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Rookie-Report – Körperkult im Triathlon: Allein unter Astralkörpern?

06. Juli 2021



Durchtrainiert und athletisch: So sieht er aus, der gemeine Triathlet. Aber was, wenn man diesem vermeintlichen „Ideal“ so gar nicht entspricht? Aufhören, bevor man überhaupt angefangen hat? Nö, findet Rookie Lena! Ein Plädoyer für mehr von dieser vielzitierten Body-Positivity im Triathlon.

Mit einem lauten „Puh“ und hochrotem Kopf schmeiße ich den schwarzen Einteiler aufs Bett. Mann, ey, hätte mir aber auch mal jemand sagen können, wie verdammt eng die Dinger sind. Wenn mir diese Wahnsinns-Prozedur des Anziehens am Wettkampfmorgen auch bevorsteht – na, dann Prost-Mahlzeit! Darüber dann noch den Neo anziehen und ich bin definitiv aufgewärmt.

Aber Schluss mit dem Galgenhumor: Fakt ist auch, dass ich mich gerade in einem Kleidungsstück der Größe M gefühlt habe, als würde ich etwas in Größe XXXS tragen. Und dass das Ding an meinen Oberschenkeln sowie der unteren Schulterpartie für unschöne Röllchen sorgt. Wie soll ich darin bitte in wenigen Wochen durch die Gegend schwimmen, radfahren, laufen – und das alles auch noch vor den Augen anderer Teilnehmer?!

Selbstbewusstsein im Triathlon: Der Renn-Einteiler ist erst der Anfang

„Muss ich wohl noch abnehmen!“, zische ich schlussfolgernd. Ob das im laufenden Training gesund ist, sei mal dahingestellt. Das ist auch mir klar. Aber wie unangenehm, ach was, peinlich wird es dann bitte, sich mitsamt Dellen und Schwungmasse zwischen all diesen gertenschlanken Traum-Athleten mit geshreddeten Astralkörpern zu bewegen?

Das ist jedenfalls meine Vorstellung von so einem Teilnehmerfeld: alle superfit – und dann so ich. Anfang 30, eine Schwangerschaft auf der Haben-Seite, deutliche Hüft- und Oberschenkelpartie, optisch also weit weg von dem, was man gemeinhin unter „Typ Triathletin“ versteht. Dazu nicht gerade das beste Bindegewebe sowie der Hang zu Wassereinlagerungen bei Temperaturen jenseits der 25 Grad. Die Unsicherheit, wie bescheuert ich wohl in diesem Tri-Suit aussehen werde, ist schnell erklärt. Ob es wohl nur mir so geht?

Schönheitsideale im Triathlon? Gibt’s schon …

Ha, von wegen! Erst kürzlich hatte Anja Ippach in der Pushing Limits Frauenrunde erwähnt, dass die hautengen Einteiler bei vielen für sinkendes Selbstbewusstsein sorgen. Und auf Nachfrage bei meiner Trainerin des Vertrauens, Triathlon-Profi Daniela Bleymehl, bekomme ich ein „Glaub mir, das geht nicht nur Rookies so!“ als Antwort zurück. Aber woher kommt dann dieses beklemmende Gefühl, dass ich nicht ins Bild bei so einem Triathlon passe?

Schnitt. Zwei Wochen später. Bevor mir selbst der Start bei einem Triathlon vergönnt ist, darf ich anderen dabei zugucken: Im Rahmen der Challenge Kaiserwinkl-Walchsee bekomme ich mit, was den Triathlon-Zauber ausmacht. Ich schaue den „Profis bei der Arbeit“ zu und bin gut drei Sekunden nach dem Schwimmstart motivierter denn je, auch so ein Ding ins Ziel bringen zu wollen. Dafür muss ich mich allerdings irgendwie in diesen Einteiler zwängen. Womit wir wieder beim Thema wären …

Das Motto: „Triathlon comes in all shapes!”

Dabei muss man gar nicht weit schauen, um zu erkennen: „Typische Triathleten“ gibt es eigentlich nicht – zumindest nicht optisch. Das zeigt sich auch am Walchsee an diesem Wochenende. Zuerst läuft Frederic „Lieblings-Praktikant“ Funk über die Ziellinie, nach ihm Thomas „der grüne Teufel“ Steger: Zwei Athleten, die optisch unterschiedlicher nicht sein könnten. Trotzdem mischen beide als Teil der „Jungen Wilden“ den Laden auf.

Funk ist kompakt gebaut, Muskelpakete zeichnen sich an den Beinen sowie an den Armen ab. Die schnellen, kurzen Muskelfasern lassen grüßen – wohl ein Nebeneffekt des Powertrainings. Steger hingegen ist groß, schmal, eher „Typ drahtig“. Die beiden sind der beste Beweis dafür, dass in diesem Sport vor allem eines gilt: „Triathlon comes in all shapes!“ Von dieser Sorte gibt es nämlich noch einige weitere Duos. Wer Jan Frodeno und Lionel Sanders zum ersten Mal sieht, würde sie ja nun auch nicht in einen Topf oder gar ein „Battle Royale“ schmeißen, oder?

Und welchen Körpertyp hast du so?

Es ist übrigens genau diese Beobachtung am Raceday bei der Challenge Kaiserwinkl-Walchsee, die mich zu folgendem Rat an alle Triathlon-Neulinge, Quereinsteiger oder auch Erfahrene (egal ob männlich oder weiblich!) veranlasst: Schaut vor dem eigenen Start erst einmal bei Rennen zu – möglichst live und in Farbe. Und zwar nicht nur bei den Profis.

