeit auf die Uhr guckst. Die Uhr zu Hause lassen und einfach mal machen – das wäre der erste Schritt.“

Ähm, und woher weiß ich dann, dass mein Training wirkt und ich irgendwann (vielleicht) besser werde? „Du kannst die Einheit ja tracken, aber eben nicht währenddessen draufschauen und kontrollieren. Es gibt auch Pulsgurte, die alles aufzeichnen, ohne dass du dazu eine Uhr tragen musst. Im Training dogmatisch in Zahlenkategorien zu denken, ist gerade für Einsteiger fatal. Wenn du dich nur in diesen Kategorien aufhältst, wird sich kein Körpergefühl entwickeln – und du bist beim nächsten Garmin-Ausfall völlig aufgeschmissen.“ Jo, ich erinnere mich.

Macht Triathlon-Training glücklich oder süchtig?

Dass ich nicht allein damit bin, nach dem vielzitierten Körpergefühl zu suchen, beweist ein Blick ins Ratgeber-Regal. In Roy Hinnens „100% Triathlon“ findet sich eine Frage, die darauf schließen lässt, wie konträr das Verhältnis von Triathleten zu ihrem Körper ist. Sie dreht sich darum, was man tun könne, wenn man jedes Wochenende Training und Wettkämpfe „brauche“, obwohl man sich eigentlich nach Ruhe sehne. Hinnen antwortet: „Du brauchst scheinbar Endorphine. Endorphine sind deine körpereigenen Glückshormone, die du dir am Wochenende gönnst. Auch die können abhängig machen!“ Er erklärt weiter, dass der Fragesteller wohl in Job und Alltag seltener Glücksgefühle habe, weswegen er „ausbrechen“ müsse. Sein Rat: „Sei ehrlich zu dir!“ Stimmt. Nur, wie soll man ehrlich zu sich sein, wenn man nicht einmal die Sprache seines Körpers versteht?

Ich brauche noch konkretere Hilfe und hake bei Ex-Profi und Triathlon-Trainer Nils Goerke nach – der hat, so viel weiß ich inzwischen, nämlich immer einen praktischen Tipp parat. So auch diesmal. Meine Frage: Was tun, wenn der Kopf dir sagt „Mach weiter!“, dein Körper dir aber gegenteilige Zeichen gibt? Nils‘ Antwort: „Während des Trainings kann man lernen, den guten vom schlechten Schmerz zu unterscheiden. Der gute Schmerz lässt sich mental beherrschen, unterdrücken oder anders wahrnehmen. Leistungsgrenzen werden verschoben. Das benötigt einen starken Willen, den man erlernen kann. Der schlechte Schmerz hingegen ist strukturell: Es fühlt sich gerade wirklich nicht richtig an, weiterzumachen; man hat vielmehr das Gefühl, etwas kaputtzumachen. In dem Fall ist dringend Aufhören angesagt. Da würde zu viel Willen eher nachteilig wirken.“

Du weißt, dass du genau richtig trainierst, wenn …

Bleibt eigentlich nur noch eine Frage: Kann wirklich jeder ein gutes Körpergefühl erlernen oder ist das so ein Profi-Ding? „Es gibt sicher Athleten, die von Haus aus ein besseres Körpergefühl haben als andere. Generell hilft es natürlich, wenn man schon in jungen Jahren Sport gemacht hat“, sagt Nils. „Im Hobbysport hängen Übertraining und Körpergefühl sicher zusammen. Im Spitzensport ist das komplexer: Da ist Top-Performance immer ein Ritt auf der Rasierklinge.“

Immerhin: Auch für Rookies scheint es Hoffnung zu geben, die Unbekannte in der Gleichung des perfekten Trainingspensums enttarnen zu können. Das Körpergefühl wird zum Faktor X. „Ein Anfänger braucht kein Powermeter und keine Pulsuhr; ein Anfänger braucht vielleicht eine Stoppuhr und ein gutes Gefühl für die Atmung“, stellt Mario klar. „Das hat man, wenn man in dem Tempo unterwegs ist, in dem man sich noch unterhalten kann. Nur dann bist du nämlich in einem Bereich, in dem sich Sauerstoffaufnahme und Sauerstoffbedarf die Waage halten: im Grundlagenbereich.“ Mathe war eben noch nie mein Ding …

Profi-Check: Was hat der Triathlon dich über dich selbst gelehrt?

Carolin Lehrieder, Team Erdinger Alkoholfrei

„Ich finde es superspannend, mich tagtäglich an meine Grenzen zu bringen – sowohl körperlich als auch mental – und zu sehen, wie weit ich sie verschieben kann. Ich bin mir sicher, auch später von den Erkenntnissen über meine Motivation, mein Durchhaltevermögen und meine Leidenschaft zu profitieren.“

Florian Angert, Team Erdinger Alkoholfrei

„Ich bin bisher viel gereist, habe coole Flecken auf der Welt gesehen und durchfahren, die ich ohne Fahrrad niemals gefunden hätte (mein Highlight: der Stadtteil Falken-Gesäß im Odenwald). Nebenbei lernt man dabei viele neue Leute kennen, es entstehen Freundschaften und man erfährt durch das ganze Training sowie die Wettkämpfe viel über sich selbst.“

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2 Kommentare

  1. Wer kennt ihn nicht den neidisch guckenden Aal 😀 Super Artikel mit nem wichtigen Thema. Die anfängliche Euphorie zeigt sich doch viel zu häufig in zu hohen Trainingsumfängen und oft auch Verletzungen.. Weniger ist oft mehr und nur durch Kontinuität, Ausdauer und gezieltes Training stellen sich nachhaltige Erfolge ein.