Denn vor allem das Feld der Altersklassen-Athleten bietet ein realistisches Bild. Spätestens das Zuschauen brachte mir nach all den Profi-Idealen die Selbstsicherheit zurück – weil Triathlon eben doch was für Jedermann und Jederfrau ist. Für Twenty-Something-Athleten genauso wie für die der Klasse 60+. Für die Muskelpakete genauso wie für die Spargeltarzans dieser Welt. Für Typ Birne genauso wie für Typ Apfel.

Es wird eben auch nicht jeder Triathlet mit demselben Körpertyp oder derselben Veranlagung zum Muskelaufbau geboren, sonst wär’s ja auch langweilig. Entscheidender ist vielmehr der Spaß am Sport. Wer den nicht hat, kommt wohl auch nie auf die wahnsinnige Idee, drei Sportarten am Stück zu treiben – ganz unabhängig von Gewicht oder Körperproportionen.

  • Körper- und Knochenbau: 3 Körpertypen im Detail

  • Die Theorie der Körpertypen stammt aus den 1940er-Jahren und wurde von Mediziner und Psychologe William Sheldon formuliert – allerdings lediglich auf Basis von Foto-Beurteilungen und damit auf subjektiven Einschätzungen. Das ist zugleich die größte Kritik an der Typisierung des Amerikaners.
  • Nichtsdestotrotz findet die Theorie bis heute Anhänger. Das gilt gerade in der Trainingspraxis, da sich laut Sheldon von der Typisierung auch Ernährungs- und Trainingsregeln ableiten lassen sollen. Genau das ist aber umstritten. Immerhin: Um zu begreifen, dass eben nicht jeder Athlet gleich tickt und aussieht, kann es nicht schaden, die Theorie schon mal gehört zu haben.
  • Ektomorph
    Schmale Hüfte, schmale Schultern und eher die Spargeltarzan-Optik: Wer einen ektomorphen Körpertyp hat, legt zwar weniger schnell an Gewicht zu, allerdings auch sehr langsam Muskelmasse. Insgesamt ist dieser Körpertyp eher schlank gebaut.
  • Mesomorph
    Der Körperbau entspricht der typischen V-Form, also schmale Hüften, aber breite Schultern. Sportler dieses Typs bauen schnell Muskeln auf, neigen eher zu einem geringen Körperfettanteil – und haben damit genau den Typus, der als erstrebenswert gilt. Wenn überhaupt, sammelt sich Fett an Hüfte und Bauch.
  • Endomorph
    Kurze Gliedmaßen, breite Hüfte, breite Schultern: Ein endomorpher Körpertyp geht oft mit einem schnellen Muskelaufbau einher – jedoch auch mit einer raschen Fetteinlagerung. Po, Oberschenkel, Hüften sind übrigens bevorzugte Lagerstellen.

Übrigens: Ich bin mehr so der Typ endomorph. Oder doch mesomorph? Naja, ultraschlank, ergo ektomorph gebaut bin ich jedenfalls nicht. Obwohl ich seit Wochen keinen einzigen Bizepscurl gemacht habe, sehe ich aus, als würde ich nichts anderes tun. Und egal, wie viel ich laufe, habe ich Oberschenkel à la Peter Sagan. Naja, fast.

Dass mich vorgestern meine Nachbarin mit skeptischem Blick auf meine Beine darauf hinwies, man würde „ja nun wirklich sehen“, dass ich sportlich aktiv wäre, hätte ich als Anlass für Selbstzweifel nehmen können. Stattdessen verbuchte ich es nach der Erfahrung am Walchsee aber als Beweis für die Wirkung meines Trainings: Offensichtlich tue ich nicht nur ein bisschen was, mein Körper spricht wohl auch noch darauf an. Ist doch top!

Nur, was mache ich jetzt mit diesem Einteiler …?

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4 Kommentare

  1. Der Rookie-Report ist immer wieder herrlich! Und obwohl ich am Walchsee auf der anderen Seite der Absperrgitter unterwegs war (oder vielleicht gerade deshalb ;-)), kann ich nur sagen, behalte den Einteiler und bring ihn möglichst bald an die Startlinie! Dort ist dir und allen anderen die Optik definitiv egal, und auf dem Zielfoto zählt sowieso nur der Stolz über die Leistung und das glückliche Lächeln!

  2. Es gibt ein super Interview mit Paula Findlay, das war glaube ich die Greg Bennett Show als Podcast, wo eben über diesen Körperkult gesprochen wird. Lieblingszitat: „Triathlon has quite a diverse body type range, there are many people who perfom amazingly and have quite different types of bodies. Train well, fuel properly and don’t compare yourself.“

  3. So true 🙂 bei wurde es beim gefühlt 100. Anzug dann einer in Größe L, Hauptsache es zwickt nichts 😄 und die Größen sind je nach Marke eh total willkürlich… bei meinen Radhosen ist von XS bis M alles dabei.

  4. Ich gehöre ja zu den Alten und wenn auch jetzt nur mal zum Spaß starten würde wollen. Mit der derzeitigen Figur ( allerdings entspricht es auch dem Zustand) würde ich mich nicht trauen. Kopfmäßig natürlich doof, aber….

    Insofern guter Tipp, ich sollte einfach mal wo Zuschauer sein, denn das ist genauso lange her.
    Mitte der 90iger gab es halt nur eine Gruppe, die oft einsam irgendwo unterwegs waren.
    Damals passte der Anzug von asics in der l fast nicht. Diese Figur von damals werde ich aber nie wieder erreichen, muss es auch nicht.
    Aber irgendwie waren die Sachen schon immer eher in Schrumpfgröße. 🙂